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Verfassungsrichter Peter MüllerZu befangen für Präsidentschaftsfragen

Neonazis haben die Wahl zweier Ex-Bundespräsidenten vor dem Verfassungsgericht angefochten. Bei der Klage darf ein prominenter Richter nicht mitentscheiden.

Darf nicht mitmachen: Verfassungsrichter Peter Müller. Bild: dpa

FREIBURG taz | Der ehemalige CDU-Politiker Peter Müller kann erstmals wegen Befangenheit nicht an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts teilnehmen. Das hat jetzt der Zweite Senat des Karlsruher Gerichts entschieden – gegen den Willen von Peter Müller, der sich nicht für befangen hielt.

Peter Müller war bis August 2011 als Ministerpräsident des Saarlandes im Amt. Seit Dezember ist er als Bundesverfassungsrichter am Zweiten Senat. Seine Wahl löste Diskussionen darüber aus, ob Expolitiker als Verfassungsrichter geeignet sind oder ständig Diskussionen wegen Befangenheit drohen.

Nun ist es das erste Mal passiert: Müller darf nicht über die Anfechtung der Bundespräsidentenwahlen von Horst Köhler und Christian Wulff mit entscheiden, obwohl er zunächst sogar als federführender Richter zuständig war. Der Grund für Müllers Ausschluss: Er hatte selbst als Wahlmann an den beiden Bundesversammlungen 2009 und 2010 teilgenommen.

Dieser Beschluss ist aber keine Präzedenzentscheidung dafür, dass Müller in politischen Verfahren nun laufend fehlen wird. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz sagt ausdrücklich, dass ein Richter bei der Entscheidung über ein Gesetz nicht allein deshalb befangen ist, weil er einst – sei es als Abgeordneter, Minister oder im Bundesrat – an dessen Entstehung mitgewirkt hat.

Mit ihrer Klage gegen die Bundespräsidentenwahlen haben Politiker der rechtsextremen NPD um den Schweriner Landtagsabgeordneten Udo Pastörs die Kritik seriöser Staatsrechtler wie Ulrich Battis und Martin Morlok aufgenommen: Bei der Auswahl der Wahlmänner finde in vielen Landtagen eine Blockwahl statt, die die Landtagsabgeordneten entmündige.

Karlsruhe konnte über die NPD-Klagen bisher aber noch nicht entscheiden, weil die Neuwahlen nach den Rücktritten von Köhler und Wulff jeweils unerwartet früh kamen. Deshalb wurde auch Joachim Gauck im März nach dem umstrittenen Verfahren gewählt.

Auch die Wahl von Joachim Gauck hat Udo Pastörs inzwischen angefochten. Immerhin war Peter Müller diesmal nicht als Wahlmann beteiligt. Mal sehen, ob Joachim Gauck so lange durchhält, bis Karlsruhe das Wahlverfahren für seine NachfolgerIn geklärt hat.

(Az: 2 BvE 2/09 u. a.)

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9 Kommentare

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  • CM
    Carl Maria Schulte

    Ich bin Mitbeschwerdeführer im ESM- und EU-Fiskalpaktverfahren 2 BvR 1438/12 des Vereins MEHR DEMOKRATIE. Einer von vielen Tausenden. Jeder Verfahrensbeteiligte sollte für ein unparteiisches Gericht sorgen. Deshalb lehne ich die Richter Huber und Müller ab. Huber war unter anderem bis vor kurzem in einem Gremium des Vereins MEHR DEMOKRATIE aktiv und ist womöglich mit Beschwerdeführer Roman Huber verwandt.

    Müller war u.a. als Ministerpräsident an Entscheidungen zum Euro beteiligt, womit eine Vorbefassung mit derselben Sache kraft Sachzusammenhangs/von der natur der Sache her gegeben ist. Ausserdem hat er eine über das übliche Maß hinausgehendes parteipolitisches Engagement gezeigt, das sogar Verfassungsbruch inkaufnimmt. So hat das saarländische Verfassungsgericht festgestellt, dass seine Regierung unzulässige Öffentlichkeitsarbeit vor einer Wahl zu verantworten hat. Dabei war er sicherlich die treibende Kraft.

