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Kolumne BesserFreiheit, Gleichheit, Brüderlechkeit!

Mit der FDP kann man's ja machen – auch das spielt bei der Brüderle-Affäre eine Rolle. Und auf Twitter vermischen sich Skandal und Denunziation.

Glotz nicht so, Brüderle! Bild: Archiv, wie man sieht

S chlechte Humoristen erkennt man an Witzen über Lothar Matthäus, Dieter Bohlen oder die FDP. Wer sich mit dieser Liga beschäftigt, braucht sich nicht groß um eine Pointe bemühen; es genügt, den Namen zu nennen, das Höhöhö und Hihihi des geneigten Publikums ist sicher.

Ähnliches gilt für das Kommentargewerbe. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien genießt außerhalb ihrer eigenen – und in diesem Fall: schwindenden – Klientel einen so miserablen Ruf wie die FDP. Noch die Linkspartei kann sich darauf verlassen, dass ein Teil der Kommentatoren sie wenigstens als Mahnung dafür ernst nimmt, „das Soziale“ nicht zu vernachlässigen, oder ihre zivilisatorische Leistung würdigt, dafür gesorgt zu haben, dass das ostzonale Jammertum nur zu einem geringeren Teil seinen politischen Ausdruck in der NPD gefunden hat.

Mit weniger Wohlwollen kann die FDP rechnen. Und das liegt nicht nur an Knallchargen wie Brüderle, Westerwelle oder Möllemann. An seinem schlechten Ruf arbeitet der organisierte Liberalismus in Deutschland schon viel länger – vom nationalliberalen Verrat Ende des 19. Jahrhunderts über die sich gerade zum 80. Mal jährende Zustimmung der liberalen Abgeordneten um Theodor Heuss zum Ermächtigungsgesetz bis zum Umstand, dass die FDP nach 1945 zum Sammelbecken für vormalige Nazis wurde, in der ein Ralf Dahrendorf oder ein Werner Maihofer nur kurzzeitig einen gewissen Einfluss ausüben konnten, ehe der Laden zu dem wurde, was er heute ist.

Bild: taz
Deniz Yücel

ist Redakteur der taz.

Auch jetzt gibt die FDP keinen Grund, sie als liberale Kraft zu respektieren, man denke nur an ihr willfähriges Mitmachen bei der „alternativlosen“ Euro- und Bankenretterei oder ihre Abwesenheit bei der Verteidigung bürgerlicher Rechte und Freiheiten. Und doch drängt sich der Verdacht auf, dass ein Teil der Geringschätzung, die dieser Partei zuteil wird, nicht nur diesem in der Tat komischen Haufen gilt, sondern der Idee des politischen Liberalismus selbst, die hierzulande, wo auch die Linke lieber den Obrigkeitsstaat zu eigenen Zwecken zu vereinnahmen versuchte als an einer positiven Überwindung des Liberalismus zu arbeiten, nie einen guten Stand hatte.

Der Brüderle, die Schwesterle und das Geschmäckle

Das schlechte Ansehen der FDP ist auch die Kulisse, vor der der Stern-Brüderle-Skandal spielt. Das beginnt beim Umstand, dass da eine Jungjournalistin zum Dreikönigstreffen der FDP geschickt wird – in den meisten Parlamentsredaktionen ist die FDP-Berichterstattung das, was für Frisöre das Föhnen und Haare waschen ist: ein Anfängerjob. Und das setzt sich bei jenem Tresengespräch fort, bei dem das Schwesterle vom Stern den Brüderle von der FDP rotznäsig fragt, wie ein alter Sack wie er zum Hoffnungsträger seiner Partei avancieren könne. (Klar kann kann man machen, nur sollte, wer austeilt, auch einstecken können. Alles andere ist schlechter Stil.)

In einer anderen Konstellation wäre dieser Talk, Claudius Seidl hat in der FAS darauf hingewiesen, kaum vorstellbar: „Einem 28-jährigen Mann, der eine solche Frage einer 66-jährigen Frau stellte, würde man heimlich ein paar hinter die Löffel wünschen.“ Und auch das ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere lautet: Einen etwas älteren Politiker der CDU, der SPD oder der Grünen würde wohl keine junge Journalistin und kein junger Journalist auf so joviale Weise ansprechen.

Nur im Zusammenhang mit der Trashpartei FDP kann sich ein Trash- und Tittenblatt wie der Stern zum feministischen Kampforgan aufschwingen, ohne dass alle in schallendes Gelächter ausbrechen. Und nur so kann sich die Reporterin als Opfer präsentieren, ohne dass jemand groß fragen würde, warum sie diesem schmierigen Typen nicht einfach die Meinung gegeigt hat – immerhin war sie keine Untergebene, die berufliche Konsequenzen hätte fürchten müssen.

Doch so doof wie ihr Ruf

Nun ahnt man diese Dinge auch in der FDP; logisch, diese Leute sind ja nicht ganz so doof. Oder sie sind es doch. Von der Einsicht, dass der schlechte Ruf der Partei zuvörderst mit ihrem schlechten Zustand zu tun hat, sind die Brüderles und Westerwelles weit entfernt. Sie sehen auch nicht ein, warum hier eine Entschuldigung keine schlechte Idee wäre, vielleicht verbunden mit einer Spende an eine Organisation wie Terre des Femmes, die sich um ganz andere Fälle von Sexismus kümmert als das Schicksal einer leitenden Redakteurin bei Spiegel-Online, die mal versehentlich für die Sekretärin gehalten wurde, nämlich um Fälle wie Arzu Özmen, die einem Ehrenmord ihrer Geschwister zum Opfer fiel und gegen deren Vater am Montag der Prozess begann, was inmitten des ganzen #Aufschreis unterging.

