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Abschied von Harald SchmidtRente mit 56

Late-Night-Talker Harald Schmidt verabschiedet sich aus dem deutschen Fernsehen. Es endet eine Karriere ohne Höhepunkte: Er war immer gleich gut.

Seine Zukunft ist noch unklar: Harald Schmidt. Bild: ap

BERLIN taz | Die wirklich großen Karrieren beginnen mit einem Purzelbaum und enden mit der Rente mit 56.

An meiner Schule, einem schwäbischen Gymnasium nahe Stuttgart, erzählte man sich die Geschichte eines ehemaligen Schülers, der bei der Abiturprüfung in Sport nichts weiter als einen Purzelbaum gemacht haben soll. Der ehemalige Schüler heißt Harald Schmidt. Ich weiß nicht, ob die Geschichte stimmt. Aber sie macht Hoffnung: Ein eleganter und gut inszenierter Purzelbaum kann so viel folgenreicher sein als jahrelanges Engagement in Lerngruppen.

Auf Abitur und Purzelbaum folgten eine Bewerbung an einer Journalistenschule, erfolglos, eine erfolgreiche Ausbildung zum Schauspieler, Engagements am Theater und im richtigen Moment die Weggabelung zum Kabarett, ans Düsseldorfer Kommödchen. Da war Harald Schmidt, wie er sich erinnert, kurz davor zum „Kantinenschauspieler“ zu werden, der abseits der Bühne motzt und lästert und den Intendant nachäfft. Das war seine Rettung.

Ein bisschen wie bei Christoph Waltz, den Quentin Tarantino im letztmöglichen Moment aus dem Tal deutscher Fernsehproduktion ausflog. Auf dem Weg ins Fernsehen sei Talent nicht das entscheidende gewesen, denn Talent haben viele, sondern Hartnäckigkeit, sagt Harald Schmidt. Das beharrliche Einrennen von Türen.

Die letzte Harald Schmidt Show

Donnerstag, 13. März, 22.15 Uhr, Sky

Kostenloser Livestream der Sendung auf //www.youtube.com/user/Skyde:https://www.youtube.com/user/Skyde

Dann saß er jahrelang auf seinem Bürostuhl hinter einem Schreibtisch, schlagfertiger als alle anderen im Land, in einem Fernsehstudio in Köln, Krawatte, Anzug, Brille, und erlebte die Höhen und Tiefen seiner Late Night Show gleichbleibend gut gelaunt. Er wechselte die Sender, die Sender wechselten die Chefs, die Quote fiel und stieg, das Feuilleton fand Gefallen, das Feuilleton wendete sich ab, der Bezahlsender Sky kaufte ihn. Zuletzt war die Quote kaum messbar.

Die Kunstfigur Harald Schmidt

Man verschenkte die Eintrittskarten zu seiner Show, um das Studio vollzubekommen, was für Harald Schmidt ein gutes Warm-up-Thema war: Na, wo haben Sie ihre Karte her? Auch geschenkt bekommen? Auf die Frage, warum er nicht aufhörte, als es am schönsten war, antwortete er immer das gleiche: Was nutzt es denn, wenn man im Café sitzt und sagen kann „Hey, ich bin übrigens der, der aufgehört hat, als es am schönsten war“? Und auf die Frage, was er jetzt vorhabe, antwortete er unterschiedlich und, so wirkte es jedenfalls, nicht sehr gerne: Er wolle jetzt in Paris an der Metro sitzen und französische Frauen angucken. Das war eine seiner Antworten.

Eins ist ziemlich sicher: Harald Schmidt beendet in dieser Woche seine Fernsehkarriere. Rente mit 56, ein sozialdemokratischer Traum. Auf Twitter geisterte vor einigen Wochen kurzzeitig das Gerücht umher, dass er jetzt beim österreichischen Servus TV anfängt, was irgendwie eine gute Pointe wäre, nachdem Harald Schmidt versichert hatte, dass es vorbei sei im deutschen Fernsehen. Aber das blieb ein Gerücht. Leider.

Die Wahrheit ist: Es gab keine Höhen und Tiefen der Harald Schmidt Show. Es gab unterschiedliche Reaktionen des Publikums. Es gab diejenigen, die nur Schmidt guckten, als alle Schmidt guckten. Das ist wie beim Fußball: Da gibt es auch die unerträglichen Kröten, die sich nur für Europa- und Weltmeisterschaften interessieren, aber die Bundesliga ist ihnen vollkommen egal. Aber der Zauber findet statt, wenn Braunschweig auf Frankfurt trifft oder der FC Köln auf Union Berlin.

