Berlinale-Film über Nazi-Rockkonzerte: Hass auf die Republik
Der Journalist Thomas Kuban hat heimlich Nazi-Rockkonzerte gefilmt. Der Film "Blut muss fließen - Undercover unter Nazis" zeigt sein brisantes Material.
Das Mädchen mit den langen blonden Haaren, selbstbewusst, fast ein bisschen arrogant, könnte sich auch in einem linken Jugendzentrum befinden. Wären da nicht die bulligen Typen, an denen es sich vorbeidrängelt, viele mit Glatze. Sie tragen Tattoos und T-Shirts mit Namen von Nazirockbands. Sechs Jahre lang hat der Journalist Thomas Kuban Nazirockkonzerte heimlich mit einer Knopflochkamera gefilmt, über fünfzig an der Zahl.
"'Blut muss fließen' - Undercover unter Nazis" heißt der Film von Peter Ohlendorf, der nun viel von diesem Material präsentiert. Ohlendorf begleitete Kuban auf eine Reise an die Orte, an denen dieser die Szene klandestin beobachtet hat, in Deutschland, Österreich, der Schweiz, England, Ungarn und Italien. "Seit 2003 dreh ich in diesen Kreisen - mit vollem Risiko. Jetzt weiß ich, was da läuft", sagt am Anfang des Films eine Stimme aus dem Off. Es ist nicht Kubans, sondern eine Synchronstimme. Sein Name ist ein Pseudonym, im Film und vor dem Berlinale-Publikum tritt er in einem senfgelben Jackett, mit blonder Perücke und Sonnenbrille auf - aus Sicherheitsgründen.
"'Blut muss fließen'" ist ein ästhetisch nicht unproblematischer Aufklärungsfilm, zu klischeehaft ist sein eigener Einsatz von Musik zur Untermalung. Das allerdings ist angesichts der Rechercheleistung zu verschmerzen. Anfangs sind die Aufnahmen verwackelt und dunkel, der Ton ist übersteuert. Dann werden die Bilder immer besser, und auf der Tonspur sind die volksverhetzenden, rassistischen und antisemitischen Songtexte zu hören.
Leitmotiv ist ein Song der Gruppe Tonstörung, der immer wieder auf den Bühnen gespielt wird: "Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig / Lasst die Messer flutschen in den Judenleib / Blut muss fließen, knüppelhageldick / Wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik", heißt es da. Im Film erwähnt wird nicht, dass es sich dabei um ein Lied handelt, das schon bei der SA beliebt war: Rechte Freikorps hatten 1919 ein Lied der Badischen Revolution von 1848/1849 umgetextet. Darin war noch von Fürstenblut die Rede gewesen, das fließen sollte.
Keine Reaktion der Öffentlich-Rechtlichen
Rockmusik ist das ideale Medium, um Jugendlichen das Gedankengut der Neonazis nahezubringen, lautet die These des Films. Die Strategie sei von der in Deutschland verbotenen Organisation "Blood and Honour" entwickelt worden, werde aber seit längerer Zeit auch von der NPD verfolgt, sagt Kuban - umso schlimmer, dass der Staat nicht entschieden genug gegen Nazirock vorgehe. Rühmliche Ausnahme sei die Berliner Polizei.
Die Konzerte werden nur innerhalb der Szene beworben, die Veranstaltungsorte auch den meisten Besuchern erst kurz vorher offenbart. Der Film zeigt Hardcorefans, aber keine "normalen" Jugendlichen, die NS-Rock als ein Popgenre unter anderen hören. Aber er macht deutlich, dass Platten- und Klamottenläden die Schnittstellen zur Szene sind. Nicht zuletzt schaffe Nazirock mit seinen nicht unerheblichen Umsätzen Arbeitsplätze für Neonazis, sagt Kuban.
Der Journalist hat mit öffentlichen-rechtlichen Politikmagazinen gearbeitet, wo auch über einzelne Konzerte berichtet wurde. An dem nun gezeigten Film aber habe keine einzige Redaktion der Öffentlich-Rechtlichen Interesse gezeigt. Für Thomas Kuban ist daher jetzt Schluss mit Undercoverrecherchen. Er könne sie sich finanziell nicht mehr leisten. ARD und ZDF geben ihre Milliardenbudgets derweil für Sportrechte aus.
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