Anstatt also wenigstens im nüchternen Zustand ein wenig Taktgefühl zu zeigen, inszeniert sich Brüderle als Wiedergänger von Sacco & Vanzetti oder Hans und Sophie Scholl: „Sie können uns schlagen, sie können uns beschimpfen, sie können uns mit Dreck bewerfen, aber sie können uns unsere Überzeugung und Selbstachtung nicht nehmen.“ Der Kampf geht weiter: Freiheit, Gleichheit, Brüderlechkeit!

Die größte Leistung seiner Karriere

Aber gut, auch diese Debatte, die Brüderle unfreiwillig angezettelt hat und die als größte Leistung seiner Karriere gelten darf, diese Debatte ist inzwischen weiter. Brüderle steht nun, wie Silke Burmester in der taz schreibt, bloß stellvertretend für Millionen Männer. Recht hat sie. Mögen auch die Umstände, die diese Kontroverse ausgelöst haben, ein Geschmäckle haben, es hätte sie nicht gegeben, wenn nicht so viele Frauen das Bedürfnis gehabt hätten, ihre eigenen Erfahrungen mit täglichem Sexismus herauszuschreien.

Doch es lohnt sich, diesen //twitter.com/search?q=%23aufschrei:#Aufschrei genauer zu betrachten und dabei nicht nach der Maxime zu verfahren, dass sich 100.000 Hashtags nicht irren könnten. Denn wer sich durch Twitter wühlt und den obligatorischen Internetmüll, der sich mittlerweile angesammelt hat („Ich habe mir gerade versehentlich ein Ei eingeklemmt! #aufschrei“), beiseite räumt, stößt auf höchst Unterschiedliches.

Da stehen Schilderungen ekelerregender Begebenheiten, die eindeutig die Grenze der Strafbarkeit überschreiten („Der Chef, der erklärte, mich nicht zu kündigen, wenn ich ihm einen blasen würde... #Aufschrei“) neben, sagen wir: weniger eindeutigen Sachverhalten („Der letzte Chef, der in der Teamvorstellung sich darüber freute nun mit meiner weiblichen Intuition fest zu rechnen. #aufschrei“). Und immer wieder finden sich Einträge, die den Verdacht erwecken, die Aufregung werde zuweilen dazu genutzt, offene Rechnungen zu begleichen, die anderen Ursprungs sein könnten: „Der Chef, der mir in Feedbackgesprächen immer wieder sagt, dass ich zu emotional bin... #aufschrei.“

Und natürlich sind auch Leute dabei, über die Wiglaf Droste einst schrieb, sie wollten „immer nur eines sein, nämlich Opfer, und das natürlich im warmen Mief der Gruppe“. Das klingt dann etwa so: „Der viel ältere Chef, der sich am letzten Arbeitstag auf einmal per Umarmung verabschieden will #aufschrei.“

Skandalöses und Denunziatorisches

All diese Befunde stehen unter dem Vorbehalt, dass sich hier sprachlich mehr oder weniger versierte Menschen auf 140 Zeichen auslassen; natürlich kann jede einzelne Geschichte weit mehr beinhalten, als für Außenstehende aus einem Tweet erkennbar ist. Die Summe der Berichte aber lassen das Fazit zu, dass sich hier lange unterdrückte Wut über skandalöse Vorfälle und patriarchale Verhältnisse mit fröhlichem Denunziantentum, bequemer Selbstviktimisierung und bloßer Wichtigtuerei vermischen.

Befremdlich klingt übrigens nicht nur manches auf Twitter, befremdlich klingen auch einige derer, die zwar Brüderles Verhalten kritisieren, aber zugleich dafür plädieren, die Sache tiefer zu hängen: „Wenn das, was zwischen Brüderle und der Stern-Reporterin in einer Hotelbar passiert beziehungsweise nicht passiert ist, als ,Sexismus‘ durchgehen soll, dann wird der Begriff ausgehöhlt und banalisiert, dann wird der Kampf gegen den wirklichen Sexismus erheblich erschwert“, schreibt etwa Henryk M. Broder in der Welt, ohne die Ironie zu bemerken, dass er sich dabei exakt so anhört wie Jakob Augstein bei seiner Antwort auf das Simon-Wiesenthal-Center.

***

Besser: Man sieht, dass nicht alles, was als #Aufschrei daherkommt, Sexismus ist. Und man weiß, dass Vieles, das mit der scheinbar naiven Attitüde „Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-was-gesagt-werden-muss“ daherkommt, genau das ist, was es zu sein bestreitet: Rassismus, Antisemitismus, Sexismus.

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Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
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39 Kommentare

 / 
  • F
    FRITZ

    Gut aussehender junger Typ: Flirt.

     

    Gut aussehender alter Typ: Charmant.

     

    Hässlicher junger/alter Typ: Sexuelle Belästigung.

     

     

    PS: Das FDP Bashing kommt hier zwar von einem klügeren Kopf als im großen Rest der mittelmäßigen dt. Presse, aber dann wäre auch eine inhaltliche Auseinandersetzung angemessen gewesen. Westerwelle hassen und Rösler hassen mag doch vorallem auch was damit zu tun haben, dass sich die Mehrheitsgesellschaft mit ihnen nicht identifizieren können...Schwulen findet man halt nur als Clowns (Wowereit) oder Spießer (von Beust) akzeptabel, nicht wenn sie gegen die 90%-Mehrheit im Lande wettern, dann nervt die laute Schwuchtel, richtig? Und das gilt auch für Nicht-Autochthone, die sind in der Unterhaltungsindustrie und Gastronomie akzeptabel, aber wenn es um die politischen Interessen von "uns Deutschen" geht, dann sollen sie sich gefälligst raushalten, noch dazu wenn sie eine verdammte 5-10% Minderheitsmeinung vertreten.

