piwik no script img

Venezuela fast zahlungsunfähigLeere Supermärkte und Apotheken

Für die Regierung in Caracas wird es immer schwieriger, neue Kredite zu bekommen. Auch die Sanktionen der US-Regierung greifen langsam.

Alles leer: Supermarktregale in Venezuela Foto: reuters

Buenos Aires taz | Über Venezuela kreisen die Pleitegeier. Am Freitag konnte das Land gerade nochmal seine Zahlungsunfähigkeit abwenden, indem es auf den letzten Drücker damit begann, knapp 850 Millionen Dollar an fälligen Verbindlichkeiten zu tilgen. Doch die Geier kreisen weiter. Kommenden Donnerstag werden weitere 1,2 Milliarden Dollar fällig.

Für die Regierung in Caracas wird es immer schwieriger, neue Kredite zu bekommen. Zudem greifen die Sanktionen, die vor einigen Monaten von der US-Regierung gegen Venezuela verhängt wurden. So wurde der Handel mit neuen venezolanischen Wertpapieren verboten, Geschäfte mit venezolanischen Firmen und Privatpersonen sind nur noch eingeschränkt möglich. Umschuldungsverhandlungen mit dem Ziel, alte Anleihen durch neue zu tauschen, sind damit ein Riegel vorgeschoben.

Bis Ende 2018 müssen rund 13 Milliarden Dollar aufgebracht werden, um Kredite und Zinsen zurückzuzahlen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um rein staatliche Verbindlichkeiten oder Verbindlichkeiten der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA handelt. Nach Angaben der Zentralbank beträgt die Verschuldung insgesamt rund 220 Milliarden Dollar. Sie selbst verfügt noch über eine Reserve von knapp 10 Milliarden Dollar, wovon ein Großteil nicht flüssig, sondern in Form von Goldbarren eingelagert ist.

Um ihre Schulden bedienen zu können, drosselt die Regierung seit Jahren die Ausgaben für die Importe. Wurden 2012 noch Waren im Wert von 70 Milliarden Dollar eingeführt, sind es laut der unabhängigen venezolanischen Agentur Ecoanalítica bis Jahresende nur noch Waren für rund 12,5 Milliarden Dollar. Diese Zahlen bedeuten leere Regale in Supermärkten und Apotheken. Dabei ist Venezuela auf Nahrungsmittelimporte angewiesen.

Humanitäre Katastrophe

Zudem schätzt der nationale Pharmaverband, dass rund 80 Prozent der nötigen Arzneimittel nicht mehr zu haben sind. Antibiotika und Impfstoffe sind so gut wie nicht mehr zu bekommen. „Mit der jetzigen Zahlung der Schulden wird die soziale Schuld nicht getilgt, die gegenüber einer verhungernden Bevölkerung besteht, die von Krankheiten heimgesucht wird und ohne Hoffnung ist“, kritisiert der Oppositionsabgeordnete José Guerra die am Freitag begonnen Überweisungen an die US-Bank J.P. Morgan. Schon seit Langem hat sich der Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten in eine humanitäre Katastrophe verwandelt, deren Ende so unabsehbar ist wie die alltäglichen Schlangen vor den Supers und Farmacias.

Um ihre Schulden bedienen zu können, drosselt die Regierungseit Jahren die Ausgaben für die Importe

Dass das Land mit den weltweit größten Ölreserven am Rand der Pleite steht, ist nicht nur dem dramatischen Verfall des internationalen Ölpreises seit 2014 geschuldet. Zwar produziert die staatliche PDVSA zwei Millionen Fass Öl täglich, aber vor 20 Jahren waren es noch rund drei Millionen. Statt die Förderung zu erhöhen, ist sie seit Jahren rückläufig. Die Gründe sind in den ausbleibenden Investitionen und der mangelnden Wartung der Anlagen und Bohrlöcher zu finden. Einmal geschlossen oder vernachlässigt, sind die Förderquellen nur schwer oder sehr langsam wiederzugewinnen.

Möglicherweise hat diesmal die Deutsche Bank der Regierung in Caracas finanziell unter die Arme gegriffen. Aus Frankfurt sollen rund 1,2 Milliarden Dollar geflossen sein, berichtet die Agentur Reuters. Dafür habe die Zentralbank in Caracas Goldbarren im Wert von 1,7 Milliarden Dollar als Pfand hinterlegt. Die restlichen 500 Millionen sollen demnächst noch fließen, heißt es. Doch Deutsche Bank und Zentralbank hüllen sich in Schweigen, so die Nachrichtenagentur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Ave und beim Jupiter!

