Bodo Ramelow über linke Parteikultur: "Wir haben kein Zentrum"
Bodo Ramelow verteidigt seinen arg gescholtenen Parteifreund Dietmar Bartsch. Nicht der Bundesgeschäftsführer sei das Problem, sondern der Umgang innerhalb der Partei.
Herr Ramelow, Gregor Gysi hat Bundesgeschäftsführer Bartsch öffentlich illoyales Verhalten gegenüber Lafontaine vorgeworden. War das in Ordnung?
Bodo Ramelow: Nein. Selbst wenn der Vorwurf stimmt, muss das intern geklärt werden und nicht in der Öffentlichkeit. Der Ort war falsch.
War Bartsch denn illoyal?
Das kann ich nicht einschätzen.
Worum geht es bei diesem Konflikt eigentlich im Kern?
Ich glaube, hier kollidieren zwei verschiedene Parteikulturen. Die frühere PDS hatte als Reflex auf die zentralistische SED einen anderen Führungs-Stil als etwa die SPD oder die IG Metall. Dieser Zwist fokussiert sich auch auf die Frage, welche Rolle ein Bundesgeschäftsführer spielt: Wem ist er am meisten verpflichtet - dem Vorsitzenden oder der Partei? Es geht um eine Frage der Parteikultur. Das ist seit der Vereinigung noch nicht ausreichend diskutiert worden.
Der 53-Jährige ist seit 2009 - wie zuvor von 2001 bis 2005 - Fraktionschef der Linken im thüringischen Landtag. Bis 2009 saß er vier Jahre im Bundestag.
Der Gewerkschafter Klaus Ernst hat Bartsch als "Problem" bezeichnet, "das man lösen muss". Ist sein Rücktritt nur noch eine Zeitfrage?
Ich hoffe, dass Dietmar Barsch sich jetzt nicht genötigt sieht zurückzutreten. Mein Vertrauen als Bundesgeschäftsführer hat er. Aber was Ernst sagt, zeigt die sehr spezifische, zentralistische Denkstruktur der IG Metall. Die PDS war da anders. Personen zu opfern, ist immer nur eine Scheinlösungen: Wann wird das nächste Opfer benötigt? So kommt man nicht weiter. Wir müssen rational unsere inhaltlichen Unterschiede klären. Außerdem geht es ja auch anders. Das hat die letzte Bundestagsfraktion gezeigt, in der verschiedene Leute, Klaus Ernst, Ulrich Maurer und auch ich, sich informell verständigt haben. Das hat sehr gut funktioniert.
Also ist doch Lafontaines Führungsstil das Problem?
Nein. Er ist schlicht und einfach krank. Und er braucht Zeit, um sich zu entscheiden, ob und wann er wieder einsteigt.
Gysi beklagt, dass die Partei kein Zentrum hat, sondern nur Flügel. Hat er Recht?
Naja, das ist eine Art sich selbst erfüllender Prophezeihung. Wer hat denn den Laden in der letzten Zeit zusammengehalten und geführt? Das war Dietmar Bartsch, der jetzt an allem Schuld sein soll und öffentlich gerüffelt wird. Es stimmt, dass die Linkspartei unter Führungsschwäche leidet. Aber warum? Ein paar Genossen aus dem Westen haben sich per Brief bei dem Fraktionsvorsitzenden Gysi über Bartsch beklagt. Der Parteivorsitzende Lothar Bisky und die Stellvertreter kennen anscheinend diese Briefe gar nicht. Kein Wunder, dass die Partei kein Zentrum hat, wenn zentrale Dinge an den gewählten Funktionsträgern vorbei laufen und diese dann als Zuschauer im Saal sitzen, wie am Montag geschehen. Ich hoffe, so etwas wiederholt sich nie mehr.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich glaube, dass diese destruktive Form der Auseinandersetzung viel mit Männlichkeitsgebaren zu tun hat. Und ich werde daraus die Konsequenz ziehen, mich selber rausnehmen und vorschlagen, dass künftig ausschließlich Frauen Thüringen im Parteivorstand vertreten. Wir brauchen mehr weiblichen Führungsstil.
Kann es sein, dass die Linkspartei wieder in ihre Bestandteile zerfällt - PDS und WASG?
Nein. Es gibt längst eine stabile Kommunikation zwischen Ost und West. Wir werden aus Thüringen den Genossen in Rheinland-Pfalz beim Wahlkampf helfen. Mit den Hessen machen wir schon seit längerem gemeinsame Sitzungen. Im Alltag läuft das längst ganz gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“