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Facebook speichert sogar Gelöschtes1.200 Seiten voller Personendaten

Ein Student hat bei Facebook eine Liste seiner Daten eingefordert. Er bekam 1.200 DIN A4-Seiten – darin enthalten sogar alte Nachrichten, Chats und gelöschte Daten.

Das gefällt langsam gar nicht mehr. Bild: imago/imagebroker

BERLIN taz | Wer erinnert sich schon genau daran, was in den letzten Jahren alles passiert ist? Wohl niemand: Das menschliche Gehirn schützt seinen Besitzer sehr effektiv vor Datenüberflutung – und vergisst. Ganz anders das Netzwerk Facebook.

Facebook erinnert sich an alles – und das erheblich genauer, als selbst viele Kritiker befürchtet haben. Wie jetzt bekannt wurde, liegen auf den Servern des Internetkonzerns nicht nur persönliche Angaben wie Name, Adresse, Geburtstage, Kommentare und Nachrichten. Auch Angaben, die Facebook-Mitglieder schon vor Jahren aus ihrem Profil gelöscht haben, bleiben gespeichert – obwohl sie nicht einmal für den Besitzer des Profils noch sichtbar sind.

Eine Wiener Initiative "Europe v Facebook" um den Jura-Studenten Max Schrems hat das Unternehmen deshalb bei der irischen Datenschutzbehörde angezeigt. Denn die europäische Tochter der Sozialen Netzwerkes, Facebook Europe Ltd, sitzt in Irland.

Schon jetzt gibt es einen offiziellen Weg, wie sich Facebook-Mitglieder ihre gespeicherten Daten herunterladen können – und das recht einfach über eine Funktion auf Facebook namens "Lade eine Kopie deiner Facebook-Daten herunter" in den "Kontoeinstellungen".

In den Angaben, die dabei herauskommen, findet sich nur ein kleiner Teil dessen, was Facebook speichert. Der Konzern bunkert viel mehr Daten auf seinen Servern, wie der Wiener Student Schrems feststellen musste.

Er war auf einem anderen Weg an die über ihn gesammelten Daten gekommen: Über ein verstecktes, umständlich auszufüllendes Formular musste er unter anderem eine Kopie seiner Ausweispapiere hochladen. Nach mehreren Wochen lag eine Brief aus den USA im Postkasten. Der Inhalt: eine CD-ROM, darauf über 1200 DIN A4-Seiten mit seinen persönlichen Daten. Und darin fanden sich auch Chatprotokolle, Nachrichten und gelöschte Pinnwandeinträge.

Dass diese Speicherwut überhaupt öffentlich wurde, liegt im EU-Recht begründet. Weil Facebook Europe in Irland sitzt, muss das Unternehmen seinen europäischen Nutzern auf Anfrage innerhalb von 40 Tagen Auskunft über gespeicherte Daten erteilen.

Wichtige Daten fehlen immer noch

Was Max Schrems in den 1.200 Seiten aber nicht fand, waren die möglicherweise auch von ihm gespeicherten biometrischen Angaben und eine Übersicht über Internetseiten, die der 23-Jährige über Facebooks "Like-Button" angeklickt hatte. Denn auch das speichert die Datenkrake Facebook so oft es geht.

Jura-Student Schrems mahnte auch diese Informationen an. Am Mittwoch nun hat Facebook reagiert: Die fehlenden Daten will das Unternehmen weiterhin nicht preisgeben, zitiert Blogger Richard Gutjahr aus dem ihm vorliegenden Antwortschreiben. Bei den vorenthaltenen Daten handele es sich um "Firmengeheimnisse und intellektuelles Eigentum", heißt es in dem Schreiben.

Facebook selbst geht davon aus, dass die zur Verfügung gestellten 1.200 Seiten den Anforderungen des EU-Datenschutzrechtes genügen. "Es ist daher unsinnig zu behaupten, dass wir nicht bereit seien, ihm seine persönlichen Daten zu geben", sagte ein Facebook-Sprecher zu taz.de.

Zugleich fühlt sich Facebook nun nicht mehr an die 40-tägige gesetzliche Frist zur Datenherausgabe gebunden. Begründung: Zu viele Nutzer hätten ihre Daten angefordert, man sei überlastet.

22 Anzeigen gegen Facebook in Irland

Unterdessen untersuchen die Behörden in Irland, ob Facebook mit seiner Speicherpraxis gegen EU-Richtlinien verstoßen hat. "Europe v Facebook" hatte Anfang September Anzeige in 22 Punkten gegen das Unternehmen erstattet.