     

    Übrigens, nettes kleines Unternehmen haben Sie da. Mein großartiger chavinistischer Neffe braucht noch einen ihm angemessenen Job als Geschäftsführer. Ihr Betrieb ist hiermit verstaatlicht. Sie können als Vize-Geschäftsführer die anfallende Arbeit weiter erledigen. Die Betriebsrichtlinien bestimmt aber jetzt ein chavinistischer Rat, den wir noch einsetzen werden. Genau: der wird auch aus Betriebseinkünften bezahlt. Bis Neffe und Rat den Betrieb gegen die Wand gefahren haben. Natürlich sind die USA daran schuld. Mit ihrem geheimen CIA-Toilettenpapierkommando. Bzw. "selbstgerechten Journalisten". Klaro. Parlamentswahlen mit 2/3 Mehrheit gegen Chavinisten? Ignorieren wir einfach.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @minato:

      Warum sollten kooperativ geführte Betriebe in Arbeinehmerhand nicht funktionieren? Hat denn irgendein hochentwickeltes Land, wie z.B. Deutschland, den Chavistas beim Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft geholfen? Know how zur Verfügung gestellt? Partnerschaften in Forschung und Entwicklung aufgestellt, damit das Experiment einer sozialen antikapitalistischen Wirtschaft gelingen kann?

  • Warum gelingt es dem Land nicht, eigene Lebensmittel herzustellen? Warum gibt es z.B. keine Milchwirtschaft?

    Russland hat das geschafft, auf die Sanktionen wurde mit dem Aufbau einer eigenen, kompletten Lebensmittelindustrie begonnen.

  • Wieso darf man nicht erfahren, ob aus Deutschland finanziell geholfen wurde? Was ist mit den chinesischen Beteiligungen an Ölförderung und Raffinierien?

  • Die Theorien von Marx / Engels / Lenin klangen gut, aber bestanden nirgends auf Dauer den Praxistest. Denn in allen Staaten, in denen sich die Herrschenden auf Marx, etc. beriefen, hatten die Menschen mit den gleichen Risiken und Nebenwirkungen im täglichen Leben zu kämpfen, wie sie auch gewesene DDR-Bürger noch kannten. Das (vorläufig) letzte Beispiel ist Venezuela. Um ein Land mit den größten Erdölreserven der Welt vor die Wand zu fahren, bedurfte es schon des „Sozialismus des 21. Jh.“ (Chavez). Da hilft auch nicht die Ausrede: „Gut gedacht – schlecht gemacht“. Also liegt der Fehler im System!

     

    Und China, das neuerdings erfolgreichste „kommunistische“ Land, erreicht seinen Erfolg nur mit neoliberalen Rezepten: In einer „kommunistischen“ Verpackung steckt ein knallharter kapitalistischer Kern. Vom gehabten „Kommunismus“ sind nur die Allmacht des Staatsapparates und seiner Sicherheitsorgane, sowie die weitgehende Unterdrückung jeglicher Opposition geblieben!

     

    Falls sich also Weltverbesserer daran machen, eine Alternative für den Kapitalismus des 21. Jh. zu finden, dann sollten sie uns bitteschön nicht herrliche Zeiten vorschwärmen, die uns nach einem „Systemwechsel“ bevorstünden. Denn damit würden nur Erwartungen geweckt, die sich auf Dauer nicht erfüllen lassen.

    Es sollte zuerst eine gründliche Folgen-Abschätzung vorgenommen und eine Art „Ausstiegsklausel“ vorgesehen werden, falls eben doch nicht alles so läuft, wie gedacht. Damit sich nicht erst wieder das Volk erheben muss, wie 1989 in der DDR oder jetzt in Venezuela, um einen jahrelangen, misslungenen „Feldversuch“ zu beenden!

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Lassen wir mal Lenin beiseite, Marx und Engels haben nie ein fertiges Gesellschaftsmodell geliefert, das ist gleichzeitig ihre Stärke und ihre Schwäche. Die Stärke besteht darin, dass man den Sozialismus ständig neu erfinden kann, die Schwäche ist, dass diese Theorien vereinfacht und missbraucht werden. Nordkorea hätte nie die Zustimmung von Marx und Engels erhalten und zu Venezuela hätte der Rauschebart auch einiges zu meckern gehabt.

