piwik no script img

Proteste gegen Nacktscanner in den USA"Fass mir nicht in die Weichteile!"

Viele US-Bürger wehren sich. Sie wollen nicht die Wahl haben, entweder durch den Nacktscanner gehen zu müssen oder sich intensiv abtasten zu lassen.

Sicherheits-Check in Arlington, Virginia. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Das Flughafenpersonal staunte nicht schlecht: Nur in Unterhemd und Boxershorts bekleidet, tauchte der New Yorker Jason Rockwood am Donnerstag an der Sicherheitskontrolle des New Yorker Flughafens La Guardia auf. "Ich möchte den Jungs von der Sicherheitsbehörde einfach die Arbeit erleichtern", begründete er die leichte Reisekleidung.

Rockwood zählt zu einer Protestgruppe, der nach Umfragen bis zur Hälfte der US-Bevölkerung angehört. Sie wehren sich massiv gegen die neuen Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen: Nacktscanner oder gründliches Abtasten, heißt die Ansage der Flugsicherheitsbehörde TSA seit Anfang November.

Nach dem Zufallsprinzip müssen sich Fluggäste und Crew-Mitglieder bis auf die Haut schauen lassen. Wehren sie sich gegen die Röntgenbrille, müssen sie sich bis in die intimsten Regionen abtasten lassen. Damit sollen Waffen, Zünder und andere im Körper eingeschmuggelte Metallteile aufgespürt werden.

Am Thanksgiving-Tag, dem turbulentesten Reisetag des Jahres, zückten Gegner der nackten Wahrheit ihrerseits die Waffen: "Fass mir nicht in die Weichteile!" hieß der Slogan, mit dem Privatleute, aber auch Pilotenvereinigungen und Politiker gegen die handfeste Untersuchung protestierten.

Der Protestruf war durch einen Passagier zum geflügelten Wort geworden. John Tyner hatte ein Handy-Video ins Internet gestellt, in dem er einem Sicherheitsbeamten in San Diego droht: "Wenn sie mich angrapschen, lasse ich sie verhaften." Tyner hatte sich beim Sicherheitscheck nicht zwischen die Beine greifen lassen wollen und wurde schließlich vom Gelände geführt.

Die Nacktscanner-Gegner haben vor allem gesundheitliche Bedenken, wenn sie sich mittels einer geringen Dosis Röntgenstrahlen bis auf die Haut sehen lassen. Auch einige Pilotengewerkschaften befürchten das und empfehlen ihren Mitgliedern, sich dem häufigen Durchleuchten schlicht zu widersetzen. Die Behörden bestreiten das. Sie halten an der Technik fest, weil sie unkompliziert sei. Bislang gibt es laut CNN an fast 70 US-Flughäfen knapp 350 Nacktscanner. Bis Ende nächsten Jahres sollen es landesweit 1000 Geräte sein.

"Ich glaube nicht, dass das Verfahren uns viel von unserer Würde lässt", sagte Rockwood in New York. Zahlreiche Passagiere fühlten sich in den vergangenen Tagen regelrecht gedemütigt. So etwa ein Mann mit einem künstlichen Blasenausgang, der am Detroiter Flughafen von einem Kontrolleur so grob abgetastet wurde, dass sein Katheter riss. Der Urin-Beutel ergoss sich über seine Kleidung. Einer Flugbegleiterin wiederum legte eine Kontrolleurin gleich ihre ganze Hand auf die Brust. Als die Stewardess erklärte, dass sie nach einem Brustkrebs eine Prothese habe, wurde sie gezwungen, dies zu beweisen.

"Wir versuchen, das richtige Maß zwischen Privatheit und Sicherheit zu finden", erklärte die TSA am Donnerstag. Die Behörde, die nach den Attentaten vom 11. September 2001 gegründet wurde, bewerte ihre Sicherheitsmaßnahmen stetig neu, um sie anzupassen. Der Sprecher erinnerte auch an das versuchte Flugzeugattentat vor einem Jahr, als "Unterhosenbomber" Umar Farouk Abdulmutallab versucht hatte, eine Maschine beim Landeanflug auf Detroit in die Luft zu sprengen.

Das angekündigte Chaos durch die Verweigerungsaktion blieb derweil am Donnerstag aus. Rund 40 Millionen Fluggäste reisten zum Truthahnfest durch das Land. Nach einer Umfrage der "Washington Post" und des TV-Senders ABC hatten zwei Drittel von ihnen Verständnis für die Nacktscanner.

Das Abtasten allerdings geht demnach der Hälfte der Bevölkerung gegen den Strich. Und auch so mancher Kontrolleur wäre froh, wenn die TSA ihre Bestimmungen bald weder lockern würde. "Ich habe auch keine Lust, hier den ganzen Tag Penisse abzutasten", beschwerte sich einer von ihnen in einem Blog.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • S
    Speezie

    @ isomatte: Nicht die Mehrheit der Amerikaner wählen ihren Präsidenten, sondern die Mehrheit der amerikanischen Wähler.