Harald Schmidt lieferte jahrelang die Kunstfigur Harald Schmidt, frei von Qualitätsschwankungen: einen bösen Mann, dem die Pointe über alles geht, über Anstand, Moral und politische Orientierung. Hinter der Kunstfigur jedoch sah das anders aus. Da kritisierte Harald Schmidt Johannes B. Kerner für eine Live-Sendung aus Erfurt, als dort kurz vorher ein Amoklauf stattgefunden hatte. Da wies er vor laufender Kamera Oliver Pocher zurecht, weil er einen Gast schlecht behandelte. In Wahrheit ist Harald Schmidt nicht so böse, wie er tat. Auch dafür muss man ihn vermissen.

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10 Kommentare

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  • VG
    Vorrübergehend geschlossen

    Denkraum !

  • TA
    Traum A.

    "..aber hinterher -

    die Ohren ausgeschüttelt -

    was - hat er denn gesagt ?

    öh - keine Ahnung -.."

     

    Schmidt wird es genau so gegangen sein.

  • G
    gast

    Recht hat er! Das deutsche TV und sein Publikum sind es nicht wert, sich daran zu verschwenden. Seine Eskapaden waren vor allem dem Umstand geschuldet, dass es hierzulande einfach nicht genügend Menschen von Format gibt, mit denen man einen Late Night Talk bestreiten könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass vor den Empfangsgeräten auch höchstselten das Niveau dazu vorhanden ist (die meisten schauen ja am liebsten das alljährliche Kakerlakenfressen in Australien an).

  • FK
    Franz K

    Schade, Schade Schade, mit H.S. verabschiedet sich ein TV Typ, dem niemand das Wasser reichen kann.Er hätte eigentlich bis zur Rente einen Sendeplatz, spät am Abend, verdient. An seiner Stelle, werden jetzt so ein Gesocks wie Lanz und Konsorten in das Schaufenster gestellt. Bitter, Dirty Harry wird es verkraften, mir als Konzument wird er fehlen.

  • KK
    Karl K

    Im Atelier-theater erlebte ich ihn noch

    - grad auf dem heute bekannten Sprung -

     

    ja - da saß jede Geste

    jeder Satz in time -

    viel haben wir gelacht -

     

    aber hinterher -

    die Ohren ausgeschüttelt -

    was - hat er denn gesagt ?

    öh - keine Ahnung -

     

    und kurz später -

    Georg Schramm -

    - noch Fragen?¿

     

    ( auch backstage)

  • L
    Lon

    Ich bin ehrlich froh, dass er endlich weg ist. Seit Jahren hat er seinen neoliberalen Still verbereitet,damit man endlich alles lächerlich machen kann.

     

    Sogar, man betrachtet ihn als "Intellektuelle", was lächerlich und peinlich ist.

     

    In Wahrheit hat man mit Ihm Seriosität verloren und nur Überheblichkeit und Arroganz gewonnen. Was typisch neoliberale Haltung ist.

     

    Was man mit Ihm als "Fortschritt" betrachtet, ist

    in Wirklichkeit bloß "Spießbürgerlichkeit" und "Snobismus" in Form von Heute.

     

    Ich bin sehr froh und hoffe dass er nie wieder zurückkommt.

     

    Er symbolisiert bloß traurige Figur von Post-68er Generation.

  • im show buisiness "zählt" halt das "sein für andere".

  • L
    Leo

    Was für ein überflüssiger Nachruf.

     

    Niemand war in seinen frühen Jahren beleidigender als er, und auf der Welle reitend ist er reich geworden, Na und?

  • Sehr gute Würdigung.

    Schmidt ist der absolut Einzige, der wirklich in der Lage ist, den gesellschaftlichen Irrsinn mit Intelligenz so zu brechen, dass das Ganze im drüber Lachen wieder einigermaßen erträglich wird. Das schafft Raab nicht und kein anderer. Das war seine Rolle und deshalb fehlt er jetzt.

  • W
    Wagner

    Dann bin ich wohl eine unerträgliche Kröte, wenn ich nicht genug Lokalpatriotismus besitze, eine ortsansässige Firma zu verehren.

    Und eben gern Fußball schaue, aber für Ablöseverhandlungen und Managementsentscheidungen nicht wirklich zu begeistern bin.

    Na ja.

    Schmidt hingegen hab ich immer gern geschaut, auch in den unteren Ligen. Schade drum.