Von der Jugendgang zur Mafia: Die Macht der Maras
Sie kifften und dealten in den Armenvierteln von San Salvador. Heute sind die Maras mächtig wie die Mafia. Der Staat setzt das Militär gegen sie ein. Aber die Banden schlagen zurück.
Es war schon dunkel in Mejicanos, einem Vorort der Hauptstadt San Salvador, als die Schießerei begann. Vier Mitglieder der Jugendbande Mara Salvatrucha hatten einen Bus mit Waffen zum Anhalten gezwungen. Zuerst feuerten sie wild auf die Passagiere, dann schütteten sie Benzin in den Innenraum und zündeten es an. Vierzehn Menschen starben. Es war am Abend des 20. Juni 2010.
Die Maras sind längst nicht mehr nur Jugendgangs, sie sind zu einer Mafia, zu einer Bedrohung für den Staat El Salvador geworden. Die linke, ehemalige Guerilla FMLN, die seit 2009 in dem lateinamerikanischen Land regiert, muss das Militär gegen die tätowierten Kriminellen aus den Armenvierteln auf die Straße schicken.
"Sie zeigen ihre Waffen", sagt Henry Campos. „Sie zeigen ihre Macht.“ Campos ist seit eineinhalb Jahren der Sicherheitsminister von El Salvador und sein größtes Problem sind die Maras. Da sind die Salvatrucha, die ihren Namen verballhornend von El Salvador ableiten. Und da ist die Barrio-18 oder B-18, benannt nach einer Straße in Los Angeles.
Seine Regierung hat dem Parlament ein Gesetz vorgelegt, nach dem es ein Verbrechen ist, Mitglied einer Mara zu sein. Viele Jahre Gefängnis drohen, eine Tat muss nicht mehr nachgewiesen werden. Die Maras antworteten auf die Gesetzesinitiative mit dem Massaker von Mejicanos.
Der Sicherheitsminister aber ließ sich nicht einschüchtern. Das Gesetz trat im September in Kraft. Eine Woche später riefen die Maras einen dreitägigen Transportstreik aus. Allein der Handel verlor in diesen drei Tagen 40 Millionen Dollar. Eine Demonstration, wie groß die Macht der Maras mittlerweile geworden ist.
Die erste Generation, das waren Anfang der Neunziger noch Jungs wie Calaca: Sie kamen aus den Armenvierteln von San Salvador, die im Bürgerkrieg durch den Zuzug vieler Flüchtlinge immer größer geworden waren. Siedlungen mit Hütten aus Holz, Wellblech und Karton; stinkende Kloaken ohne Wasseranschluss und Kanalisation.
Mit dreizehn schmiss Calaca die Schule und schloss sich den Salvatruchas an. In gotischen Lettern trug er die Insignien seiner Mara auf der Stirn: MS für Mara Salvatrucha und dazu die Unglückszahl 13. Damals, vor 15 Jahren, lungerte die örtliche Clique auf dem Grundstück eines verfallenen Hauses herum, um Marihuana zu rauchen und Bier und Schnaps zu saufen. Passanten wurden angeschnorrt, Fremde gelegentlich überfallen. Ein paar Messer zum Drohen hatten die Jungs immer dabei und manchmal auch eine "Chimba", eine aus Rohren gebastelte Schrotflinte.
Die Ganze Geschichte über die Maras und viele andere Texte lesen Sie in der sonntaz vom 29./30. Januar 2011. Jetzt mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
Die Salvatruchas herrschten über einige Häuserblocks, die Nachbarschaft gehörte der Bande vom Barrio 18. Irgendwann begannen die Kämpfe um eine Bushaltestelle dazwischen, an der man gut klauen und betteln konnte. Die vom Barrio 18 waren die Härteren. Wenn sie einen Salvatrucha erwischten, verprügelten sie ihn und stachen auf ihn ein. So wurde die Sache ernster. Auch Calaca erstach einmal einen der anderen.
Dann, einige Jahre später, in einem der Gang-Kämpfe, kam er selbst ums Leben.
Wie genau das passiert ist, wie die zweite Generation der Maras zu organisierten Kriminellen wurden und wie sie heute gegen den Staat kämpfen, das erzählt die Ganze Geschichte in der aktuellen sonntaz.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Extremismus bei Alemannia Aachen
Der rechte Flügel