Debatte Apple und EU: Allein, es fehlt der Wille
Die EU-Kommission fordert von Apple 13 Milliarden Euro an Steuern. Dann wird sie von den Mitgliedsstaaten im Stich gelassen.
G ood-bye, Europe! Dieser Slogan machte nach dem Nein der Briten zur EU die Runde. Europa bringt es nicht mehr, wir wollen raus, hieß es plötzlich auch auf dem Kontinent. Der Brexit-Blues lähmte sogar Brüssel.
Doch nun ist die EU wieder da. Mit einem Paukenschlag hat sie sich zurückgemeldet. Die EU-Kommission fordert bis zu 13 Milliarden Euro Steuern vom US-Konzern Apple – und gibt so aller Welt zu verstehen: Hallo, wir leben noch!
Damit hatte kaum jemand gerechnet. Schließlich hatte US-Finanzminister Lew zuvor versucht, Wettbewerbskommissarin Vestager mit Drohungen einzuschüchtern. Experten schätzten die Nachforderung auf maximal 1 Milliarde.
Und nun: 13 Milliarden! Ohne Wenn und Aber! Die Brüsseler Behörde hat damit etwas gewagt, was sich noch nicht einmal große EU-Staaten trauen. Sie hat sich mit dem mächtigsten Staat der Welt und dem reichsten Unternehmen der USA angelegt.
Und sie hat genau da getroffen, wo es wehtut, wie der beleidigte Aufschrei in Washington und Cupertino zeigt. Die USA schauen nämlich schon viel zu lange zu, wie US-Konzerne Milliardengewinne im Ausland horten, ohne sie zu versteuern.
Apple, Starbucks, McDonald’s, Amazon …
Vestager will das nicht mehr dulden, und das ist auch gut so. Apple, so hat sie klargemacht, ist kein Einzelfall. Starbucks, McDonald’s und Amazon stehen schon auf der roten Liste der EU-Kommission, weitere dürften folgen. Mit Antiamerikanismus hat das nichts zu tun. Sondern mit Selbstverteidigung. Vestager will nicht länger dulden, dass die USA und ihre Multis Europa als ihr Hinterland betrachten. Sie fordert ein „level playing field“, also Gleichberechtigung.
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Auf dieses Signal haben viele Europäer lange gewartet. Es geht nicht nur um unfaire Steuerdeals, sondern um die Selbstbehauptung der europäischen Wirtschaft und Politik. Es geht um den globalen Verteilungskampf im 21. Jahrhundert.
Wenn die EU diesen Kampf entschlossen aufnimmt, dann kann sie aus der Defensive kommen, in die sie nach dem Brexit-Votum geraten ist. Der Streit mit Apple könnte Teil der „positiven Agenda“ sein, mit der Brüssel der Krise entrinnen will.
Das Dumme ist nur, dass Vestager die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat: Die EU-Staaten ziehen nicht mit. Die Niederlande haben gegen den Steuerbescheid für Starbucks schon geklagt, Irland will wegen Apple ebenfalls vor Gericht ziehen.
Provinzielles Standortdenken
Nicht einmal Deutschland zieht mit. Dabei hat Vestager der Bundesregierung einen attraktiven Ball zugespielt: Auch Berlin könnte nachträglich Steuern von Apple eintreiben, heißt es in Brüssel. Doch Bundesfinanzminister Schäuble winkt ab. Er reicht die heiße Kartoffel an Bayerns Finanzminister Söder weiter, der für die Apple GmbH in München zuständig ist. Doch Söder hat nichts Besseres zu tun, als der EU-Kommission in den Rücken zu fallen und vor einem Wirtschaftskrieg zu warnen. Das zeigt, wie der Hase läuft: Provinzielles Standortdenken geht vor Steuergerechtigkeit, nationale Interessen sind wichtiger als europäische Solidarität.
Es fehlt der politische Wille, die Steilvorlage aus Brüssel aufzunehmen. Es fehlt auch der politische Wille, den ruinösen Standort- und Steuerwettbewerb der EU-Staaten zu beenden. Wenn das so weitergeht, dann wird es nichts mit der Selbstbehauptung Europas. Dann laufen die Verfahren gegen US-Konzerne ins Leere, dann bleibt der Paukenschlag gegen Apple ein Muster ohne Wert.
Auch in anderen brisanten Fragen bremsen die EU-Staaten die Kommission aus. Eine sozialere Lösung der Griechenlandkrise, eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge, eine entschlossene Antwort auf den Brexit – all das hat Brüssel gefordert.
Doch nationale Egoismen und taktische Spielchen waren wichtiger. Sie haben verhindert, dass die EU geschlossen und solidarisch handelt. „Good-bye, Europe?“ Die Frage bleibt leider aktuell.
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