Rechtsextreme Demo am 1. Mai in Berlin: Gegenprotest hinter Gleise verbannt
Der S-Bahn-Ring soll am 1. Mai Nazis und Gegendemonstranten in Berlin-Prenzlauer Berg trennen. Gericht gestattet Verlegung von zwei Protestkundgebungen. Rechtsextreme verbreiten ihre Sicht per Twitter
Nazis und Gegendemonstranten sollen am Samstag in Prenzlauer Berg durch den S-Bahn-Ring getrennt werden. Das geht aus einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin hervor. Angesichts der mit hoher Wahrscheinlichkeit drohenden massiven Blockaden und gewalttätiger Angriffe auf den rechtsextremen Aufzug sei es nicht zu beanstanden, dass die Polizei einen räumliche Trennung zwischen beiden Gruppen diesseits und jenseits der S-Bahntrasse vornehme, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts vom Freitag.
Damit bestätigte das Gericht die Auflagen der Polizei für zwei geplante Gegendemonstrationen. Die hatten die jeweiligen Veranstalter für die Kreuzung Ostseestraße, Prenzlauer Allee, sowie am S-Bahnhof Greifswalder Straße angemeldet. Beide dürfen nun nur südlich des S-Bahn-Rings stattfinden.
Geklagt hatten die Anmelder der Gegenkundgebungen. Theoretisch könnte sie noch vor die nächst höhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht gehen. Dort war aber bis Freitagnachmittag kein entsprechender Antrag eingegangen.
Die Nazis mobilisieren für Samstag 12 Uhr zum S-Bahnhof Bornholmer Straße. Laut Verwaltungsgericht wurde die rechtsextreme Demonstration bereits am 12. August 2009 unter dem Motto "Unserem Volk eine Zukunft - Den bestehenden Verhältnissen den Kampf ansagen - Nationaler Sozialismus jetzt" angemeldet. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) rechnet mit bis zu 3.000 Teilnehmern. Den genauen Verlauf der Route gibt die Polizei nicht bekannt, um Blockaden zu erschweren. Im nördlichen Prenzlauer Berg stehen jedoch bereit seit Donnerstag stapelweise rot-weiße Absperrgitter am Straßenrand. Genaueres könnte durch die zeitgemäße Kommunikationsstrategie der Rechtsextremen bekannt werden. Der Anmelder der Demo twittert seit Freitagmittag.
Das Bündnis "1. Mai-nazifrei" will dennoch versuchen, den Nazi-Aufmarsch zu blockieren. Genehmigte Protestkundgebungen sind dabei nur ein Teil der Strategie. Gegendemonstranten sollen sich nach Plänen des Bündnisses zur gemeinsamen Anreise um 9 Uhr am Bahnsteig der U-Bahnlinie 2 am Alexanderplatz beziehungsweise am S-Bahnhof Ostkreuz treffen.
Laut Polizeiangaben von Freitagmittag sind im nördlichen Prenzlauer Berg noch folgende drei Kundgebungen gegen die Nazis offiziell angemeldet: "Bunt und tolerant in den 1. Mai", von 8 bis 18 Uhr an der Kreuzung Schönhauser Allee und Bornholmer Straße, "Wir sind Pankow" von der Linkspartei am S-Bahnhof Prenzlauer Allee, sowie eine Kundgebung der SPD zum "Tag der Arbeit" von 9 bis 24 Uhr am S-Bahnhof Pankow.
Innensenator Körting (SPD) wies unterdessen den Vorwurf zurück, die Behörden würden den Protest gegen die geplante Neonazi-Demonstration behindern, weil sie deren Route nicht bekannt gäben. "Wir haben bei solchen Demonstrationen gewalttätige Gegendemonstranten, die früher Dächer präpariert haben mit Ziegelsteinen und Ähnlichem, um sie auf Polizisten und andere herabzuschmeißen", sagte Körting. Da seien ihm die Gesundheit und das Leben der Mitarbeiter und der übrigen Menschen wichtiger als die Frage, "ob nun im Detail jedes Haus bekannt ist, an dem der Aufzug vorbeigeht". Zugleich warnte Körting davor, Gewaltausbrüche herbeizureden.
Ein klares Zeichen aus Berlin gegen Rechts hat unterdessen der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), gefordert. Er rief dazu auf, sich am 1. Mai dem Neonazi-Aufmarsch friedlich entgegen zu stellen. Die Berliner sollten in einem breiten Bündnis zeigen, dass sie menschenverachtende und rassistische Parolen sowie Antisemitismus ablehnten. Löning ist Unterzeichner einer Erklärung des "Berliner Ratschlags für Demokratie", in der Vertreter aus Kultur, Wirtschaft, Medien, Politik und Wirtschaft sich gegen Versuche von Neonazis wehren, am 1. Mai auf den Straßen der Hauptstadt Angst zu verbreiten.
taz.de wird am Freitag ab 17 Uhr und am 1. Mai den ganzen Tag per LIVETICKER von den Demonstrationen in Berlin, Hamburg und Rostock berichten.
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