     

    Yücel, Sie bieten mit Abstand das Klügste, was man in der taz zu lesen bekommt (nicht dass das viel heißen würde...aber aus der comfort zone des "Klügsten unter vielen Mittelmäßigen" trauen Sie sich wahrscheinlich nicht raus) und daher erwarte ich, dass Sie den Subtext großer Teile des Westerwelle/Rösler/FDP Bashing wenigstens zur Kenntnis nehmen und nicht einfach in die gleiche Kerbe hauen.

     

    Weitermachen.

  • UG
    Ute Gisela

    Wie man-n seinen Geist versprühen kann, hat Deniz Yücel ja schon des Öfteren unter Beweis gestellt. Doch auch wenn mannfrau sich über die Art und Weise seiner Kommentare amüsieren kann, so bleibt mir ein Unbehagen und Misstrauen ob der Absicht, mit der Herr Yücel seinen Beitrag hinter seiner satirisch-komödiantischen Feder zu verbergen weiß.

     

    Dass sich auf Twitter Skandal und Denuziation vermischen, ist schließlich kein Grund vom Anliegen des '#Aufschrei' abzulenken, der offenkundigen wie unterschwelligen Sexismus bei uns laut und vernehmlich thematisieren will.

     

    Zum besseren Verständnis empfehle ich (nicht nur) Deniz Yücel folgenden Blog: http://antjeschrupp.com/2013/01/25/wie-lappalien-relevant-werden/

  • C
    Christine

    Es gibt nur einen Grund Taz zu lesen: Deniz Yücel

    Dankeschön

  • YF
    Yücel Fan

    Lieber Herr Yücel,

     

    nie hätte ich gedacht, daß ich regelmäßig und mit großer Neugier in die TAZ Internetseiten schaue!

     

    So viel vorweg. IHRE Kolumnen jedoch halte ich inzwischen (nach dem Lesen von 20-30 Stück) für vorzüglich und geniesse sie sehr! Leider erschrecken mich die Mehrzahl der Leserkommentare dazu SEHR! Wahrscheinlich muß ich das aber (wie SIE) einfach ertragen und sie dennoch aufmerksam lesen, denn sie sind nur allzu entlarvend. Die 'wahre' Meinung ("was einfach gesagt werden mußte" - und angeblich bisher nicht gesagt werden durfte - lach!) unserer Mitbürger sagt über diese leider viel aus, auch wenn sie natürlich statistisch nicht repräsentativ und redaktionell bereits vorgefiltert sind (unsägliches und unkonstruktiv aggressives Kommentieren von allen Seiten unterbleibt so größtenteils, obwohl es natürlich einen nicht zu vernachläsigenden Teil der Bevölkerung abbildet).

     

    Hoffentlich schaffen Sie es auch weiterhin, sich dem 'Mainstream' Ihrer Zeitung und deren Lesern entgegenzustellen (egal ob feministisch, LINKE-lastig, antisemitisch oder türkisch nationalstisch), denn Ihre Sichtweise erscheit mir in Ihren Artikeln sehr objektiv und gerechtfertigt zu sein. MIR gefallen Ihre Kolumnen jedenfalls sehr und ich hoffe, Sie mit diesem Kommentar dazu ermuntern zu können, Ihren geschätzten pragmatischen, undogmatischen Stil und Blick auf die Welt auf JEDEN Fall beizubehalten, notfalls auch JENSEITS der TAZ! ;-)))

     

    Weiter so!!!

     

    Sogar guten Freunden habe ich weiterempfohlen, Ihre Kolumnen zu lesen und sie teilen meine Einschätzung (bestimmt nicht ausschließlich, weil sie meine Freunde sind). Das Urteil reicht einhellig von muslimischen, türkischstämmigen, jüdischen, atheistischen über politisch 'links', 'rechts' sowie rein pragmatisch orientierten Freunden bis sogar (!) hin zu Frauen, Broder Fans und FDP Wählern (bitte nicht erschrecken, liebe Kommentatoren hier im Forum und in der taz-Redaktion)!

     

    Ich bin gespannt auf Ihre nächsten 'Werke'!

     

    Herzliche Grüße von einem echten Groupie!

  • D
    Dummerjan

    "patriarchale Verhältnisse"

     

    Ihnen ist schon klar, dass außerhalb soziologisch-politologischer Kreise so etwas als nichtexistent angesehen wird.

     

    Und wenn man von "Alpha-Tieren "und "testosterongesteuert" liest fühlt man sich als Mann geneigt darauf hinzuweisen, dass diese "testosterongeschwängerten Alphatiere" eben auch einen Einstein und die Erfinder der Pille oder Waschmaschine in Ihren Reihen hatten.

     

    Vielleicht fällt dann auf, daß genausowenig wie der Generalverdacht eines Einsteins für jeden Mann gilt, genausowenhig ein Generalverdacht des Sexisten für jeden Mann gilt.

     

    Am Ende gibt es immer einen Bodensatz der eine gute Mischung aus einmaligen Ausrutschern, dummenr Patzern oder sozialen Störungen ist, sofern die Grenzen zur Straftat nicht schon überschritten sind.