Die Initiative teilte die Anzeigen auf verschiedene Aspekte auf. So bemängelt die Gruppe um Max Schrems unter anderem die Gesichtserkennung, Synchronisierungen und den "Like-Button". Alle Anzeigen hat "Europe v Facebook" öffentlich gemacht.

Die irischen Behörden hatten daraufhin eine Betriebsprüfung beim Netzwerk-Giganten angekündigt. Ende des Jahres sollen die Ergebnisse der Prüfung vorliegen.

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24 Kommentare

 / 
  • M
    Mikki

    Dazu kann ich nur sagen, dass nicht nur Facebook Schuld hat. Schließlich müssen wir ja nicht alles posten! Wir geben Informationen über uns preis, die die Allgemeinheit eigentlich nichts angeht.

    Was ich jedoch nicht in Ordnung finde ist, dass Facebook nicht alle Daten preisgibt. Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, WAS Facebook alles speichert, und Facebook hat diese Daten auch freizugeben.

    Vor allem finde ich es unglaublich, dass Facebook so viele Daten speichert, die nicht einmal wir sehen können. Da glaubt man, dass man etwas gelöscht hat, und dabei ist das bis in alle Ewigkeit gespeichert.

    Vor allem ist das sehr unpraktisch, wenn man auf diversen Fotos markiert wird, auf denen man nicht markiert sein möchte: Auch das wird gespeichert, auch wenn nicht WIR diese Informationen über uns preisgegeben haben.

  • E
    eltomo

    @Mr Miles:

     

    dazu brauchst du keine Ausweiskopie. Ein Bündel Bares tut's auch. Immerhin verdient FB sein Geld mit dem Handel mit Nutzerdaten.

    "Dienste" hier und in Übersee bekommen das Ganze übrigens auf einfach Anfrage. Ebenfalls gegen "Aufwandsentschädigung".

  • S
    Spitzel

    Hätte es Facebook schon früher gegeben, die Stasi hätte sich so viel Arbeit sparen können.

  • J
    Joe

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Wer gibt schon seine Daten Preis

  • T
    torquat

    Das Gesetzt, das man zitieren muss ist entweder

    Section 4 DPA

    oder

    Art. 12 Directive 95/46/EG

     

    beides ist gültig.

  • TM
    Teile Mich Nicht

    Die "like"-Buttons auf allermölichen Seiten verfolgen einen, auch ohne sie anzuklicken oder mit der Maus drüberzufahren (wie bereits erwähnt wurde). Aber das lässt sich auch blockieren, und zwar einfachere wie schon geschrieben. -> benutzt Firefox (sollte fast standart sein) -> Add-On: ShareMeNot (http://sharemenot.cs.washington.edu/)

    Das blockiert sowohl Facebook als auch Twitter und Co.

     

    Ach ja, Anonym gibt es nicht! Selbst wenn du Facebook nur im Internetcafe benutzt (und unter falschen Namen) ist es möglich anhand deine Klickgewohnheiten, Anguckzeiten, Suchanfragen etc. auf deine echte Personen rückzuschließen. Google und Amazon können das schon lange sehr sehr erfolgreich (siehe Barbaro/Zeller, New York Times 9.Aug.2006).

    (Leseempfehlung Nicholas Carr: The Big Switch, besonders Kapitel 10:Ein Spinnennetz)

     

    Aber das Facebook meine weiteren Daten verweigert, ist eine weitere Unverschämtheit, vorallem die Begründung. Wenn Facebook mich verfolgt, dann sind das immer noch meine Daten (nur anders beschafft).

    Da hilft halt nur Vorsorge und gesunder Menschenverstand, dann kann man seine Privatsphäre einigermaßen schützen. Schließlich ist man in realen Leben auch nicht 100% sicher vor Verfolgern und Datensammlern (Payback, Post, Gewinnspiele).

  • MM
    Mr Miles

    @Günter Schütz: Wenn man z.B. mit jemandem Chattet, dann denkt man erstens nicht daran, ob es "jemand falsch verstehen könnte", da man davon ausgeht, dass es nur der Chatpartner lesen kann, und zweitens ist es auch technisch nicht notwendig, den Chat über Jahre zu speichern. Genauso wenig ist es technisch notwendig, Daten weiter zu speichern, die ein User gelöscht hat. Dementsprechend dürfte ein Nutzer (der nicht zu kritisch eingestellt ist) auch keineswegs davon ausgehen, dass solche Daten weiterhin gespeichert werden.

