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Kommentar Perspektiven für SyrienKein Frieden ohne Kontrolle

Kommentar von Beate Seel

Längerfristige Ziele für den Frieden in Syrien sind nötig. Es braucht einen Waffenstillstand, der von der UNO überwacht werden muss.

Wenn der Krieg aufhören soll, muss es einen langfristigen Plan geben Foto: dpa

A m Himmel über Syrien ist es dieser Tage ausgesprochen ruhig. In den Provinzen Daraa und Idlib können sich die Menschen auf den Straßen bewegen, ohne einen Angriff syrischer oder russischer Flugzeuge befürchten zu müssen. Dies ist nicht etwa das Ergebnis von US-Präsident Donald Trumps angekündigten Bombenangriffen nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in der Stadt Douma; Trumps Tweets und die damit verbundenen Spekulationen und Diskussionen über einen möglichen US-Angriff genügen.

Wenn also Worte reichen, damit sich die Lage für die syrische Bevölkerung in den betroffenen Gebieten geringfügig bessert, dann bietet es sich an, über die Kontroverse, ob ein militärisches Eingreifen der USA sinnvoll ist oder nicht, hinauszudenken. Natürlich sollten schwere Menschenrechtsverletzungen im syrischen Bürgerkrieg bestraft werden. Aber warum sollten die USA bombardieren, ohne jede Strategie für die Zeit danach?

Es ist an der Zeit, längerfristige Ziele zu entwickeln. Der erste, zugleich auch der wichtigste Schritt wäre, dass die syrischen und russischen Kampfflugzeuge am Boden bleiben und sukzessive ein landesweiter Waffenstillstand ausgerufen wird, im Idealfall mit einem Überwachungs- und Bestrafungsmechanismus der UNO.

Das Prinzip der internationalen Kontrolle ist umso wichtiger, weil die sogenannten Deeskalationszonen, die im September 2017 von Russland, der Türkei und Iran im Rahmen des sogenannten Astana-Prozesses eingerichtet wurden, nie funktioniert haben.

Eine solche Kontrolle setzt außerdem voraus, dass Russland seine bisherige Veto-Politik im UN-Sicherheitsrat aufgibt und Assad bereit ist, die Kämpfe einzustellen. Schließlich hat er die Kontrolle über das syrische Staatsgebiet bereits in weiten Teilen wiedererlangt. Ein Waffenstillstand ist zudem Voraussetzung für vieles andere – von einem einigermaßen normalen Alltag bis hin zu einer Wiederbelebung gesellschaftlicher Initiativen und langfristig dem Beginn eines Prozesses einer nationalen Aussöhnung.

Früher oder später wird es um einen wie auch immer gearteten Friedensprozess gehen. Auch wenn das zurzeit noch utopisch scheint, ist es langfristig die einzige Lösung, die eine Allianz westlicher Demokratien anstreben sollte.

Russland, Teheran und Ankara haben sich in Astana bereits auf einen einheitlichen syrischen Staat geeinigt, der auf dem Prinzip der Machtverteilung zwischen den verschiedenen ethnischen und politischen Gruppen beruht. Der Astana-Gruppe das politische Terrain für ein künftiges Syrien zu überlassen, wäre jedoch ein großer Fehler.

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19 Kommentare

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  • Die Türkei, Iran und Russland haben sich Syrien aufgeteilt. Sie sind die Gewinner. Alle anderen: USA, Saudis, Katar und auch die Kurden haben verloren. Das wollen diese nicht wahrhaben. Dabei ist unklar, wer den Giftgasanschlag verübt oder inszeniert hat. Waren es die Israelis, die den Iran nicht als Nachtbarn haben wollen? Waren es die Saudis, die die USA nicht ziehen lassen wollen? Oder war es der CIA, der den Präsidenten in Zugzwang bringen möchte.

    Die europäischen Politiker sind auf Linie gebracht. Eigenständiges, kritisches Beurteilen der Fakten gibt es nicht.

    In Syrien bilden sich immer neue Konstellationen. Wer hätte geglaubt, dass die Saudi und die Israelis sich verbünden gegen Iran und die Türkei? Mit den Rebellen braucht und soll niemand verhandeln. Denn diese sind zum einen ferngesteuert und zum anderen gewissenslose Killer. Die USA hatten mit Kurdistan zumindest für den Norden eine konstruktive Perspektive. Nach dem diese Erdogan zuliebe aufgegeben worden ist, geht es nur noch um Zerstörung. Man will Iran, Russland und Assad treffen. Das mag mehr oder weniger gelingen, wird aber der Bevölkerung nur noch mehr Elend bringen.

