Kommentar Internetzensur in der Türkei: Autoritär, aber nicht blöd
Staatspräsident Gül hat das neue Internetgesetz unterzeichnet. Die Methoden, Informationsfreiheit zu unterdrücken, sind raffinierter geworden.
B löd ist die AKP-Regierung nicht. Das beweist sie einmal mehr mit dem Internetgesetz, das von Staatspräsident Abdullah Gül zu ebenso nachtschlafender Zeit unterzeichnet wurde, wie es vor einigen Wochen vom Parlament beschlossen worden war.
Nacht- und Nebelmaßnahmen gab es in der Türkei früher auch. Ansonsten aber war man grobschlächtiger. Wenn Menschen verfolgt, Bücher verboten oder Zeitungen geschlossen wurden, weil die Herrschenden die Verbreitung bestimmter Ansichten oder Informationen unterbinden wollten, lautete die Anklage kommunistische Propaganda, Separatismus oder „Verunglimpfung des Türkentums“.
Die inkriminierten Straftaten waren offensichtlich politischer Natur, und genauso offensichtlich war, um was für einen semidemokratischen, semibeschissenen Staat es sich bei der Türkei handelte. Zwar ist die Türkei auf dem besten Weg zurück in diese Verhältnisse. Doch die Methoden sind heute feiner. Politische Gegner werden wegen Verschwörung zum Putsch angeklagt (wie im Ergenekon-Verfahren, in dem niemand wegen tatsächlicher Straftaten verurteil wurde). Oder wegen Terrorismus (wie im Verfahren gegen die kurdische KCK).
Nun also mit dem Internetgesetz: Ein Gouverneur, dessen Polizei in die Kritik gerät, ein Politiker, der mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert wird – sie alle werden sich künftig auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten berufen können.
Sicherheitshalber verweist die Regierung zudem auf den Kampf gegen Kinderpornografie – ist dies doch ein Argument, das auch andernorts zieht. Besonders raffiniert: Anders als bei den derzeit gesperrten über 10.000 Internetseiten wird man künftig auch einzelne Veröffentlichungen auf einer Seite sperren können. Eine Zensur, die keiner mitkriegt. Diese Regierung ist autoritär. Aber nicht blöd.
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