Kolumne Die Kriegsreporterin: Fixiert vom Fürsten der Finsternis
Ich weiß nun, wie es sein kann, dass selbst die blödesten Unsympathen noch Applaus bei Anne Will bekommen. Birgit Homburger sei Dank.
H allo taz-Medienredaktion,
hast du dich auch schon mal gefragt, wie es kommt, dass jemand von der FDP so fetten Applaus in einer Talkshow bekommt? Ich saß dieser Tage auf einer Veranstaltung der Hochschule der Medien Stuttgart neben Birgit Homburger und war bass erstaunt, als aus den studentischen Reihen der Applaus so reich ertönte.
Sicher war nicht alles strunzblöd, was sie sagte, aber so junge Menschen, dachte ich, ist man da nicht schon aus Prinzip verhalten, wenn es um die FDP geht? Selbst in Stuttgart, wo den Frauen die Putztücher und Fegewerkzeuge an ihren schwäbelnden Lippen festgewachsen sind?
berichtet von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Ich weiß, Medienredaktion, du lachst jetzt über mich. Nach all den Jahren, immer noch so blauäugig, die Kriegsreporterin! Wie macht so ein Konschdanzer FDP-Wesen wie Frau Homburger das? Es sorgt für Claqueure! Eine Gruppe junger FDP-Menschen, ein Widerspruch in sich, ich weiß, hatte sich ins Publikum geschoben und immer wild die Handflächen aneinandergehauen, wenn Frau Homburger versuchte, Tilo Jung Paroli zu bieten, und erzählte, dass sie auch „Twitter“ aussende.
Also, ich bin jetzt erleuchtet und weiß, wie es sein kann, dass selbst die blödesten Unsympathen noch Applaus bei Anne Will bekommen.
„Wo ist Gott?“
Allerdings – hat man diese Frage geklärt, kommt die nächste schon um die Ecke. Und die heißt: „Wo ist Gott?“ Jedenfalls bei der Süddeutschen Zeitung, der FAZ und der Zeit, die zur Aufbesserung ihres Einkommens und ihres Punktekontos in Gottes Schleimbuch „ein Magazin zum Jahr des Glaubens“ ihren Blättern beigelegt haben, das unter Einbindung ihrer Autoren und in Zusammenarbeit mit der Papstzeitschrift L’Osservatore Romana entstanden ist.
Und wenn man selbst augenblicklich denkt: Er ist nicht hier, er ist nicht da, er ist wohl in Amerika, erfährt man immerhin, wo der Fürst der Finsternis auf einen wartet. Mitherausgeber und Papst-Ratze-Biograf Peter Seewald bohrt im Editorial seine glühenden Kohlen gleichen Augen in den Betrachter – man ist nur froh, dass wenigstens von links etwas Licht auf Mephistos Abbild fällt.
Manchmal versteckt der Teufel sich ja auch im Detail. In einem Artikel über die Raiffeisenbank soll er auch sein. Das Stück, das ein kritisches Buch über die Bank zum Inhalt hat und bei News.at erschien, wurde wenige Stunden nach Erscheinen von der Homepage entfernt. Der Geschäftsführer von News.at, einem Medienunternehmen, an dem, wenn ich richtig abgeschrieben habe, die Raiffeisenbank mit rund 25 Prozent beteiligt ist, begründet dies damit, dass das Interview den „journalistischen Standards“ nicht genüge.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was er meint. Finde es aber eine schöne Aufgabe für die Leiter der Journalistenschulen, das mal mit ihren Schülern zu erarbeiten. Der Text ist hier noch einsichtig. Es ist ja wichtig, dass der Nachwuchs die journalistischen Standards kennt.
Also, ihr Leiter, auf, auf und herausgefunden! Wobei die Henri-Nannen-Schule außen vor ist. Die gehört zu Gruner + Jahr und die halten die restlichen 75 Prozent am News-Verlag. Jedenfalls wenn die Selbstauskunft stimmt. Und da wollen wir jetzt niemanden in Verlegenheit bringen. Ist doch schließlich Sommer.
Es reicht schon, wenn der Oberchef, Bertelsmann-Geschäftsführer Thomas Raabe, „eine Grundskepsis“ gegenüber dem Kerngeschäft von Gruner + Jahr hegt. Mehr kann man nicht verlangen, als dass der oberste Marmeladenverkäufer kundtut, dass er Marmelade scheiße findet. Mit beiden Händen ins Glas greifend, zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“