     

     

    Eine ganz anderer Gedanke der mir soeben gekommen ist schockiert mich allerdings wesentlich mehr: Wenn man einen Scan des Ausweises eines anderen besäße (was meines Erachtens nach auch kein Ding der Unmöglichkeit ist bzw. schon einmal vorkommen kann, mir wurden solche schon oft von Bekannten für verschiedenste Zwecke gemailt), wäre es dann nicht ein leichtes, die Daten CD des anderen an die eigene Adresse anzufordern? Beim Reisepass z.B. steht die Adresse des Besitzers nicht drinnen und beim Personalausweis dürfte es für den Photoshopgeübten auch kein Problem sein diese durch die eigene zu ersetzen. Alle anderen von Facebook im verlinkten Formular geforderten Daten sollten ein geringes Problem sein.

     

    Natürlich sind rechtliche Konsequenzen höchstwahrscheinlich immens, aber wenn es möglich wäre, diese CD mit allen Daten (Nachrichten, Chats, usw.) eines Fremden zu bekommen...dieser Gedanke bereitet mir ehrlich gesagt schon ziemliche Kopfschmerzen. Vielleicht liege ich auch falsch, aber mir kommt nicht in den Sinn, weshalb es nicht klappen sollte und ausprobieren werde ich es bestimmt nicht.

     

     

     

    PS: Das wir Gesetze haben mit denen wir die über uns gespeicherten Daten einsehen können finde ich natürlich super, keine Frage. Aber die Methodik wie man bei Facebook an diese Daten kommt...

  • H
    hann0s

    @ Günter: Schön das sie so ein toller Typ sind und sich 24 Std. am Tag Datenschutzrechtlich absolut vorbildhaft verhalten. Aber Gesetz is Gesetz, und das wird (anscheinend, Prozess läuft ja) gebrochen.

  • R
    Ricardo

    Nicht erwähnt wurde im Bericht. Facebook speichert auch dann noch Daten, wenn sich ein Mitglied aus dem Onlinenetzwerk bereits ausgeloggt hat und zwar nicht nur Bewegungen im Facebook sondern auch die Seiten die Sie sonst noch besucht haben und das ist der Skandal an der Geschichte. Facebooks Antwort auf diese Tatsache: Da sei ein Fehler passier und werde sofort behoben. Das wars.

  • J
    Jens

    Lustig wie Taz hier über die sog. Datenkraken berichtet und selber ca. 9 davon unter dem Artikel gelinkt hat. Ich brauch garnicht Facebook Kunde sein, das erledigt die Taz schon für mich. Katsching.

     

    http://img199.imageshack.us/img199/283/tazundfb.jpg

  • D
    David

    Lieber Günter Schütz,

    "Ehrlich gesagt, verstehe ich diese ganze Diskussion nicht. Facebook hat, wie andere Netzwerke auch, nur das von mir, was ich selbst dort eingestellt habe."

     

    leider denken das immer noch viele User.

    Facebook bekommt aber seine Daten nicht nur von einem selbst, sondern von deinen "Freunden" die Fotos verlinken, egal ob man sie annimmt. Von den Gruppen in die man eingeladen wird, auch wenn man sie nicht annimmt (wieder raus geht). Von "Like Buttons" wissen sie auf welchen WebSites man surft, auch wenn man ausgeloggt ist. Aus dem ganzen Web, da Facebook versucht mit deinen Fotos/Daten weitere zu finden.

    Welche Moral hat ein Unternehmen das jeden Tag gegen Europäisches Recht(über 500Mio Bürger) verstößt. Das nämlich verbietet die Weitergabe Persönlicher Daten ins EU-Ausland.

    Es gibt keinen Grund gelöschte Daten weiterhin zu speichern. Das sie es trotzdem tun(kostet ein Vermögen) bedeutet das sie sie Nutzen werden.

    Jeder Politiker der nach Facebook auf einer kompromittierender Seite war ist erpressbar, da ein Verdacht schon eine Karriere zerstören kann.

    Jetzt ein wenig mehr Angst???

  • L
    leser

    Hübsch nacherzählt (sogar inklusive der meisten angegebenen Links)...

     

    http://netzpolitik.org/2011/facebook-deine-daten-gehoren-uns-wirklich/

     

     

    Ihr verzeiht mir hoffentlich, liebe taz, dass ich den Urheber flattre und nicht den Imitator?

     

    ---

     

    Hallo leser, der Artikel auf netzpolitik erschien am 29.09.2011 um 13:49h. Der Artikel auf taz.de wurde um etwa die selbe Zeit freigeschaltet. Die inhaltliche Bearbeitung war zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen.

