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Soldaten im InlandKein Vorstoß mit der Bundeswehr

Karlsruhe hat den Einsatz der Bundeswehr unter besonderen Voraussetzungen im Innern erlaubt. Trotzdem wird die Bundesregierung keine neuen Aufgaben zuteilen.

Richtet ihr Fadenkreuz weiterhin nicht nach innen: Die Bundeswehr. Bild: ap

FREIBURG taz | Die Bundeswehr soll im Inland zunächst keine neuen Befugnisse erhalten. Das erklärte das Bundesinnenministerium auf Anfrage der taz.

Zwar hat das Plenum des Bundesverfassungsgerichts im August entschieden, dass das Grundgesetz bei „besonders schweren Unglücksfällen“, die Terrorangriffe einschließen, auch den Einsatz militärischer Waffen zulässt. Für neue derartige Militärbefugnisse wäre aber immer ein entsprechendes Gesetz erforderlich. Das will die Regierung bis auf weiteres aber nicht auf den Weg bringen.

Das rot-grüne Luftsicherheitsgesetz von 2005 erlaubte, dass die Luftwaffe gegen Flugzeuge eingesetzt werden kann, die – wie etwa beim Anschlag auf das World Trade Center 2001 – von Terroristen entführt wurden. Ein Jahr später hatte allerdings das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Abschuss entführter Flugzeuge nicht erlaubt werden darf, weil dies gegen die Menschenwürde unschuldiger Passagiere verstoße.

Damals blieb aber eine Bestimmung des Luftsicherheitsgesetzes bestehen, wonach die Luftwaffe entführte Flugzeuge abdrängen und zur Landung zwingen darf. Hiergegen klagten die Länder Bayern und Hessen. Die beiden unionsregierten Länder fanden den Einsatz der Bundeswehr im Innern zwar gut, hielten dafür jedoch eine Grundgesetzänderung für erforderlich.

Das Plenum der Verfassungsrichter erklärte jetzt aber, dass bei einem drohenden Terroranschlag auch ohne Grundgesetzänderung der Einsatz von militärischer Gewalt zulässig ist. Die Richter legten das Grundgesetz einfach anders aus bisher.

Damit kann die Bundeswehr im Inland nun aber nicht tun und lassen, was sie will. Vielmehr kann sie militärische Gewalt nur einsetzen, soweit dies ausdrücklich durch Gesetze gedeckt ist. Statt einer Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit ist künftig also nur noch eine einfache Mehrheit im Bundestag erforderlich.

Doch auch die einfache Mehrheit muss man erst einmal haben. Schon nach dem Karlsruher Beschluss stellte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) klar, dass sie keinen Bedarf für neue Bundeswehrgesetze sehe.

Im federführenden Bundesinnenministerium hat man sich damit inzwischen wohl abgefunden. Bis auf weiteres plant Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) keine Initiativen für die Bundeswehr. Diskutiert wurde in den letzten Jahren etwa über eine Regelung, die den Abschuss von unbemannten Terrordrohnen oder ausschließlich mit Terroristen besetzten Flugzeugen erlauben würde, doch hierfür gebe „es derzeit keine konkreten Pläne“ erklärte ein Ministeriumssprecher.

Auch ein Seesicherheitsgesetz, für das der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) 2005 einen ersten Entwurf erarbeitete, wird momentan nicht angestrebt. Nach Schilys Plänen sollte die Marine an der deutschen Küste entführte Kreuzfahrtschiffe befreien oder Sabotageakte verhindern dürfen. „Es gibt derzeit keine Überlegungen, einen Entwurf für ein Seesicherheitsgesetz zu schaffen“, heißt es nun im Innenministerium.

Und schließlich wird auch der von der CSU gewünschte Einsatz von Soldaten als Ersatzpolizisten (wenn die reguläre Polizei überlastet ist) von der Bundesregierung nicht angestrebt. Dafür wäre auch nach der jüngsten Karlsruher Entscheidung eine Grundgesetzänderung und damit die Zustimmung der SPD erforderlich. Doch auch hier ist Friedrich realistisch. Da die SPD auf keinen Fall an einer solchen Grundgesetzänderung mitwirken will, bereitet das Ministerium auch nichts dergleichen vor. Damit kann die Bundeswehr militärisch bei drohenden Terrorakten weiterhin nur so agieren, wie es der verbliebene Rest des Luftsicherheitsgesetzes vorsieht: Flugzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, Warnschüsse abgeben.

Die dagegen gerichteten Klagen von Bayern und Hessen muss der Zweite Senat zwar noch ablehnen. Doch nach dem Beschluss der Richtervollversammlung vom August ist dies wohl nur noch eine Formsache. Diesen nächsten Schritt wird Karlsruhe vermutlich erst nächstes Jahr gehen. Und bis dahin wird in der Bundesregierung ganz sicher nichts passieren.

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5 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    @von Andreas Suttor

     

    "Natürlich ist für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ein entsprechendes Ausführungsgesetz wünschenswert, jedoch nicht zwingend erforderlich, wie das Beispiel der Auslandseinsätze der Bundeswehr zeigt."

     

    Da muß ich Christian Rath in Schutz nehmen.