    Es ist bei beiden Richtern eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Wenn alles rechtsstaatlich zugeht, erscheinen morgen zur Verkündung stat Müller und Huber zwei Richter des 1. Senats. Es bleibt also spannend.

    Zwei schwarze Peter liegen jetzt beim BVerfG. Wird Voßkuhle seiner Verantwortung als Senatsvorsitzender gerecht?

    In der Sache selbst wäre die Anordnung von Verfassungs-Konventen in Deutschland und EU sinnvoll: Artikel 146 GG. Näheres dazu:

     

    http://ob-in-spe.de > Demokratieinnovation

  • H
    Hans

    Bedauerlich, dass solch ein Entscheid über die NPD-Flitzpiepen kommt, aber der Entscheidung muss ich mein Lob zusprechen. Die Wahl Müllers zum Verfassungsrichter hat mich damals empört und diese Empörung ist auch nicht abgeklungen. Die Politik hat damit der Judikative und dem Verfassungsgericht nachhaltig geschadet.

  • A
    aurorua

    Dem Foto nach ist unser Verfassungsgericht nun endgültig zur politisch gesteuerten Kappensitzung verkommen.

  • F
    Friedrich

    Die komfortable Nachversorgung von Herrn Müller, als Richter des Verfassungsgerichts, war genau das, was Politikverdrossenheit mehrt. Hätte Herr Müller Charakter bewiesen, so hätte er von sich aus auf dieses Amt verzichtet. Und während bei jeder noch so kleinen Tätigkeit Qualifikationen gefordert werden, brauchte diese Frage den ehemaligen Ministerpräsidenten nicht zu beunruhigen. Denn hier galt wieder einmal das merkelsche Gesetz: Wer nützt mir wo?

  • H
    hannes

    Herr Müller hat überhaupt gar nichts beim

    Bundesverfassungsgericht zu suchen!!!

    Es ist eine Schande, wie andere verdiente

    Persönlichkeiten der juristischen Wissenschaft,

    die wesentlich mehr Forschung und Rechtsschutz

    betrieben haben, geflissentlich übergangen werden.

     

    Natürlich kann eine Person der Legislative,

    nicht später bei der Judikative Spitzenpositionen

    ausüben. Denn gerade die zwangsläufige

    politische Nähe zu Spitzenfunktionären aus

    Politik, Wirtschaft und Verbänden waren die Grundlage

    für den politischen Karriereaufstieg und

    die hierbei erworbenen Kontakte, politischen

    Denkweisen und herausgeschärften Profile

    verstoßen fundamental dem Gebot der absoluten

    Neutralität.

    Wenn ein Ex-Arbeitgeberpräsident sich zum

    Gewerkschaftsboss wählen lässt, ist ja auch

    die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft in Frage gestellt.

     

    So wie die Justiz das Einsperren von Verdächtigen

    bei Verdunkelungsgefahr vorsieht, obwohl

    ihre Schuld noch nicht bewiesen ist,

    so muss vorsorglich ein Ausschluss politischer

    Mandatsträger bei den Gerichten erfolgen,

    um eine Infiltrierung und Selbstkastration

    der Justiz durch politische Maulwürfe zu verhindern!!

  • JB
    Jo Bo

    Müller war vorher nutzlos und bleibt es weiter.

  • AC
    Al Capone

    Elite? Wohl eher Familie ...

  • A
    aurorua

    Für diese juristische NULL wäre Hartz IV noch ein Geschenk.

    Kein Wunder dass die Urteile des BVG insbesondere bei sozialen belangen menschenverachtend sind, oder gleich abgewiesen werden, solange es sich nicht um Pensionsansprüche handelt.

  • S
    Synoptiker

    Ich meine, die Seilschaften reichen bis in das Bundesverfassungsgericht. Muss den hier jeder, der zur Elite gehört jeden Posten bekommen?