     

    Ansonsten: Aufschreien kann nur wer lebt und reich genug ist , die durchweg männlichen Toten einer verfehlten Wehrpolitik, die zu 90 % durchweg männlichen Toten in Berufunfällen die zu 80% männlichen Obdachlosen können sich nicht zu Wort melden.

     

    Manchmal muss man auch an diese Dimension des buchstäblich tödlichen Alltagssexismus in Deutschland erinnern und daran dass immer noch die Männer das Verbrauchsgut dieser Gesellschaft darstellen. Wir müssen vielleicht nicht wirklich in diesem Zusammenhang darüber reden. Denn noch nicht einmal die sexuellen bedingten Straftaten gehen so oft tödlich aus, wie der normale Alltagssexismus für die betroffenen normalen Männer.

     

    In den hinteren reihen sehe ich Männer den kopschüttel und lachen ob dieser obskuren Aussage. Leider ist das auch ein Teil der Wahrheit.

  • JM
    Jenny M.

    Boah, da hat er mal wieder einen guten Artikel rausgehauen! Danke :)

     

    Allerdings fehlt mir ein Aspekt: Über Diskriminierung entscheidet die betroffene Person selbst. Sie entscheidet, ob sie sich abgewertet fühlt, aufgrund eines äußeren Merkmals.

     

    Wenn ER sich aufgrund von Alter/Parteizugehörigkeit/... diskriminiert fühlt, dann ist das so. Punkt. Wenn SIE sich aufgrund ihres weiblichen Geschlechts diskrminiert fühlt, dann ist das so. Dann ist das Sexismus.

     

    Fragwürdig ist beides. Und eines kann auch nicht mit dem anderen aufgewogen werden. Nur: In unserer nachwievor patriarchalischen Gesellschaft ist Sexismus ein sensibles Thema, weit verbreitet und dennoch oft verschwiegen. Und deshalb in diesem Fall den Fokus wert. Endlich gibt es darüber mal eine öffentliche Debatte!

  • HR
    HP Remmler

    Die Online-Kolumne weist einige sehr bemerkenswerte Unterschiede zur gedruckten Version auf. Wieso eigentlich?

     

    Noch besser: Wir schreiben einen Besinnungsaufsatz zum Thema "Sexismus in Politik und Presse" unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Diskussion und der taz-Kolumne "Trikottausch" zur Frauen-Fußball-WM 2011 (Autor: Deniz Yücel). Arbeitstitel: "Der Brüderle und das Broderle".

  • A
    Arne

    Immer wieder schön, diese Yücel-Artikel. Aber leider auch immer so lang, dass man kaum knapp darauf reagieren kann. Sorry dafür, aber drei Punkte:

     

    1."Ehrenmord" gibt es nicht. Es gibt Mord und etwas, was manche Mörder als Ehrenmord bezeichnen. Man sollte von sog. Ehrenmord sprechen.

     

    2. Zur FDP: Eine genaue Analyse des Begriffs "Liberalismus" nutzt hier wenig. Der Verweis auf Darendorf und Maihofer ist Blödsinn. Der heute häufig gelobte Gerhart Baum war als Lobbyist der Arbeitgebervertreter in die Politik gegangen. Die Bourgeoisie war damals noch etwas geforderter als heute und musste sich überlegen, wie sie gleichzeitig Brandts Ostpolitik untertsützen sollte, die ihnen neue Märkte erschließen sollte und dennoch ihre Interessen wahren sollte gegen eine evtl. tatsächlich links denkende Regierung (eine weitestgehend unbegründete Angst).

     

    Man setzte darauf, dass bürgerlicher Freiheitsrechte, die Menschen wie Baum, Hirsch oder Hamm-Brücher repräsentierten, von vielen als wichtig genug angesehen wurden, um sie auch in einer SPD geführten Regierung ausreichend eingebracht zu sehen. Daher waren die o.g. zeitweilig notwendig für das Kapital, wie es eben auch die FDP damals war.

     

    3.Zum eigentlichen Thema, dem sog. Sexismus: Leider funzt der Link zu #Aufschrei bei mir gerade nicht. Aber wenn die wiedergegebenen Aussagen halbwegs korrekt sind, dann stellt sich doch die Frage, ob man vor einer Sexismus-Debatte nicht mal wieder eine Debatte über Sexualität als solche führen müsste. Mit was für Frauen leben wir heute in der Republik? Und mit was für Männern?

     

    Wer in den siebziger Jahren groß wurde und nicht spätestens in den frühen 80ern, bei Hausbesetzungen, Demos, autonomen Strategiediskussionen nicht auch mal seine eigene Sexualität reflektiert hat, kann ja wirklich ein "Brüderle" sein. Aber was ist denn seitdem passiert?

     

    Gut, Schwarzer war seit langem nicht mehr ernst zu nehmen, aber welche Vorstellung haben denn Frauen heutzutage von einer selbstbestimmten Sexualität? Wie sollen Frauen, die auf etwas, was sie als sexuellen Übergriff empfinden, nicht sofort mit einem ordentlichen Tritt in die Eier des Gegenübers o.ä., Positionen in Aufsichtsräten einnehmen können?

     

    Mir scheint eher, dass sich in solchen Debatten zeigt, dass eine Debatte über Sexismus angenehmer für den einzelnen zu führen ist als eine Debatte über Sexualität. Ich schätze mal, dass sich die BRD wirklich tief gespalten hat seit 1990.

  • U
    Ute

    Glückwunsch Deniz - bei aller Differenz!