  • Was in Venezuela vor sich geht, ist schlichtweg internationales Mobbing!

     

    Erst blendet man die Weltöffentlichkeit mit den seit Chile bekannten Kochtopfdemonstrationen der Reichen, dann entsendet man zusätzlich die bewährten OTPOR/CANVAS-Mietrevolutionäre und feiert die gewalttätigen Übergriffe der rechtskonservativ orientierten Demonstranten als demokratische Opposition.

     

    Die taz tat sich hier in Sprachduktus und Wortwahl ganz besonders hervor: Geschickt formulierte Konjunktivsätze, anekdotische Evidenz und dazu Argumentationskonstruktionen wie "die Wahlen wurden von der Opposition boykottiert und ergo nicht anerkannt, somit sind sie nichtig".

     

    Differenzierte Kritik, womöglich von volkswirtschaftlicher Sachkenntnis unterfüttert, hat bei all den Pauschalismen längst keinen Platz mehr. Es ist dem westlichen Bündnis leider durchaus möglich, einen Staat, der zu denjenigen mit den international größten Erdölvorkommen gehört, soweit zu drangsalieren, dass er mit dem Rücken zur Wand steht, wo ihn die Meute dann so lange weiter bedrängt, bis er den ersten Fehler macht, der dann natürlich hämisch aufgegriffen wird.

     

    An die Menschen im Land denkt von den selbstgerechten Journalisten der westlichen Wertegemeinschaft und ihre Epigonen von der Sofa-Kommentatorenfront niemand, dabei zeigt sich doch überall in Lateinamerika, dass der Backlash von linken Regierungen hin zu neoliberalen Marionetten, die Länder wieder in Elend und Chaos stürzen lässt und die zuvor kritisierte Korruption erst recht fröhlich Urständ feiert und nur die eh schon Reichen weiter profitieren.

  • wenns um venezuela geht ist die taz auf dem linken auge blind

  • Da sollte man doch mal fragen, ob die Sanktionen gerechtfertigt und zielführend sind. Wer sich nicht den Interessen der USA willfähig beugt wird sanktioniert. Von Anfang an haben zudem Großindustrielle in Venezuela künstlich Knappheit für Waren erzeugt, wo sie ein Oligopol hatten - wie z.B. Toilettenpapier. Nun greifen die Sanktionen so, dass lebensnotwendige Importe nicht mehr möglich sind. Ist das der Schutz der Menschenrechte, für den die USA angeblich stehen? Dabei sind die Sanktionen kein Werk des wild um sich schlagenden Trumps, wurden aber unter ihm deutlich veschärft.

    Der Titel verschleiert die Zusammenhänge. Es ist nicht so, als ob es eine Schuldenkrise in Venezuela gäbe und dann die Sanktionen noch dazu kämen. Vielmehr wurde die Schuldenkrise durch die Sanktionen gezielt herbeigeführt. Für eine linke Zeitung ist es erstaunlich wie wenig hier der Zusammenhang zwischen imperialistischer Sanktionspolitik und humanitärer Katastrophe Beachtung findet.

    • @Velofisch:

      Der 'Untergang' linker Politik wird weniger durch reaktionäre Imperialisten denn durch die konsequente kognitive Ignoranz ökonomischer Grundlagen; wer die Entwicklung lange genug mit beobachtet hat kann wissen, dass die Weichen Richtung Abgrund bereits Chavec selbstgestellt hatte.

      Aber scheinbar gefällt sich sich das anachronsitische Linksmiljöh mehr in der märtyrerhaften Opferrollestatt dazu zu lernen.

      Es muss ja nicht das krasse chinesische Beispiel sein...

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Vidocq:

        Die anderen kapitalistischen Länder Lateinamerikas machen vor, wie es geht, deswegen haben viele Menschen in Lateinamerika nur eins im Sinn: Nichts wie weg zu Uncle Sam, der dann eine Mauer baut, weil er diese Hungerleider nicht haben will . Wer kritisiert denn schon die Wirtschafts-und Sozialpolitik von Mexico, Brasilen, Argentinien, Chile usw... Ist ja alles Ok, solange die Armee die Favellas halbwegs unter Kontrolle hat. Und die USA, nein niemals, haben die irgendetwas manipuliert, niemals haben die irgendwo eingegriffen, ist alles immer sauber unter Beachtung der Menschenrechte. Und ans venezuleanische Öl wollen die auch nicht, claro hombre.