    Das ist/war Verfassungskonsens: kein Einsatz des Militärs im Innern und

    - reine Verteidigungsarmee.

     

    Der große Senat des Bundesverfassungsgericht hat zu ersterem Neuland betreten.

    Zu out-of-area-Einsätzen merkte ich 1967 in Munster auf dem Fähnrichslehrgang an, daß

    Einsätze im Ausland vom Grundgesetz nicht gedeckt seien - die Herren Offiziere wollten

    ' den Amis' in Vietnam mal zeigen, was ne Harke ist.

    So was schickes wie ' out-of-area' kannte man da noch nicht.

    Wurde ' wegen politischer Unzuverlässigkeit' nicht befördert.

    Die Rechtslage war aber so und ist heute via Parlamentsvorbehalt verändert.

     

    Einsatz im Innern hingegen ist - was soll der Einsatz konkret beinhalten? - trotz der hier umstrittenen Entscheidung ein ganz anderer Stiefel und ' ein weites Feld.'

  • AS
    Andreas Suttor

    Der Artikel zeugt von wenig Sachkenntnis - und zwar sowohl beim Autor als auch bei einigen handelnden politischen Personen.

    Natürlich ist für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ein entsprechendes Ausführungsgesetz wünschenswert, jedoch nicht zwingend erforderlich, wie das Beispiel der Auslandseinsätze der Bundeswehr zeigt. Vom "out-of-area"-Urteil BVerfG von 1994 bis zum Parlamentsbeteiligungsgesetz, das die Umsetzung des damaligen Richterspruches beinhaltet, vergingen 11 Jahre - dennoch wurde die Bundeswehr bereits im Ausland eingesetzt, und zwar mit einer parlamentarischen Prozedur im Sinne des Urteils. Das ist auch beim Einsatz im Inneren jederzeit möglich, denn die Vorgaben sind konkret genug.

    Was Piratenbekämpfung anbelangt - siehe entführte Kreuzfahrtschiffe o.ä. - bedarf es überhaupt keiner weiteren rechtlichen Legitimation. Hier reicht eindeutig Artiikel 105 Seerechtsübereinkommen mit einem entsprechenden Beschluß des Bundestages - auf derselben Grundlage beteiligt sich die Bundeswehr an der Mission Atalanta.

    Also: das nächste Mal etwas bessere Recherche...

  • L
    lowandorder

    Mit Verlaub - was für ein eiernder verschwurbelter Beitrag.

     

    "Die Richter legten das Grundgesetz einfach anders aus bisher."

    Na sowas. Einfaches Gesetz statt - bisher - Zweidrittelmehrheit!

    Na und ? Ja wo laufen sie denn? Da machste nix - ever dat mäht auch nix.

    Waren da nicht die " rein zufälligen" Tornadoeinsätze in Heiligendamm?

     

    "Damit kann die Bundeswehr im Inland nun aber nicht tun und lassen, was sie will."

    ( Wär ja noch schöner und angesichts der deutschen Verfassungsvergangenheit des 20.Jahrhunderts wohl auch schwer vorstellbar - odr? )

    Wie? Ach nich? Nix von Belang!? Na dann is ja gut. Wollt mir schon Sorgen machen.

    Wehret den Anfängen - und so.

    Eben - die bewährt bewehrten Einrichtungen der Staatsmacht zeichnen sich ja gerade und geradezu besonders durch Rechts- und Verfassungsfestigkeit aus.

     

    "Statt einer Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit ist künftig also nur noch eine einfache Mehrheit im Bundestag erforderlich.

    Doch auch die einfache Mehrheit muss man erst einmal haben."

    Ja genau. Da is was dran. Wo er recht hat,…

    Klar. Da sind ja diese ganzen, zutiefst liberalen Parteien, das Schwergewicht FDP und so - aber so was von voll auf dem Kiwif.

    Da hat dat Merkels Kettendackel 'Blindi' Friedrichs ja gar keine Chance.

    Hat der sich alles gleich abgeschminkt.

    Hört endlich nach Jahren auf zu rementern.

    Ist doch jetzt viel einfacher - genau, dann muß aber auch mal gut sein.

    Mehr Knöchelchen jiffet jetzt aber nich. Aus getz mal.

     

    Also - nix passiert. Alles im Lack.

    Wahrlich überzeugend! - Herr Rath - heavy on wire.

  • G
    gettop

    wenn wir Proteste wie in Spanien und Griechenland im nächsten Sommer hier erleben, wird die Bundeswehr eingesetzt, das ist ausgemacht und die Sprachregelungen und Wortklaubereien hierzu sind auch schon geschrieben - so traurig es ist, hier halte ich jede Wette - und wenn sich dann eine Zeitung auf die Gesetzeslage beruft, kommt der Bundesawalt mit seinen schwarzen Häschern und schaltet sie gleich - in ihrer Not kennen die Reichen und Herrschenden kein Gesetz nur ihre eigene Notlage, die alles erlaubt und alles rechtfertigt

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Da jaulen alle wieder rum. Der Staat solle zwar alle beschützen, aber bitte ohne Vollmachten. Vielleicht sollte man alle deppen von dieser Diskussion ausschließen, die bereits bei Fahrkartenkontrolle den Faschismus auf der Siegerspur sehen.