piwik no script img

Kommentar Arbeitslosigkeit in SpanienEs ist zum Auswandern

Spanien entwickelt sich zum Billiglohnland und Lieferant von Arbeitskräften für den reichen Norden. Europäische Integration sieht anders aus.

D ie Lage auf dem spanischen Arbeitsmarkt entspannt sich einfach nicht. Wie auch? Dazu angehalten von der EU spart das Land überall und rutscht immer tiefer in die Rezession. Ständig fallen weitere Jobs weg. Eine Reform des Arbeitsrechts, die Massenentlassungen erleichtert, tut ein Übriges. Besonders hart betroffen sind die Jugendlichen. Mehr als die Hälfte – 52 Prozent – der unter 25-Jährigen sind heute offiziell erwerbslos.

Zu Recht ist von einer verlorenen Generation die Rede. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres wanderten 55.000 meist junge Menschen aus, um vor allem in Mittel- und Nordeuropa Arbeit zu suchen. Das sind 21,6 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2011. Bis zum Ende des Jahrzehnts dürfte das Land auf der iberischen Halbinsel eine Million Einwohner verlieren.

Spanien ist erneut zum Auswandererland geworden. Anders als in den 1960er und 1970er Jahren gehen nicht die wenig qualifizierten Arbeitskräfte. Es sind gut die Ausgebildeten – vor allem Ingenieure, Architekten und Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen. Spanien blutet aus.

Bild: taz
Reiner Wandler

ist Spanien-Korrespondent der taz.

Selbst wenn sich die wirtschaftliche Lage irgendwann wieder erholte, viele derer, die heute gehen, werden kaum zurückkommen. Sie sind jung, meist alleinstehend, sprechen mehrere Sprachen und werden sich entsprechend schnell in ihrer neuen Heimat integrieren.

Und die, die in Spanien bleiben? Sie haben eine schwierige Zukunft. Das Schulsystem versagt auf voller Linie. Jeder dritte Schulabgänger hat nicht einmal den Pflichtabschluss geschafft, das sind – so zeigt eine Studie der Unesco – doppelt so viele wie im EU-Schnitt. Kürzungen im Bildungsbereich werden diese Bilanz noch verschlimmern. Spanien wird zum Billiglohnland und Lieferant von Arbeitskräften für den reichen Norden. Europäische Integration sieht anders aus.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • K
    keetenheuve

    Und was ist daran so schlimm? Die EU ist EIN Währungs- und Wirtschaftsraum, in dem natürlich auch die Arbeitssuchenden frei unterwegs sein können. Ob in den USA jemand aus Kalifornien an die Ostküste zieht, weil er dort eine bessere Arbeit findet, oder ob jemand aus Spanien deshalb nach Deutschland zieht - was ist daran schlimm? Deutsche Rentner verbringen ihren Lebensabend schon lange gerne in Spanien, hat sich darüber einer beklagt? Im Gegenteil: Genau so sieht Integration in Europa aus. Ansonsten wäre die EU ja völlig sinnlos.

  • L
    Luzifer

    Der Autor sagt, Spanien wird zu einem Billiglohnland.

    Aber das ist doch politisch gewollt: Die heimische traditionelle Wirtschaftsstruktur zerstören, um über billige Arbeitskräfte und günstige Konditionen für internationale Konzerne und Industrie (auch aus dem europäischen Norden) zu verfügen. Was ist den "Europa" sonst? Doch fast nur Wirtschaft.