Arte-Doku über japanischen General: Von einem, der den Krieg nicht wollte
Die Doku über den japanischen General Ishiwara Kanji ist sehenswert. Und das trotz falscher These zum Kriegseintritt der Japaner im Zweiten Weltkrieg.
![](https://taz.de/picture/184224/14/044793-000_ishiwara_02.jpg)
Auf der deutschsprachigen Arte-Homepage heißt der Film über Ishiwara Kanji im Zweittitel: „Der General, der Japan in den Zweiten Weltkrieg führte“. Die von Arte zugeschickte DVD titelt noch – viel martialischer, viel entschiedener, viel verblüffender: „Ishiwara Kanji: Ein Mann bricht den Zweiten Weltkrieg vom Zaun“. Und ganz am Ende des Films tönt es explizit aus dem Off: „Der Mann, der den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte, wird nicht einmal verurteilt.“
Das ist natürlich eine steile These. Eine unhaltbar steile These. Nicht nur, weil der deutsche Überfall auf Polen bereits mehr als zwei Jahre zurücklag und das „Unternehmen Barbarossa“ schon ziemlich versackte, als in den Morgenstunden des 7. Dezember 1941 die japanischen Bomben auf Pearl Harbor fielen.
Aber an einer Revision der deutschen Kriegsschuld ist dem spitz formulierenden Autor Paul Jenkins sichtlich nicht gelegen. Er will den Fokus vielmehr auf den asiatischen Teil des Krieges legen. Nur: Auch unter dieser Prämisse ist die aufgestellte These verfehlt.
Denn als in den Morgenstunden des 7. Dezember 1941 die japanischen Bomben auf Pearl Harbor fielen, hieß der japanische Premierminister Tojo Hideki. Dieser hatte sich in den Jahren zuvor im japanischen Militär zum ideologischen Gegenspieler und Intimfeind von Ishiwara Kanji entwickelt und diesen längst kaltgestellt. Den Zweiten Weltkrieg verfolgte Kanji daher als Ruheständler.
So befasst sich Jenkins auch nicht weiter mit dem Weltkrieg, er geht weit zurück in die Vorgeschichte und begründet seine These wie folgt: Ursächlich, weil den späteren bewaffneten Konflikt mit der Weltmacht USA praktisch unausweichlich machend, war der sogenannte Mukden-Zwischenfall von 1931.
Eine japanische Offiziersclique sprengt ein paar Gleise der japanisch kontrollierten südmandschurischen Eisenbahn und schiebt es den Chinesen in die Schuhe. Der über die Köpfe von Regierung und Generalstab hinweg betriebene vermeintliche Gegenangriff mündet in die Besetzung der gesamten Mandschurei. Strategischer Kopf der Unternehmung: Ishiwara Kanji. Aber bereits den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg von 1937 hält Kanji für einen schweren Fehler.
Faschistoide Hirngespinste
Es ist ein bisschen schade, dass Jenkins offenbar meint, Kanjis Geschichte nur mit der Weltkriegs-Auslöser-These verkaufen zu können. Denn was er über dessen von einer radikalen Spielart des Buddhismus und panasiatisch-faschistoiden Hirngespinsten bestimmtes Leben, über das sich rasant modernisierende Japan und über die ideologischen Verwerfungen im durchweg rechtsgerichteten japanischen Militär zu erzählen hat, ist hochinteressant.
Diese Perspektive ist neu. Jenkins lässt fast ausschließlich japanische Experten zu Wort kommen. Und verzichtet auf Reenactment-Quatsch – er verlässt sich ganz auf gutes Archivmaterial.
Der Mann, der den Zweiten Weltkrieg nicht ausgelöst hatte, wird nicht einmal verurteilt. Er stirbt 1949 als Mitglied einer Bauernkommune.
Film: „Ishiwara Kanji: Der General, der Japan in den Zweiten Weltkrieg führte", Paul Jenkinsi. Dienstag, 20.November, 21:55 Uhr auf Arte.
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