    Auch hier in Deutschland reist eine Politikerin in "Volkes Namen" durch die Weltgeschichte obwohl sie nur von rund einem Drittel der Deutschen den Auftrag dazu bekommen hat.

     

    Nur wer sich in "unserer westlichen Welt" ganz aus der Gesellschaft verabschiedet bekommt die Auswüchse des Sicherheitswahns nicht zu spüren. Je schlechter es den Mächtigen geht desto härter die Prügel auf Unbeteiligte. Hier lasen wir doch nur von EINER Spitze des Eisbergs...

  • KP
    Klaus Pietschmann

    nach nun zwei jahren aufenthalt in phili, die mir durch sieben heimfluege im jahr, die wiederrum gesplittet sind in einen nationalen und einen transatlantischen flug, insgesamt sechsundfuenfzig sicherheitschecks einbrachten, moechte ich an dieser stelle doch mal einen erfahrungswert einstreuen: sollte es tatsaechlich gelingen, durch ausgefeilte sicherheitsvorkehrungen das fliegen absolut sicher zumachen, wird sich der terrorismus woandershin verlagern. so geschehen im fussball. dort ist die randale auch von der ersten in die dritte und oberliga abgestiegen. die qualitaet der gewalt ist dennoch geblieben. mit nachdenklichen gruessen aus philadelphia klaus pietschmann

  • I
    isomatte

    Sind es nicht die Mehrheit der US-Amerikaner, die immer wieder Präsidenten wählen wie den guten G. W. Bush, der das Feindbild des bösen, islamischen Terroristen hochhält und damit für die Fortsetzung des Terrors sorgt? Haha, da kommt doch wahrhaft Schadenfreude auf. Die Saat, die ihr gesät, dürft ihr nun langsam ernten. Ärgert euch mal schön, ihr lieben Leute. Und ich wünsche euch noch viel mehr Einschränkungen eurer persönlichen "Freiheit"!

  • TK
    Tadeusz Kantor

    'Nacktscanner' (was für ein Wort ;-)) "Viele US-Bürger wehren sich." *lol*

    911 "...ein Land steht unter Schock" (oder so ähnlich)*staun"

    Wann begreifen die Deutschen endlich, die USA sind 'etwas' größer, als ihr eigenes Land. Wenn in New York irgendwelche Fanatiker das WTC in Schutt und Asche legen, dann kratzt sich der Texaner gelangweilt am Hintern. Schon mal darüber nachgedacht?!

  • B
    BangdiBumm

    @ Karin Bryant:

     

    "Bereicherung aus dem nahoestlichen Raum"; so etwas lese ich normalerweise auf PI-News, genau Leute, die in ihrer unendlichen Verblendung, die eigene braune Gesinnung hinter der widersinnigen Annahme, sie seien die Juden des 21. Jahrhunderts, kaschieren, weil sie ja so "politisch inkorrekt" "nicht mal ihre Meinung sagen dürfen" und die sich sabberblubbernd vor ihren Bildschirmen an Artikeln wie "Ali aus Kreuzberg schlägt 75-jährige, blinde, querschnittsgelähmte Vorstandschefin des lokalen Vertriebenenverbandes" ergötzen.

     

    Guten Tag. Viel Spaß auf der Tea Party!

     

    Ps: kleiner Reistipp: Mit dem Auto von Boston nach Istanbul

  • V
    Vorp

    "Es wird doch niemand gezwungen zu fliegen."

     

    Genau. und dann am besten noch google verklagen, weil es keinen warnhinweis gab, dass normale autos im meer untergehen.

     

    sie verwechseln hier freiheit mit zwang. wer nacktscanner nicht akkzeptieren will, ist gezwungen zuhause zu bleiben. wer nach amerika reisen will, und von dort wieder nach europa, ist gezwungen zu fliegen (solange er sich nicht je 2 wochen zeit für hin und rückreise mit dem schiff nehmen kann).

  • C
    Christian

    @karin

    Wenn ich in Los Angeles lebe und Verwandte in Austin habe, brauch ich ja nur knapp 22h bis ich da mit'm Auto ankomme.

    Von daher bin ich schon der Meinung, dass sich so mancher Amerikaner gezwungen fühlt zu fliegen.

  • KB
    karin bryant

    So was macht natuerlich gute Schlagzeilen aber wie die Realitaet gezeigt hat gab es kaum Verzoegerungen wegen dieses angekuendigten Protest.Die Leute haben sich damit abgefunden dass sie sich wegen der Bereicherung aus dem nahoestlichen Raum mit solchen unbequehmen Sachen abfinden muessen. Denn wie eine Frau treffend sagte: better safe than sorry.

     

    Alle die das nicht akzeptieren wollten hatten die Freiheit zu Hause zu bleiben oder per eignem Auto zu fahren.Es wird doch niemand gezwungen zu fliegen.

  • U
    UtotheSA

    "Ich habe auch keine Lust, hier den ganzen Tag Penisse abzutasten"

     

    Soso, Penisse abtasten mag er also nicht, aber bei Frauen hat er wohl keine Probleme mit dem tatschen ..

     

    .. oder Kinder ..

     

    http://www.youtube.com/watch?v=XSQTz1bccL4