     

    Hier hast Du dich nicht verleiten lassen, die vielen Schlagseiten in diesem Stern-Brüderle-Emanzensexismus-Auflagenkommerzrummel auszublenden.

     

    Treffende Analyse ist oft erheiternder als unpassende Zuweisung; und der Stern kann ja immer noch mit z.B. der Gewerkschaftsjugend zusammenarbeiten, um Sexismus und Nötigung im Arbeitsalltag zum „Aufschrei“ werden zu lassen.

     

    Und dass Du diesmal sogar in der Lage warst, der Linkspartei zumindest eine „zivilisatorische Leistung“ zuzuerkennen, hab ich auch mal positiv vermerkt.

  • H
    HamburgerX

    "Die Summe der Berichte aber lassen das Fazit zu, dass sich hier lange unterdrückte Wut über skandalöse Vorfälle und patriarchale Verhältnisse mit fröhlichem Denunziantentum, bequemer Selbstviktimisierung und bloßer Wichtigtuerei vermischen. "

     

    Richtig beoachtet. Insgesamt guter Artikel. Nur habe ich das Gefühl, dass Herr Yücel aller bemühten Differenziertheit zum Trotz hier doch in seiner Abneigung gegen die FDP so befangen ist, dass er sich kein deutlicheres Urteil über den Medienhype und die Massenhysterie der politfeministischen Krachmacher getraut hat. Und dass Herr Broder ein Argument benutzt, das verwandt zu Augstein ist und das er zuvor kritisierte, heißt nicht, dass das Argument falsch ist.

     

    "Sexismus" ist durch diese Debatte jedenfalls ein unterhöhlter Begriff geworden und gehört eigentlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Sauber verwendbar ist er so kaum noch.

  • SD
    Schuhe des Fischers

    "Und man weiß, dass Vieles, das mit der scheinbar naiven Attitüde „Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-was-gesagt-werden-muss“ daherkommt, genau das ist, was es zu sein bestreitet: Rassismus, Antisemitismus, Sexismus." - Richtig!

     

    Nicht immer ist das so leicht zu entlarven wie bei Herrn Broder, der es immerhin schafft, im gleichen Artikel Claudia Roth als "Zölibatverstärker" zu bezeichnen sowie - höhöhö - anzuregen, "Heidi Klum durch Renate Künast (zu) ersetzen und Germany's Next Top Models aus den Reihen der grünen Parteibasis (zu) rekrutieren."

     

    Man fragt sich, woher diese Grünen-Obsession kommt. Hat Broder (66) nachts an einer Hotelbar von einer wesentlich jüngeren, weiblichen Grünen einen Korb bekommen? Ich weiß es nicht, aber gönnen würde ich es ihm.

  • A
    Arcy

    Hätte Brüderle mit Yücel an der Hotelbar gesessen und beide hätten über die Schlampen aus Yücels Schlampemartikel hergezogen .... keiner hätt es erfahren. ;-)

  • A
    anke

    Immerhin. Wenn einer wie Rainer Brüderle selbst nach Einschätzung von Frau Burmester (man wird ja wohl die Wahrheit sagen dürfen) ausnahmsweise mal für (40?) "Millionen Männer" steht, darf sich "seine" Partei wohl ganz zu recht einbilden, sie hätte die 5%-Hürde wenigstens gefühlt überschritten.

     

    Ob sie sich damit nun für kulturell wertvolle Pointen empfiehlt, könnte man hinterfragen. Wenn man die Idee des Liberalismus nicht grundsätzlich für einen Humbug halten würde, der ganz zu Recht (und leider noch immer) einer "positiven Überwindung" harrt. Und zwar zu 150%. Oder 180°.

  • MH
    Markus Hoffmann

    Viel zu sachlich, Herr Yücel! Ist ja schon fast konsenzfähig. Was war los? Mehr Pfeffer bitte!

  • R
    reblek

    "Arzu Özmen, die einem Ehrenmord ihrer Geschwister zum Opfer fiel..." - Dass jemand, der am selben Tag schreibt "Sprachkritik ist Ideologiekritik." für "Ehrenmord" keine Anführungsstriche findet, sondern dieses Wort als Begriff quasi ehrt, ist einigermaßen erstaunlich.

  • GG
    geil geil geil!

    frauen sind eine minderheit, männer dürfen keine meinung dazu haben was sexismus ist, sexismus ist normal und gut, mal gespannt was noch kommt

  • V
    vic

    Brüderle und Stern indiskutabel. Laura H. machte ihren Job. Hatte nichtmal ein Opfer-Abo. Das wars.

  • I
    Isolde

    Danke, Deniz Yücel, deinetwegen bezahle ich die TAZ.

  • D
    dings

    @D.Y.: ich würde Broder nicht unterschätzen, denke sogar dass er in seinem Herzen ein wahrer Anarchist ist, der den Wert einer guten alten konsenssprengenden Aussage zu schätzen weiß...

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Bemerkenswert wäre noch, dass die Frau ein ganzes Jahr gebraucht hat um mit diesem Skandal an die Öffentlichkeit zu gehen. Zwischenzeitliche Treffen mit Brüderle waren auch kein Problem.

     

    Aber was hatte sie eigentlich zu nächtlicher Stunde an einer Hotelbar erwartet? Tiefschürfende politische Statements? Falsche Veranstaltung würde ich glatt behaupten. Ich gehe auch nicht auf eine Tupperparty uud erwarte Rilke-Rezitationen, wenn ich den anwesenden Frauen ihr fortgeschritteneres Alter um die Ohren haue. Zu fortgeschrittener Stunde könnte man dort auch eher leicht angeschiggerte Frauen erwarten, die nach ein paar Sektchen etwas ausgelassener sind und auf blöde Sprüche entsprechend reagieren.

  • DE
    Die Echte Definitionsmacht

    An die Definitionsmacht:

     

    Das ist ja wohl eine Frechheit hier. Was Sexismus ist, definieren immer noch wir, Die Echte Definitionsmacht!

     

    Also: Herr Yücel, Sie sind ein Mann. Sie haben kein Recht zu entscheiden was Sexismus ist. Sexismus geht immer vom Mann aus. Der größte Sexismus ist, den eigenen Sexismus nicht zu erkennen. Denken Sie darüber nach! Beobachten Sie Ihre Gedanken! Und schweigen Sie, bis Sie in der Lage sind zu bekennen.

     

    Wir erlauben Ihnen weiterhin zu essen.

  • S
    Schlampem-Deniz

    Huhu Deniz,

     

    Geil wie du das Schlampen-Getue bei der FFWM (Frauen-Fussball-WM) aufgedeckt hast. Das hätte mindestens zwei Tuch-Hols-Dir-Preise verdient.

     

    Diese (http://twitpic.com/bzbzbe) Grafik hätte eigentlich Dich noch als das I-Tüpfelchen als Spitzenhumorist in der Mitte verdient.

  • YR
    Yvonne R.

    Nun ja. Was das Broder-Zitat angeht, so ist doch eigentlich ganz offensichtlich, daß Broder hier auf Augstein anspielt. Der begossene Pudel scheint mir in diesem Fall eher Herr Yücel selbst zu sein.

  • DD
    Diekmanns dicke Freunde

    Ist.ja.geil.

     

    Gestern noch wurde dem Nichtjuden Augstein (und mit ihm allen nichtjüdischen israelkritischen Stimmen der westlichen Hemisphäre) der Maulkorb verpasst. Und gerade Deniz Yücel trat unter dem frenetisch geifernden "Hurra!" der einschlägigen PI-Rassisten und anderer Linksphobiker hervor und argumentierte, daß einzig und ausschließlich die Juden als Betroffene das Recht hätten, Äußerungen als antisemitisch einzustufen und deren Urheber als Antisemiten zu bezeichnen.

     

    Und derselbe Yücel ist es nun, der unter dem gleichen frenetisch geifernden "Hurra!" derselben na®zistischen Jubelperser den Frauen erklärt, was tatsächlich Sexismus ist und was nicht, wer tatsächlich darüber befinden darf und welche nicht.

     

    Das sind die Doublestandards des Schmierenjournalismus 2013 made by taz. Da kann man wirklich nicht mehr soviel fressen wie man kotzen möchte.

  • R
    Rosarot

    Guter Beitrag Herr Yücel, vielen Dank.

  • L
    laune

    bezüglich meines vorherigen Posts, dass habe ich vergessen. Ich beziehe dies auf die Sexismus Definition durch Wikipedia:

     

    "Unter Sexismus versteht man die soziale Konstruktion von sexuellen Unterschieden zwischen Menschen und die daraus abgeleiteten Normen und Handlungsweisen."

  • L
    laune

    Ich weiß, einige mögen das Lächerlich finden, aber ich habe da eine Frage. Und zwar, warum wird Sexismus nur auf Frauen bezogen? Fast in allen Artikeln und Kommentaren ist Sexismus ausschließlich auf Frauen bezogen. Nehmen wir z. B. unter den Kommentar von "Definitionsmacht".

     

    "Heute warf sich bei mir allerdings die Frage auf, warum sie sich als Mann das Recht herausnehmen zu entscheiden, was Sexismus ist und was nicht?"

     

    Ich frage also, warum sollte er sich als Mann nicht das Recht herausnehmen zu definieren was Sexismus ist? Und weiter: "Akkzeptieren sie einfach, das die Grenzen vieler Frauen in Sachen Sexismus deutlich enger gestrickt sind, als sie das gerne hätten."

     

    Ja, ist akzeptiert, aber warum ist dann ausschließlich die Definition von Sexismus durch Frauen relevant?

     

    Sexismus äußert sich doch in vielen Dingen, nicht nur in blöden Sprüchen. Bei manchen wird ja schon das aufhalten einer Tür als Sexismus bewertet, für mich ist es einfach eine Sache der Höfflichkeit (halte nicht nur Frauen, auch Männern die Türe auf).

     

    Wäre dann z. B. nicht auch die Praxis der Gerichte, bei einer Entscheidung ein Kind bei der Mutter zu belassen nicht auch Sexistisch? Weil man ja davon ausgeht das ein Kind bei der Mutter besser aufgehoben ist? Wer hot oder wie wurde das bewiesen? Gibt es dazu Gutachten? Seien wir ehrlich, es gibt gute und schlechte Mütter, genauso gute und schlechte Väter. Diese Praxis ist aber doch dann auch ein Ausdruck von Sexismus oder nicht?

     

    Darf ich Fragen wie ich mich nun richtig gegenüber einem anderen Individuum, sei es Mann oder Frau, Verhalten soll? Kann ich als Mann z. B. auch gegenüber einem Mann sexistisch sein wenn ich davon ausgehe dass er z. B. schmutzige Witze mag? Wäre denn dann, wenn man nicht sexistisch sein möchte, nciht die einzige Alternative mit Fremden nicht zu sprechen? Denn egal was man sagt, es könnte ja der betreffenden Person sexistisch vorkommen.