    Trump erreicht mit seiner wahnwitzigen Politik nur eines: Make America small (again). Die USA verlieren massiv an Einfluss und es bilden sich neue Allianzen: Hier sind es Russland, Iran und die Türkei. Woanders sind es Russland und China. Die Tage der USA als mit Abstand größte Supermacht sind gezählt. Andere werden deren Platz einnehmen. Dabei hat aber niemand ein positives Narrativ. Bei den USA mag das häufig auch nur eine vorgetäuschte Moral gewesen sein, um das ruchlose Verfolgen eigener Interessen zu kaschieren. Wenn das nun wegfällt, ist das aber nicht unbedingt besser. Gefährlich kann auch der Abstiegskampf der USA werden. Da sie noch gewohnt sind, die übermächtige Weltmacht zu sein, könnten sie den Bogen überspannen. Das sind gefährliche Zeiten.

  • Niemals werden die Syrer das Assad-Regime weiter akzeptieren.

    Von Frieden kann keine Rede sein.

    • @nzuli sana:

      Na ja, Franco ist dann wohl auch von wütenden Volksmassen gestürzt worden? - Gäbe sicher noch mehr Beispiele dafür, was Menschen zu akzeptieren bereit sind, wenn ihnen eine gewisse Stabilität versprochen wird.

    • @nzuli sana:

      Für wen sprechen Sie? Für alle Syrer?Ich lach mich schlapp! Hochmut kommt vor dem Fall!

      • @LinkerRealist:

        Vom sicheren Deutschland aus ist es leicht andere aufzufordern, in den Tod zu gehen.

      • 8G
        81622 (Profil gelöscht)
        @LinkerRealist:

        Hätten sie sich auch "schlapp gelacht", wenn Antifaschisten nicht mehr unter Hintler hätten leben wollen? Ihr Zynismus wird an der Realität nichts ändern, dass Assad, der Massenmörder nach den Haag kommt.

        • @81622 (Profil gelöscht):

          Ist es nicht zynischer, wenn NZULI SANA aus sicherer Entfernung immer wieder zum Kampf aufruft?

          • 8G
            81622 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Er ruft nicht zum Krieg auf, sondern konstatiert nur, dass viele der Syrer Assad als Präsident nach Massenmord und Vertreibung niemals akzeptieren werden, was verständlich ist...nur ohne Assad ist eine Rückkehr vieler Akademiker denkbar. Das hat nichts mit Krieg zu tun, sondern mit Realismus. So lange Assad und sein Clan an der Macht ist, wird Syrien nie zur Ruhe kommen. Deshalb der Vergleich mit Hitlerdeutschlsnd.

            • @81622 (Profil gelöscht):

              "Er ruft nicht zum Krieg auf..."

               

              "Von Frieden kann keine Rede sein."

               

              Das klingt nach Krieg.

               

              Außerdem sollte man nicht so tun, als wäre die Alternative wirklich gut. Nach IS & Co. ist es pragmatisch, sich zu arrangieren. Und es ist ja nicht so, dass er keine Anhänger hat.

               

              Natürlich werden viele wegbleiben. Aber es wird auch genug geben, die lieber unter ihn, als weiter im Krieg leben wollen. Nicht alle Menschen sind begeisterte Revolutionäre. Das wird gern vergessen.

               

              PS: Weil Sie so gern mit Hitler vergleichen. Auch dort haben sich die Meisten arrangiert.

    • @nzuli sana:

      Also Krieg bis alle Syrer tot sind?

       

      Kommen Sie endlich in der Realität an. Der Krieg ist entschieden. Ihn sinnlos zu verlängern, ist ein Verbrechen.

       

      Dazu kommt, dass die mit Abstand stärksten Alternativen zu Assad so anheimelnde Namen wie "Armee des Islam" tragen. Unter diesen Umständen ist Assad erst einmal das geringere Übel.

       

      Aber natürlich wird er nicht ewig herrschen. Die Syrer werden einen günstigeren Zeitpunkt finden, ihn loszuwerden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wir erinnern uns, dass genau zu dem Zeitpunkt, als Assad Reformen und mehr Freiheiten ankündigte und diesbezüglich in Verhandlung mit der autochthonen Opposition stand, wie aus heiterem Himmel die Protesteaktionen der Mietrevolutionäre von OTPOR/CANVAS das Land überzogen und gleich die islamistischen "Rebellen" und deren Waffen im Schlepptau hatten.

         

        Um irgendeine tragfähige Zukunft für Syrien zu entwickeln, müssen alle wieder mindestens zu diesem Zeitpunkt zurück. Wenn Assad der reformunfähige irre Schlächter ist, als der er hier immer dargestellt wird, dürfte er sich allemal nicht mehr lange halten können. Ihn aber einfach zu elimieren könnte nach hinten losgehen, denn ob man’s glaubt oder nicht, ist der größte Teil der Menschen in Syrien mit der Politik der Baath-Partei einverstanden und steht hinter Regierung und Armee.

