piwik no script img

Kommentar NSU-AbschlussberichtLehren aus dem NSU-Schock

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Ein vernichtendes Urteil des NSU-Bundestagsausschusses. Zukünftig muss sich die Mentalität grundlegend ändern.

Ein beeindruckendes Dokument der Selbstaufklärung: Der Abschlussbericht des NSU-Ausschusses Bild: dpa

D er Abschlussbericht des NSU-Ausschusses im Bundestag ist ein beeindruckendes Dokument der Selbstaufklärung. So schonungslos wie einst die Pisa-Studie die Mängel und Ungerechtigkeiten im deutschen Bildungssystem offenlegte, zeigt der NSU-Bericht die Schwachstellen und blinden Flecken der Sicherheitsbehörden beim Thema Rassismus auf. Das macht ihn zu einer vergleichbaren historischen Zäsur.

Natürlich hätte man manches noch schärfer formulieren können, wie es die Anwälte der Opferfamilien bemängeln. Doch das Urteil des Allparteien-Ausschusses über leitende Beamte, Staatsanwälte und Minister fällt auch so schon vernichtend aus.

Die Polizei? Hat einseitig ermittelt. Der Verfassungsschutz? Hat die Gefahr des Rechtsterrorismus grob unterschätzt. Die Politik? War desinteressiert. Ja, das hat man alles im Prinzip schon vorher gewusst. Aber jetzt ist es amtlich, wir haben es schwarz auf weiß.

Immerhin: Der Verdacht, dass deutsche Behörden die Taten der Thüringer Terrorzelle aktiv unterstützt hätten, ließ sich nicht erhärten. Das ist aber schon das einzige positive Fazit, das sich ziehen lässt. Dieses Eingeständnis muss Konsequenzen haben.

Nicht nur, dass die NSU-Mordserie in die Lehrpläne der Polizeischulen gehört – als abschreckendes Beispiel dafür, was man alles falsch machen kann. Nein, die Mentalität muss sich von Grund auf ändern. Für Polizei und Verfassungsschutz heißt das: Es braucht mehr Sensibilität für Rassismus und Rechtsextremismus, eine interkulturelle Öffnung und mehr Beamte mit Migrationshintergrund.

Gut, dass darüber jetzt Konsens herrscht. Nun kommt es darauf an, dass diese Empfehlungen auch im Behördenalltag umgesetzt werden. Nur dann lässt sich sagen, dass wir aus diesem so viele Jahre lang übersehenen Serienmord etwas gelernt haben.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • So einen Luxus wie Deutsche, können sich Amerikaner bezüglich der Überwachnung nicht leisten.

    Was denkt ihr wieso Amerikaner so agieren? Sie sind es und das zeigt die geschichte, nunmal gewöhnt und es ist auch von Nöten, dass Amerikaner so eine intensive Überwachungspolitik betreiben.

     

    Alle Menschen wollen in Frieden leben, könntet ihr das, würde eure Familie bedroht? Wohl Nein. Überwachung ist deswegen notwendig, um Gefahren zu verhindern, Anschlägen vorzubeugen und um jegliche Akte der Gewalt zu verhindern.

     

    An die NSA Kritiker richte ich gerne den Denkanstoß: Reduziert die Überwachung, erhöt das Risiko eines Terrorakts. Was hättet ihr lieber?

  • Wohl eher eine gesamtdeutsche Märchenstunde der deutschen Politik.

    Nach dem Motto weiter so,das Volk haben wir im Griff.Da werden Akten geschreddert von Behörden,bis nur noch belastendes Material für eine Minimalverurteilung vorhanden ist.Ein kleiner Deal und schon geht alles weiter so.

  • TE
    Täglich eine linke und radikale Tageszeitung

    Früher war für die taz mal wichtig, dass etwas bekannt ist oder wird. Heute ist wichtig, dass es amtlich ist.

    • @Täglich eine linke und radikale Tageszeitung:

      Etwas "amtliches" ist in formal-qualifizierter Weise "bekannt".

       

      Sehe das Problem nun nicht.

  • Es braucht vor allem *gute* Beamte bei den Ermittlungsbehörden, nicht unbedingt solche mit Migrationshintergrund.

