5 Jahre SchwuZ in Neukölln: Ficken im Club ist auch politisch
Vor fünf Jahren ist der queere Club SchwuZ nach Neukölln gezogen. Das wird jetzt gefeiert: mit Party und Politik.
Im SchwuZ ist es voll, es ist Samstagabend und Jurassica Parka stellt ihren „Popkicker“ auf. Die Party ist zu einer festen Größe in Neukölln geworden, etwa tausend kommen, um unter Einhornflauschdiskokugeln zu feiern.
An so einem Abend wird deutlich, was Paul Schulz vom SchwuZ-Team meint, wenn er vom Ziel einer „queeren Mainstreamparty“ spricht. Hier tanzen Menschen, deren feministisches Selbstverständnis vermutlich irgendwann in den 80er Jahren hängen geblieben sein muss, zusammen mit der 18-Jährigen Theresa, die mit einem freudestrahlenden „Hier kann ich einfach so sein, wie ich will“ in der Abba-grölenden Menge verschwindet. Irgendwo auf den Sitzhockern am Rand wird gevögelt.
„Und das ist auch gut so“, sagt Paul Schulz und läuft schmunzelnd weiter. Er selbst hat im SchwuZ seine ersten schwulen Partyerfahrungen gesammelt, kurz nach der Wende war das, da gab es das SchwuZ noch nicht lange und es war überhaupt eine der wenigen Locations, in denen er offen feiern konnte.
Und das hat sich auch in den letzten fünf Jahren nicht verändert, sagt Schulz, seit das SchwuZ vom Mehringdamm nach Neukölln gezogen ist. Wer hierher kommt, soll einfach eine gute Zeit haben können. Ob zu Madonna oder mit Safer Sex in der Clubecke. „Das SchwuZ ist ein politischer Ort, natürlich. Mehr als ein Club; Party und Diskussion schließt sich ja überhaupt nicht aus – im Gegenteil.“
Viel Anlass für Diskussionen
Szenenwechsel – Freitagvormittag. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht über irgendein Plakat, Wording oder sonst was diskutieren“, stöhnt Paul Schulz lächelnd bei einem kleinen Rundgang im Büro der Berliner SchwuZ GmbH. Erstaunlich unspektakulär sieht es hier aus – Aktenstapel statt überdimensionaler Diskokugeln, keine Einhörner an flauschigen Wänden und vor allem: kein Begrüßungsschnaps. Alles anders als im Club ein paar Straßen weiter.
Manchmal tut ein bisschen Abstand auch ganz gut. Denn Anlass für Diskussionen im SchwuZ-Team gab es in den letzten fünf Jahren viele. Als Rüstungskonzerne und die Bundeswehr im Rahmen einer queeren Jobmesse im SchwuZ zu Gast waren. Als es Rassismus-Vorwürfe gegen Türsteher*innen gab. Als Veranstalter*innen auffiel, dass ein queerer Club ohne Lesbenparty kein queerer Club sein kann. Kurzum: Der Eindruck entstand, aus dem sympathischen, gemeinnützigen SchwuZ-Verein sei ein kommerzorientierter Betrieb entstanden.
Nervenaufreibend, aber befruchtend seien diese Diskussionen, sagt Paul Schulz. Er ist derjenige, bei dem nach jedem Partywochenende die Beschwerden eintrudeln. Schulz ist der PR-Manager des Clubs. „An uns wird der Anspruch gestellt, wir sollen in der Nacht die Gesellschaft verändern. Wir wollen das auch. Wir sind deswegen froh, dass unser Publikum so aware ist, das gibt uns viele Impulse, aber kein Veranstalter und kein Club ist unfehlbar.“ Paul Schulz ist neu im SchwuZ-Team, erst seit vier Monaten dabei, hat also die Zeit des Umzugs und des Umbruchs überwiegend aus der Besuchsperspektive erlebt.
Kein Schutzraum mehr
Auch für viele Besucher*innen hat sich das SchwuZ verändert, seit es in Neukölln zu Hause ist. Nicht immer zum Guten. Das SchwuZ sei heute kein schwuler Schutzraum mehr, sagen vor allem diejenigen, die den Club noch als „Schwules Zentrum“ kennen – ein Name, den die Betreiber*innen heute bewusst vermeiden. Ein queerfeministisches Zentrum zu sein, das ist heute das Selbstverständnis. Heißt auch, das Publikum, das man erreichen will, soll diverser, größer, offener sein.