         

        Bisher ging jeder Regime Change der westlichen Wertegemeinschaft im Chaos unter, insbesondere in islamischen Ländern. Wie will man denn später vor der Geschichte dastehen, wenn man sich für inzwischen Millionen Tote in Afghanistan, Irak, Jemen, Syrien usw. damit rechtfertigen muss, dass man das alles ja nur für "Das Gute" getan hat, während alle diese Länder weiterhin in Chaos und Elend vor sich hin dümpeln und es täglich weitere Tote gibt?

         

        In der Nazizeit wurden Berichte über die KZs im Ausland jahrelang gar nicht ernst genommen, obwohl es tatsächliche Beweise gab. Heute werden Kriege gestartet aufgrund von Mutmaßungen und parteiischen Zeugenaussagen, Beweise überflüssig. Gemeinsame Alliiertenkonferenzen? Überflüssig! Kritische Medien? Alle gleichgeschaltet, sogar freiwillig in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem transatlantischem Bündnis.

         

        Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die politischen Entscheidungsträger und anhängige JournalistInnen sind zu einer dubiosen Psychosekte konvertiert, welche den Sinn vernebelt und den freien Willen verbietet.

         

        An die Fissers und Jung-Hecklers: Ich meine alle Parteien, also auch euer Hassobjekt Putin!

        • 8G
          81622 (Profil gelöscht)
          @Khaled Chaabouté:

          Kennen Sie das Foltergefängnis Sednaja, in dem über 15.000 Menschen zu Tode gefoltert wurden? Lesen Sie die Berichte der UN, AI, HRW zu schwersten Kriegsverbrechen des Regimes? Den Schlächter Assad als reformwilligen Präsidenten hinzustellen, der von seinem Volk geliebt wird, ist ein plumper Versuch, den Terror des Regimes relativieren und diesen Typen reinzuwaschen zu wollen. Assad und sein Mafia Clan haben sich auf Kosten des Volkes bereichert und dabei das Land zerstört und Russland ausgehändigt. Er ist nur noch eine Marionette Putins und des Iran; seine Armee besteht mehrheitlich aus russischen, iranischen und Hizbolla Söldnern. Assad wird früher oder später in Den Haag hinter Gittern landen oder schon früher ein böses Ende nehmen. Ihre Meinung reflektiert die Linie der AFD und sonstiger faschistischer Parteien Europas, die von Putin unterstützt werden. Da schließt sich der Kreis.

          • @81622 (Profil gelöscht):

            "Kennen Sie das Foltergefängnis Sednaja, in dem über 15.000 Menschen zu Tode gefoltert wurden?"

             

            War das das Gefängnis, in welches die cia Gefangene zur "Spezialbehandlung" geschickt hat?

        • 8G
          81622 (Profil gelöscht)
          @Khaled Chaabouté:

          "Wir haben den Beweis, dass (...) Chemiewaffen verwendet wurden, zumindest Chlor, und dass sie vom Regime von Baschar al-Assad verwendet wurden", sagte Macron dem Sender TF1.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Syrien: "Syrien (amtlich Arabische Republik Syrien, arabisch الجمهورية العربية السورية al-Dschumhūriyya al-ʿarabiyya as-sūriyya) ist ein Staat in Vorderasien".

  • "Es ist an der Zeit, längerfristige Ziele zu entwickeln. Der erste, zugleich auch der wichtigste Schritt wäre, dass die syrischen und russischen Kampfflugzeuge am Boden bleiben und sukzessive ein landesweiter Waffenstillstand ausgerufen wird, im Idealfall mit einem Überwachungs- und Bestrafungsmechanismus der UNO."

     

    Wovon träumen Sie eigentlich nachts, Frau Steel? Assad hat gerade eine der letzten großen Gruppierungen seiner Gegner zerschlagen. Mit wem soll er da verhandeln? Mit den kümmerlichen Resten der "Rebellen"? Ihre Vorschläge hätten Sie vor ein paar Jahren machen müssen. Jetzt ist der Zug abgefahren. Im größten Teil Syriens schweigen schon die Waffen. Weil er erobert ist.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Im größten Teil Syriens schweigen schon die Waffen"

       

      Was wohl einigen Leuten nicht passt.

  • "der auf dem Prinzip der Machtverteilung zwischen den verschiedenen ethnischen und politischen Gruppen beruht", bin ich der einzige, den das irgendwie an den Libanon erinnert?