  • S
    Salzsee

    Finger weg von meiner Paranoia

    Die war mir immer lieb und teuer

    Nie ließ sie mich so kalt im Stich wie du

    Einer hält den Spaten

    und zwei schauen ihm beim Halten zu

  • GS
    Günter Schütz

    Ehrlich gesagt, verstehe ich diese ganze Diskussion nicht. Facebook hat, wie andere Netzwerke auch, nur das von mir, was ich selbst dort eingestellt habe. Also denke ich bei jedem Eintrag darüber nach, ob das sinnvoll ist oder nicht (sowieso!) und ob das jemand falsch interpretieren könnte. Es ist eine technische Notwendigkeit, dass alle Daten gespeichert werden müssen. Und wie soll die Löschung "alter" Daten erfolgen. Glaubt jemand, Facebook stellt Leute ein, die alle Einträg lesen und entscheiden, ob die "alt" sind oder nicht. Was genau ist denn "alt". So geht es doch schon los.

     

    Viele Grüße, Günter

  • M
    marco

    Facebook ist ein CIA (Criminals In Action) frontend!

    was die einmal haben behalten die auch.

  • M
    momomo

    Gutjahr zitiert folgendes Gesetz:

     

    Section 4 DPA + Art. 12 Directive 95/46/EG

  • MD
    Muss dir nicht gefallen

    @Gerhard: Du musst gar nicht auf einen "gefällt mir"-Button klicken, damit facebook weiß, wo du warst. So, wie diese Buttons üblicherweise gemacht sind, wird der Button von facebook direkt zur Verfügung gestellt - und dabei auch gleich von facebook gespeichert, was du dir so anschaust.

     

    Dagegen hilft nur das vollständige Sperren aller Kommunikation mit facebook.com - entweder per firewall o.ä. oder auf namensauflösungs-ebene. Unter unixoiden Betriebssystemen (Debian, andere GNU/Linuxe wie Ubuntu, evtl. auch Mac OS X (?) ) geht das, indem man "127.0.0.1 facebook.com" in die Datei '/etc/hosts' einträgt. Wer ganz sicher gehen will, muss jedoch auch noch ein paar weitere Adressen blocken, unter denen facebook so unterwegs ist, eine Auflistung auf http://superuser.com/questions/220696/how-can-i-block-all-facebook-elements-content .

  • F
    Fredson

    Es gibt nur eine schlüssige Konsequenz: Aus Facebook austreten, sofern man noch drin ist.

     

    KEIN MENSCH braucht Facebook wirklich zu ernsthaften, kommunikativen Zwecken. Wer mit einem anderen Menschen kommunizieren will, kann so manche andere Wege auch gehen.

     

    Daher hält sich mein Mitleid mit den armen, armen Usern wirklich in Grenzen...

  • A
    aurorua

    @Gerhard

     

    Sofern Du auch bei Deinem Internetanbieter "anonym" angemeldet bist bzw. die Datenkrake nur öffentlich und anonym (IN-Cafe) nutzt, mag das Sinn machen.

  • B
    Basti

    Würde gerne über das verlinkte Formular die Herausgabe dieser Daten für mich erwirken, aber auf welches Gesetz muss ich mich dabei berufen? Das wird nämlich von fb explizit gefragt...

  • B
    blindguy

    Ich wollte auch gerade dieses Formular ausfüllen, bin aber an "Please cite the law under which you are requesting data:"

    Kann mir da jemand bitte das genau Gesetz benennen, so dass es Facebook akzeptiert? Danke :)

  • G
    Gerhard

    Man muss sich nicht bei dieser Datenkrake mit seinem echten Namen anmelden – ich bin dort unter Pseudonym unterwegs und habe fast nur Freunde, die auch im „richtigen“ Leben meine Freunde und Bekannte sind. „Gefällt-mir-Buttons“ klicke ich nie an – es ist völlig irrelevant, irgendwem mitzuteilen, was gefällt. Einen ”Gefällt-mir-nicht-Knopf“ gibt es auch nicht …

  • I
    IhrName

    Wen interessierts? Facebook-Nutzer offensichtlich nicht, nach all den Negativschlagzeilen sollte es eigentlich auch der letzte verstanden haben. Fazit: Wer noch dabei ist, ist selber schuld.

  • S
    Silvia

    cool oder?ich wurde da sooft wegen meiner vulgären Ausdrücke gelöscht,dass die jetzt alle ganz traurig sind festzustellen,dass man da gar nichts löschen kann-toller Spielplatz,um Pappnasen zu ärgern hahahahaha