Kommentar Grindels Rücktritt: Stellvertreter eines größeren Problems
Dass DFB-Präsident wegen einer Armbanduhr gehen muss, zeigt dass er nicht das Problem ist. Er ist Symptom der Probleme im Verband.
Wird jetzt alles gut beim Deutschen Fußball-Bund? Ticken die Uhren nun nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel anders? In den letzten Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Problem des weltgrößten Sportverbands Grindel heißt. Aus der Zentrale des DFB in Frankfurt wurde dieses Bild in den letzten Monaten nicht zufällig mit einer Reihe von Indiskretionen unterfüttert.
Fraglos hat der geltungsbedürftige ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Fernsehjournalist in den letzten drei Jahren so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. In Erinnerung wird vor allem sein unsäglicher Umgang mit Mesut Özil bleiben, den er nach dem WM-Ausscheiden im Sommer 2018 an den Pranger stellte und dadurch maßgeblich seinen Rücktritt aus dem Nationalteam mitverantwortete. Die so mühselig in die Gänge gekommene Integrationsarbeit des DFB warf er auf diese Weise um Jahre zurück.
Zum Verhängnis wurde ihm aber nun letztlich eine Armbanduhr im Wert von 6.000 Euro, die er sich von einem ukrainischen Oligarchen schenken ließ. An der Stelle setzt also die Political Correctness des DFB ein. Dieser Umstand offenbart: Grindel ist nicht das Problem im Verband, sondern lediglich Repräsentant eines Problems des Verbands.
Verfehlungen in der korrekten Buchführung werden strenger sanktioniert als Verfehlungen gegenüber der gesellschaftlichen Verantwortung. Die vornehmliche Aufgabe von DFB-Präsidenten ist seit jeher, die Gewinnmaximierung des Profibetriebs, von der auch der Verband profitiert, abzusichern und die wachsende Kluft zum Amateurbetrieb zu moderieren. Alles andere ist Beiwerk. Wenn sich Präsidentschaftskandidaten zur Wahl stellen, fällt stets deren programmatische Inhaltsleere auf. Das wird bei der Kür des Nachfolgers von Grindel nicht anders sein. Zumal traditionell bei der Wahl jede Auseinandersetzung und das Aufstellen eines Gegenkandidaten – erst recht einer Gegenkandidatin – gemieden wird.
Die Textbausteine der Bewerberreden sind stets von der gleichen Substanzlosigkeit. Grindel hat vor drei Jahren angekündigt, den Zusammenhalt zu fördern, die Einheit im Fußball zu leben und dafür zu sorgen, dass der Fußball eine Zukunft hat. Dabei hätten der Skandal um die WM 2006 und ungeklärte Überweisungen nach Katar, über die Grindels Vorgänger Wolfgang Niersbach stürzte, genug Anlass für eine radikale Kehrtwende gegeben. Das System DFB aber scheint krisenresistent zu sein. Wenn etwas schiefläuft, findet sich immer ein anderer, der dafür sorgen will, dass der Fußball eine Zukunft hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich