Kolumne Lustobjekte: American Apparel? Am Arsch!
Das Hipster-Modelabel ist angeblich pleite. Weil es goldene Badeanzüge und kneifende Höschen herstellt, die nur Untergewichtige tragen können.
K ennen Sie das? Sie sind gerade dabei, sich anzuziehen, und sowieso schon zu spät dran, da fällt Ihnen auf, dass alle Unterhosen in der Wäsche sind. Passiert mir ständig. Letzte Woche, nachdem ich wieder einmal die Schublade durchpflügt hatte, fand ich schließlich in der letzten Ecke ein zugegebenermaßen sehr hübsches Höschen, das ich vor vier Jahren bei American Apparel gekauft hatte. Aus Gründen schlechter Passform musste der weiß-hellblaue Boyslip mit Eingriff all die Jahre ein dunkles und einsames Dasein fristen.
Wenn er heute nicht passt, wann dann?, dachte ich. Schließlich war ich im letzten Monat ganze drei Mal joggen gegangen. Also zerrte ich das Höschen über die Hüften nach oben, obwohl es am Beinausschnitt so eng saß, als wäre es für dreizehnjährige Mädchen ohne Oberschenkel hergestellt worden. Schon auf dem Weg zur U-Bahn bereute ich meine Entscheidung. In der Bahn spürte ich, wie die Nähte der Unterhose in meine Oberschenkel einschnitten. Die Beine übereinanderschlagen? Ausgeschlossen! Bei der Arbeit ging ich ständig aufs Klo, um meinen geschundenen Hintern an die Luft zu lassen. Nein, das war kein schöner Tag.
Jetzt soll American Apparel angeblich pleite sein. Als ich damals meinen Slip kaufte, wurde das Geschäft in Hamburg am Jungfernstieg gerade eröffnet. Ein sonnenbebrillter DJ legte elektronische Musik auf, und die Angestellten schwebten modelgleich zwischen den Regalen hindurch. Ich musste etwas kaufen, aber was? Aus Furcht, in goldfarbenen Badeanzügen oder hautengen Spandex-Kleidchen lächerlich auszusehen, wählte ich das kleinere Übel - und griff nach besagter Unterhose.
Franziska Seyboldt ist taz.de-Redakteurin.
Erst zu Hause wurde mir klar, dass Größe S sehr variabel auslegbar ist. Die Mode der Nullerjahre impliziert offenbar auch Kleidergröße null. Nur: Wie passt das zusammen? Schließlich wirbt American Apparel schon viel länger als die Zeitschrift Brigitte mit Models, die eigentlich keine sind, und lässt einen glauben, jeder könnte die hippen Teile tragen. Kleine Brüste, großer Po, runder Bauch, kräftige Oberschenkel? Macht nichts, im Jane-Fonda-Acryl-Body siehst auch du super aus. Das ist es, was AA - so die Abkürzung des Kultlabels - suggeriert. Am Arsch.
Im wahren Leben sind es nämlich die Hungerhaken, die in American Apparel durch die Straßen flanieren. Dünne Jungs mit schlecht sitzenden Röhrenjeans, die sich die Brust rasieren, damit das T-Shirt mit V-Ausschnitt bis zum Bauchnabel besser zur Geltung kommt. Untergewichtige Mädchen mit riesigen Brillen und langen Haaren. Mädchen, die Overknees tragen.
Mit seinem Geschäftsmodell wollte American Apparel sozial hergestellte Mode frech und sexy präsentieren - und hat es dabei übertrieben. Denn diese übersexualisierten Körper will niemand anfassen. Oder um es mit anderen Worten zu sagen: Nicht der Arsch muss sich der Unterhose anpassen, sondern die Unterhose dem Arsch.
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