ZDF-Doku über Zalando-Investoren: Ganz oder gar nicht
Der Berliner Internetunternehmer Oliver Samwer hat die Presse bislang meist gemieden. Nun hat das ZDF ihn für eine Doku interviewt.
Oliver Samwer gilt als Workaholic, als launiger Chef und als medienscheuer Typ. Die Attitüde war stets: Wir machen, wir reden nicht, und wenn, dann auf Fachkongressen. Doch dieses Bild bröckelt langsam, aber sicher, und das hat seinen Grund: Der Internetunternehmer will seine Berliner Projektschmiede Rocket Internet offensichtlich an die Börse bringen. Wirtschaftsdienste mutmaßten dieser Tage bereits, dass es schon Ende September so weit sein könnte. Und wer im großen Stil Geld einsammeln will, der muss eben auch aus der Deckung kommen. Genau das passiert gerade.
„Das Milliarden-Geschäft der Zalando-Boys“ heißt der Film, den das ZDF am Dienstagabend um 21 Uhr zeigt, mit Bezug auf das bekannteste Projekt von Rocket Internet. Das Magazin „Frontal 21“ hat dafür gemeinsam mit der Wirtschaftswoche recherchiert. Zentrales Element der 45-minütigen Dokumentation ist der erste Auftritt Samwers im Fernsehen. Ein Kurswechsel zum passenden Zeitpunkt? Mitnichten, sagt Samwers Sprecher auf Nachfrage.
„Es hat einfach noch keiner gefragt“, erklärt Andreas Winiarski, „von der ARD einmal abgesehen.“ Die habe Samwer einst gefragt, ob er sich in die Runde von Günther Jauch setzen wolle. Doch den Auftritt zum polarisierenden Thema „Superreiche“ habe der Firmengründer dann doch abgelehnt.
Dass sich Samwer dem ZDF-Projekt nicht entzogen hat, ist bemerkenswert, denn einer der beiden Autoren ist der Journalist Christian Esser, der mit seinem Film über Nicolas Berggruen vor zwei Jahren auf sich aufmerksam gemacht hat. Ein ausführliches und zugleich kritisches Gespräch war hier das Herzstück.
„Das Milliarden-Geschäft der Zalando-Boys“, ZDF, 26.08., 21 Uhr.
Berggruen hat sich damals einigermaßen geschlagen. Vor allem Modelle, die dazu taugen, Steuern zu sparen, waren das Thema. Rocket-Sprecher Winiarski erzählt, er habe sich diesen Film natürlich sehr genau angesehen. „Ja, der war kritisch, aber an der Person gab es damals auch viel zu kritisieren“, sagt der einstige Bild-Journalist und fügt zur Motivation, dennoch mit dem ZDF zu sprechen, hinzu: „Wir haben nichts zu verbergen.“
Deutliche Kritik
Winiarski stellt den Ablauf so dar, als hätte Rocket und vor allem der in der Start-up-Szene berühmte wie berüchtigte Samwer bei dem Film spontan mitgemacht. Filmautor Esser berichtet anderes: Nach einer ersten Anfrage im Oktober und „vielen Gesprächen und E-Mail-Wechsel“ habe Rocket im Dezember „vorläufig abgesagt“.
Esser sagt, sie hätten trotzdem begonnen, „weltweit über Rocket Internet und die Samwer-Brüder zu recherchieren“ – der Film übt etwa am Vorgehen eines Projekts in Afrika deutliche Kritik, ebenso an der Praxis, schnell Ideen aus den USA zu kopieren, bevor die Originale der Internetdienste anderorts Ableger hochziehen. Esser und seine Kollegin Birte Meier machten also weiter. „Offenbar wurde in diesem Zusammenhang die PR-Strategie geändert.“ Im Frühjahr habe sich das Unternehmen schließlich geöffnet.
So oder so, der Erkenntnisgewinn des Interviews hält sich einigermaßen in Grenzen. Beachtlich ist vor allem, wie Samwer den Rechercheuren zu erklären versucht, dass er mit Firmenplatzierungen etwa in Luxemburg oder im US-amerikanischen Delaware nicht unbedingt Steuern sparen wolle. Das sei „nicht der richtige Fokus“ auf die Entwicklung. Das wirkt wie ein Ablenkungsmanöver, bleibt aber ebenso erwartbar.
Beide Seiten – Firma wie Sender – bestätigten übrigens, dass für das Interview keinerlei Bedingungen gestellt wurden. Es habe nicht mal den Versuch gegeben, einen Fragenkatalog abzustimmen und damit einen Gesprächskorridor vorzugeben. Das passt dann wiederum auch ins Bild: Spielt Oliver Samwer mit, dann ganz oder gar nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin