Die Schulreform verfehlte ihre Ziele: Ärmere bleiben dümmer

Eine Expertenkommission findet den Bremer Schulfrieden gut. Die SchülerInnen sind aber nicht besser geworden, auch die soziale Ungleichheit ist stabil.

Welchen Schulerfolg ein Kind hat, hängt in Bremen stark vom Elternhaus ab Foto: DPA

BREMEN taz | Den Schulfrieden stellt mittlerweile kaum noch einer infrage. Es gibt aber auch wenig Anlass dazu: Das ist das Ergebnis einer am Montag vorgestellten wissenschaftlichen Evaluation. Die Expertenkommission – sechs ProfessorInnen aus dem gesamten Bundesgebiet – empfiehlt, das System aus Oberschulen und Gymnasien beizubehalten. Damit sei ein „zukunftsfähiger und modernisierungsoffener Rahmen geschaffen worden“, so das Fazit nach eineinhalb Jahren Arbeit.

2008 haben sich SPD, CDU und die Grünen auf ein zehnjähriges Stillhalte-Abkommen verständigt. Es sollte die jahrelangen Grabenkämpfe in der Bildungspolitik beenden und die durch mal großkoalitionäre, mal rot-grüne Reformen zersplitterte Schullandschaft einen. Die sechsjährigen Grundschulen fielen dem zum Opfer, dafür bekamen die acht Gymnasien eine Bestandsgarantie. Die übrigen weiterführenden Schulen wurden zu Oberschulen. Die Idee: Wer in der fünften Klasse nicht aufs Gymnasium wollte, sollte dennoch auf seiner Schule Abi machen können.

Die Fusion der nicht-gymnasialen Schularten werde von der „übergroßen Mehrheit“ der SchulleiterInnen „positiv bewertet“, fanden die ForscherInnen heraus, auch die Inklusion als solches sei „in hohem Maße akzeptiert“. Das Problem ist die Umsetzung: Die Schulen klagen „durchweg“ über eine „hohe inklusionsbedingte Belastung“ und bemängelten „Defizite in der räumlichen, materiellen und personellen Ausstattung“.

Hier will die Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) „nachsteuern“ und die Anstrengungen für SchülerInnen mit Unterstützungsbedarf „verstärken“ – konkrete Ankündigungen blieben aber aus. Die Leistungen der SchülerInnen sind seit der Schulreform nicht schlechter geworden, was „nicht selbstverständlich“ sei, findet die Senatorin. Die Neuntklässler waren laut der Evaluation in Deutsch 2009 ähnlich gut wie 2015, in Englisch sogar etwas besser – letzteres aber entspricht dem Bundestrend. Es sei „unrealistisch“ zu erwarten, dass die Strukturreform sich positiv auf Ergebnisse der SchülerInnen auswirke, sagt Kai Maaz, der Sprecher der Expertengruppe.

„Überwiegend konstant geblieben“ sei auch „das Ausmaß sozialer und migrationsbedingter Ungleichheiten“, stellten die ExpertInnen fest: SchülerInnen aus weniger privilegierten Elternhäusern machen nach wie vor seltener Abitur. Und sie erzielen bei den Kompetenztests „gleichbleibend schwächere Ergebnisse“, sagen die ForscherInnen. Die Leistungsvergleiche zeigten, dass zu viele SchülerInnen „noch nicht einmal die Mindeststandards in den Fächern erreichen“, sagt Bogedan. „Das kann und darf nicht sein.“ Es ist aber so: „Herkunftsbezogene Bildungsungleichheiten zählen weiterhin zu einem der drängendsten Probleme“, bilanziert die Studie.

Nach Meinung der Linkspartei zeigt der Evaluationsbericht „deutlich, dass das wesentliche Ziel der Oberschule noch nicht erreicht wurde“ – die Abi­turquote von Kindern aus sozial benachteiligten Elternhäusern habe nicht erhöht werden können. „Insgesamt ist es nicht gelungen, die Qualität des Bremer Bildungssystems zu steigern“, kritisiert Fraktionschefin Kristina Vogt. Die FDP resümiert: „Unter Rot-Grün stagniert die Bildung auf schlechtem Niveau.“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kam in einer eigenen Analyse jüngst zu dem Ergebnis: „Die Oberschule wird dem Anspruch, eine Schule für alle Kinder und Jugendlichen zu sein, nicht gerecht.“ Die GEW propagierte deshalb die einst auch von SPD und Grünen geforderte „Schule für Alle“. Dem erteilt Bogedan gestern eine klare Absage. Das sei allenfalls eine „Idealvorstellung“, so die SPD-Politikerin.

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