    • @Viccy:

      Sie sagen, Menschen mit Migrationshintergrund seien weniger qualifiziert also solche ohne?

  • ML
    Max Lewien

    @Max Lewien, Kom.Schluß

    D.h. aber , der Untersuchungsausschuß hätte zumindest den hier geäußerten V e r d a c h t auf eine wie immer qualifizierbare K u m p a n e i des VS mit den NSU-Nazis in seinen Bericht einfügen müssen, selbst wenn er behauptet, keine "B e w e i s e" für diese Kumpanei gefunden zu haben. Denn gewiß kann man I n t e n t i o n e n bei gewieften Geheimen selten direkt nachweisen.Aber zumindest das doch allzu dreiste nachträgliche Aktengeschreddre der Geheimpolizei legt zumindest den plausbilen Verdacht nahe, daß es sich dabei nicht nur um das Vertuschen von "Fehlern" sondern auch von

    bewußt kriminellen Aktionen gehandelt haben könnte!-------Dann wäre dieser Aussschußbericht zumindestens ein bloßer "Freispruch 2. Klasse" nämlich mangels Beweisen geworden und würde zu viel weitergehenden Konsequenzen beim Reinemachen mit dieser Art Geheimpolizei führen!-------

    Daß der Ausschuß das nicht zustande brachte zeigt linken Demokraten wie mir,warum die Assange, Mannings, Snowdens an moralischer Integrität und M u t zig-Ausschüsse solcher Art übertreffen dürften!

  • ML
    Max Lewien

    Gewiß dürfte es sich bei einigen wenigen, braven Verfassungsschützern

    im Umgang mit den NSU-Verbrechern a u c h um so etwas

    wie bloßes -nichtintendiertes -naturgesetzlich erklärbares -"Versagen" gehandelt haben. ------Aber bei einem ganzheitlichen Blick auf diese neonazistische Verbrechensrealität ergibt sich doch zwingend der plausible V e r d a c h t auf eine a b s i c h t l i c h e K u m p a n e i und V e r b a n d e l u n g der kapitalistischen Geheimpolizeien mit den BRD-Neonazis insgesamt.-----

    Da ist zum einen das ganze n a c h t r ä g l i c h e Weggeschreddere von Akten im Fall der NS durch Kapitalismussicherungsapparate.Das hat was von b e w u Gewiß dürfte es sich bei dem oder jenem integren BRD-Geheimpolizisten ß t dunkle Taten Verschleiern an sich -bei jedem Kriminalprozeß würde solcher Verdacht im Raum stehen -selbst wenn er dann unbeweisbar bliebe!------- Dem voraus ging des VS und gewisser rechtslastiger Politiker(e.g. Schily , Schäuble u.a.) a limine einseitige nazi-ausselegierende Optik während der gesamten Nazi-Mord-Serie.-----Schlließlich wird der obige Verdacht erhärtet durch gewisse Parallelen zu früherer vorgeblich bloßer Apparat-Myopie bei nazistischen Verbrechen in der BRD( z.,B. Runterspielen des massenmörderischen Oktoberfestattentates des Neonazis G. Köhler usw.) .------Der hier geäußerte schlimme Verdacht gegen die deutsche Geheimpolizei wird auch mit Blick auf die B RD-Geschichte verstärkt: und ergänzt z,B. durch die nachweisbare Überaktivität der geheimen Kapitalstaats-Polizeien gegenüber der BRD-Linken insgesamt schon zur Zeit des KPD-Verbots. dann bei der Jagd auf die RAF, heute das ekelhafte Ausspähen und der parlamentarischen Linken, linker Bundestagsabgeordneter (Wagenknechtgruppe usw.) ------:

    Schluß folgt infra -Max Lewien

  • Z
    zipplek

    na dann ist ja alles wieder in butter und es kann weiter gehen.

    also wenn das kein aktives unterstützen der behörden war frag ich mich

    was sonst?was hatte man finden wollen?ne hitlerbüste auf dem schreibtischen von roewer und co.die haben sie zuerst weggeräumt und dann

    wurde der rest geschrettert. guckt mal in den keller da stehen die büsten bestimmt noch.