Wie soll das gehen? Das SchwuZ hat „seine Türen aufgemacht“, wie Schulz sagt. Will sagen: Die Clubbetreiber haben viel genetzwerkt, haben Kooperationen geschlossen mit Organisationen aus der Nachbarschaft, die sich für Geflüchtete einsetzen, haben die Fernsehleute von Arte reingeholt, die seitdem regelmäßig Musiksendungen dort aufzeichnen. Haben die Türpolitik angepasst, um selbst Heteros einen schönen Partyabend zu ermöglichen. „Türkische Muttis mit ihren Kindern“, will Schulz im SchwuZ tanzen gesehen haben.
Das SchwuZ feiert sein Rollberg-Jubiläum mit „High Five! – Cheers Queers“ am Freitag, 16. November ab 20.00 Uhr, Samstag, 17. November ab 23.00 Uhr und Sonntag, 18. November ab 19 Uhr. Mit dabei auch die Polit-Drags von Travestie für Deutschland und Grande Dame Melitta Poppe – in zwei Special-Jubiläumsshows. Ach ja: DJs und Musik gibt’s auch. Die Details gibt’s auf schwuz.de.
Den Namen „SchwuZ“ will das Team trotzdem nicht ändern, obwohl es daran oft Kritik gibt. Weil das ehemals Schwule Zentrum eben heute nicht mehr ausschließlich ein schwules Zentrum ist. Schulz kontert flapsig: „Wir können Raider jetzt natürlich Twix nennen. Das wäre reines Marketing. Entscheidend ist ja, was hinter dem Namen steht. Und das ist inzwischen ein queerfeministisches Konzept.“ Das passt eigentlich nicht zum sonst eher politisch denkenden Betreiberteam des SchwuZ.
Das SchwuZ will ein Ort sein, an dem jede*r sein kann. Eine offene Tür heißt aber auch, dass Rassist*innen ihren Weg ins Publikum finden können, so Schulz. „Wenn tausend Leute im Club feiern, kann ich nicht garantieren, dass da kein Rassist dabei ist. Das kann kein Club leisten. Was wir aber tun können: dafür sorgen, dass diese Leute das SchwuZ verlassen. Und das tun wir.“
Jeder Vorfall wird untersucht
Es ist der schmale Grat zwischen Wir-wollen-dass-alle-Spaß-haben und Die-Scheiße-fliegt-uns-um-die-Ohren. Manches Mal ist es schiefgegangen in den letzten fünf Jahren. Nicht immer ist das SchwuZ-Team direkt schuld. Die Polizeistatistik belegt: Neukölln ist unter den Top-3-Bezirken, in denen es besonders viele homo- und transfeindliche Straftaten gibt. PoC-Künstler*innen und Drags würden die Party-Veranstalter*innen da auch schon mal ins Taxi setzen, damit sie sicher nach Hause kommen, gibt Schulz zu. Auch an jenem Popkicker-Abend.
„Das SchwuZ ist kein Safe Space. Wir bemühen uns aber, einer zu sein. Wir haben den Anspruch, besser zu sein als andere. Und wir haben ein Publikum, das uns permanent darauf hinweist, was wir besser machen können.“
Das ist noch recht diplomatisch formuliert. Wer sich unter Clubgästen umhört, bekommt den Eindruck, fast jede*r hat eine Story zu erzählen, in dem das SchwuZ mal danebengegriffen hat. Einen betrunkenen Gast ohne seine Jacke vor die Tür zu setzen, zum Beispiel. „Wenn man als Club ein politisches Selbstverständnis hat, dann kommt es dabei auch zu Fehlern, Missverständnissen, Dingen, die nicht so gut laufen.“ Jeder Vorfall würde untersucht – aber: Fehlerfreies Nachtleben gibt es – auch im SchwuZ – nicht. Was hilft: Transparenz. Und Diskussion. Die ist im Neuköllner SchwuZ schon zur Tradition geworden, nicht immer freiwillig.
Das Jubiläum feiert das SchwuZ-Team deshalb mit beidem, „Music and Politics“ – das Motto der Party am kommenden Freitag. Es geht los mit einer Diskussion um Genderrollen in den Medien. „Wir sind ein Club geworden, der einerseits dafür da ist, dass möglichst viele Menschen möglichst viel Spaß haben. Und andererseits kann man bei uns politische Themen ansprechen.“ Na denn, Prösterchen.
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