     

    Frage ich z. B. einen Mann nach dem Weg, habe ich dann nach dem Weg gefragt weil er ein Mann ist und ich davon ausgehe dass er als Mann einen entsprechenden Orientierungssinn hat? Das ganze geht ja auch umgekehrt. Frage ich z. B. eine Frau im Supermarkt ob sie weiß wo die Milch steht, habe ich sie dann deshalb gefragt, weil ich davon ausgehe dass sie als Frau sich in einem Supermarkt besser auskennt, da ich davon ausgehe Frauen würden öfter einkaufen?

  • N
    Normalo

    @Definitionsmacht: Ist der Nick ironisch? Der Post klingt, als meinten Sie ihn ernst.

     

    Davon ab: Nein, es steht nicht ausschließlich dem vermeintlichen Opfer zu, über sein höchstpersönliches Gefühl zu definieren, was sexistisch ist und was nicht.

     

    Zum Einen wäre das völlig willkürlich, weil der vermeintliche Sexist seinem vermeintlichen Opfer nunmal nicht hinter die Stirn schauen kann und die Geschmäcker bei dieser Frage wirklich himmelweit auseinandergehen.

     

    Zum Anderen aber dürfte nur ein kurzer Blick in die #Aufschreie oder die publizistische Empörung über Brüderle dem logisch denkenden Menschen verraten, dass eine solche Einschätzung ein perpetuum mobile wäre, sobald nur mal die Männer ein ähnlich feines Gefühl für Sexismus entwickeln würden. Wenig was ich je gelesen habe strotzt so vor Geschlechterklischees und Messen mit zweierlei Maß wie diese "ehrlichen Beschwerden" über die Niedertracht der (Männer-)Welt - wenn mann das denn auch mal so richtig "fühlt"...

     

    Zum Dritten: Sie haben Ihre subjektive Ansicht der Dinge, lassen doch Yücel einfach seine. Im Gegensatz zu Ihnen wird er nämlich für die bezahlt.

  • G
    gesche

    yücel weiss es, yücel erklärt es uns frauen, was berechtigt ist und was nicht, wo wir zu weit gehen, wo wir denunzieren und wo wir rechnungen aufarbeiten. DANKE! und das eigentliche problem ist, das erkenne ich durch diesen artikel, dass die fdp ein schwacher gegner ist. DANKE, jetzt erst verstehe ich, was hinter all' dem steckt! frauen sollten sich bei sexueller belästigung erst dann beschweren, wenn ihr gegner stark oder stärker als sie selbst sind. strukturelle misogynie gilt als argument nicht - wo kämen wir denn da hin?

     

    yücel und broder, meine neuen leitsterne, um sexismus erklärt zu bekommen, einzuordnen und verstehen zu lernen. endlich mal ansatzweise einen durchblick bekommen - dank dieser analytisch scharsinnigen intellektuellen, die mit nüchterner objektivität die sachlage weit besser einschätzen können, als das hysterische weibsvolk, das sich hyänengleich auf twitter zusammenmobt.

     

    nochmals DANKE!

  • CT
    Christophe T.

    " die sich um ganz andere Fälle von Sexismus kümmert als das Schicksal einer leitenden Redakteurin bei Spiegel-Online, die mal versehentlich für die Sekretärin gehalten wurde, nämlich um Fälle wie Arzu Özmen, die einem Ehrenmord ihrer Geschwister zum Opfer fiel und gegen deren Vater am Montag der Prozess begann, was inmitten des ganzen #Aufschreis unterging."

     

    Ok ich versteh das soll provozieren ... aber mal im Ernst - sexuelle Abwertung von Minderheiten (hier Frauen) in sprachlicher Form sind der moralische Ueberbau fuer tatsaechliches Handeln (auf wenn die Taetergruppen nicht die gleichen sind). Ich haette eigentlich gedacht dass gerade der Schreiber das ganz genau selbst weiss und ggf. am eigenen Leib erfahren hat.

     

    Ich finde den Bezug uebrigens recht gewagt ...das hoert sich fuer mich gleich so an als ob die deutschen Bleichgesichter mit Gewalt gegen Frauen (und andere Minderheiten) gar nicht in Verbindung gebracht werden koennen. Das Ablenkungsmanoever (Muslime = Gewalt) ist ja oft in Gebrauch und wird in der Regel dankbar angenommen.

  • D
    D.J.

    Mit D. Yücel verbindet mich eine Art einseitiger Hassliebe - heute überwiegt die Liebe zu seinem zuweilen sehr scharfsinnigen Urteilsvermögen (nicht dass ich mir einbilde, es würde ihn kümmern :).

     

    Aber in einer Sache sanfter Widerspruch: "„Wenn das, was zwischen Brüderle und der Stern-Reporterin in einer Hotelbar passiert beziehungsweise nicht passiert ist, als ,Sexismus‘ durchgehen soll, dann wird der Begriff ausgehöhlt und banalisiert, dann wird der Kampf gegen den wirklichen Sexismus erheblich erschwert“, schreibt etwa Henryk M. Broder in der Welt, ohne die Ironie zu bemerken, dass er sich dabei exakt so anhört wie Jakob Augstein bei seiner Antwort auf das Simon-Wiesenthal-Center."

     

    Mag sein, dass ich da Broder überschätze, aber wie ich ihn kenne, war ihm die Ironie durchaus bewusst. Aber das macht nun die Sache ziemlich kompliziert...

  • LW
    Lone Wolf

    Ich finde, wir alle sollten diese Diskussion genießen, sie wird sicher eine der letzten ihrer Art sein. Eigentlich gehört sie zu den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein Anachronismus also, und sie wird hauptsächlich von Politikern und Journalisten geführt und geht an der Mehrheit der Menschen vorbei. Warum? Weil wir uns weiter entwickelt haben.

     

    Vor allem die Frauen haben sich über den puritanischen, den männlichen Sexismus anprangernden Feminismus der Alice Schwarzer hinaus entwickelt und ein starkes Selbstbewusstsein wachsen lassen mit Stolz, eine Frau zu sein... und einem eigenen weiblichen Sexismus.

     

    Lilli Allen hat einen Hit, in dem sie sich beschwert, dass ihr Freund sie beim Sex nicht zum Schreien bringt, Lady Bitch Ray bezeichnet Männer als Lustknaben, Lzzy Hale singt "You call me a bitch like its a bad thing", letztens habe ich eine Herrenmodemarke entdeckt, die "Girl's Toys" heißt... Sexismus ist heute NORMAL. Und zwar für Frauen und für Männer. und das ist auch gut so.

     

    Mir liegt es zwar fern, irgendeinen FDP Politiker zu verteidigen, aber ich frage mich, mit wem Laura Himmelreich, die Journalistin, wohl befreundet ist und warum sie jetzt diesen Quatsch veröffentlicht hat... Love and Peace

  • JE
    Jürgen E. Metzger

    "Man sieht, dass nicht alles, was als #Aufschrei daherkommt, Sexismus ist. Und man weiß, dass Vieles, das mit der scheinbar naiven Attitüde „Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-was-gesagt-werden-muss“ daherkommt, genau das ist, was es zu sein bestreitet: Rassismus, Antisemitismus, Sexismus".

    Eine kluge Zusammenfassung des Autors. Zu warnen ist von jeder Art des "...ismus".

     

    Nur eines haben die meisten Autoren nicht bedacht. Der Artikel ist auch eine subtile Form der Altersdiskriminierung die in der rotzigen Frage des Greenhorns Laura Himmelreich an Brüderle steckte. Als ob nicht gerade reifere Politiker mit Unabhängigkeit, Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein ein größerer Segen für diese Land sein könnten als solche die Frösche in Wassergläsern erwärmen.

     

    Leider gibt das recht kesse und appetitliche Aussehen von Laura Himmelreich keinen Hinweis darauf, dass dieses auch ihrem intellektuellen Format entspricht.

  • CT
    Christophe T.

    Ich has gelsen und nicht verstanden - was will der Herr YÜCEL denn hier sagen? Kann mir jemadn en Zusammenfassung machen?

  • UL
    U. Lichte

    An die selbsternannte "Definitionsmacht":

     

    Hallooooo! Geht's noch??? Ich lasse mir doch von Ihnen nicht sagen, ich dürfe mir "nicht das Recht herausnehmen" für mich den Begriff "Sexismus" zu definieren. Für wen halten Sie sich denn, Denkverbote aussprechen zu dürfen?

  • CH
    Conny H.

    Sehr geehrteR FrauHerr Definitionsmacht,

     

    in Ihrem Eifer scheinen Sie gar nicht bemerkt zu haben, dass Herr Yücel bei keinem der Beispiele definiert, ob es sich um Sexismus handelt oder nicht. Sondern genau das Problem der Definition diskutiert.

     

    D.h. Sie wollen einfach mal bestimmen, dass er zu dem Thema zu schweigen habe, ohne seinen Text richtig gelesen zu haben.

     

    Über Feminismus habe ich viel Gutes zu sagen, über Ihren antidemokratischen Neostalinismus nicht.

  • A
    aujau

    Der Artikel ist sehr sachlich fuer einen Yuecel, kann aber das Problem, dass auch in anderen Diskriminierungsklagen Retourkutschen ablaufen, nicht handhabbar machen. Definitionsmacht bleibt bei Ueberschneidungen von Taeter- und Opferpositionen schwierig. Siehe auch Anja Meulenbelt 1979.

  • ND
    Na dann

    Da kann ich Ihnen ja glatt mal zustimmen- der Stern als Vorreiter der Geschlechterfairness ist lächerlich.

     

    Die taz ist leider, was journalistische Korrektheit angeht, kein Deut besser, sie hat nur eine etwas andere Klientel. So kann sie sich inzwischen als systemerhaltendes Käseblatt mit Spiegel, Stern, Focus, sogar der Bild die Hand schütteln.

  • D
    Definitionsmacht

    Sehr geehrter Herr Yücel,

     

    ich lese durchaus gerne ihre Kolummnen und Kommentare. Auch wenn ich mich oft genug darüber aufrege.

     

    Heute warf sich bei mir allerdings die Frage auf, warum sie sich als Mann das Recht herausnehmen zu entscheiden, was Sexismus ist und was nicht? Akkzeptieren sie einfach, das die Grenzen vieler Frauen in Sachen Sexismus deutlich enger gestrickt sind, als sie das gerne hätten.

     

    Alle diese Beispiele, die sie gegeben haben, mögen nach Lappalien aussehen, aber zunächst einmal sind sie als sexistische Aktionen zu betrachten, wenn die betroffenen Frauen es als Sexismus gefühlt haben. Anstatt diese Gefühle gleich als "Missbrauch" des Sexismusnegriffs zu derangieren, denken sie doch mal selber darüber nach, wo sie vielleicht sexistisch handeln und denken.

     

    Wenn sie Letzteres allerdings nicht tun wollen, dann schweigen sie einfach zu dem Thema, was ich Herrn Broder im Übrigen auch empfehlen würde...