Illegale Geschäfte mit Konzertkarten: Keine Macht dem Ticket-Schwarzmarkt
Der Schwarzmarkt für Tickets ist für die Musikbranche ein großes Problem. Was dagegen zu tun ist, diskutieren Fachleute beim Reeperbahnfestival.
![](https://taz.de/picture/2275051/14/ToteHosen_DPA.jpeg)
Der Schwarzmarkt – oder, je nach Sichtweise, Zweitmarkt – für Konzerttickets boomt. Schwarzmarkthändler benutzen Fake-Adressen, Bots und Strohmänner bei Veranstaltern, um an viele begehrte Tickets zu kommen. So umgehen sie festgelegte Kontingente. Anschließend bieten sie sie auf Plattformen wie viagogo, eBay oder stubhub oft um ein Vielfaches verteuert an. Ein Händler, der sich Wim Bledon nennt, rühmt sich beim Radiosender N-Joy, er würde mit dem Geschäft im Monat eine fünfstellige Summe verdienen.
Da sich in der Musikindustrie zunehmend und überwiegend mit Liveauftritten Geld verdienen lässt, ist den Künstlern und Verbänden der Schwarzmarkthandel ein Dorn im Auge. Unter anderem darüber wird auf der Reeperbahnfestival-Konferenz vom 20. bis 23. 9 diskutiert. Dort treffen sich rund 4.400 Fachleute aus der Musik- und Digitalwirtschaft aus über vierzig Nationen. Über das Ticket-Problem wird zum Beispiel bei dem Panel „Das Darknet für Tickets – Die Industrialisierung des Schwarzmarkts“ gesprochen.
Einer der „Speaker“ ist Kiki Ressler von Kikis Kleinem Tourneeservice aus Berlin: „Wenn man Bands wie zum Beispiel die Toten Hosen vertritt, die sozial verträgliche Eintrittspreise machen will, und die Tickets kurz nach dem Verkauf für das Zwei- bis Fünffache online angeboten sieht, dann ist das extrem frustrierend“, sagt er.
Außerdem würden die kleinen Clubs und Bands unter der Dynamik leiden. Für die Top-Acts gäben die Leute große Summen aus, die seien immer ausverkauft. Aber zu den Kleinen gehe man dann unter Umständen nicht mehr, weil man das Geld für die Großen ausgegeben hat.
Johannes Ulbricht vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (BDV), einem der zwei großen Verbände in der Musikbranche in Deutschland, saß in den vergangenen Jahren ebenfalls bei der Reeperbahnfestival-Konferenz auf dem Podium. Er nennt weitere Probleme des Ticket-Schwarzmarkts: Zum einen würden mit den Schwarzhändlern Leute Geld abschöpfen, die überhaupt nichts für die Produktion der Kunst getan hätten. Zum anderen würden auf den Zweitplattformen wie viagogo oft gefälschte Tickets verkauft.
Viagogo sehe auf den ersten Blick wie ein seriöser Tickethändler aus. Kunden ließen sich davon täuschen, meint Ulbricht. „Es muss sich einfach rumsprechen, dass viagogo totale Abzocke ist“, sagt er. „Wenn die Leute wissen, dass das kein offizieller Ticketmarkt ist, dann ist das okay. Aber sie müssen wissen, welches Risiko sie eingehen.“
Verschiedene Maßnahmen gegen den Schwarzmarkthandel scheiterten bisher überwiegend. Kontingente werden wie oben beschrieben umgangen. Tickets, die gesperrt wurden, weil man sie online mit entsprechender Platzangabe entdeckt hat, trafen die Falschen, da die Platzangabe vor dem Weiterverkauf mit Photoshop verändert wurde. Als viagogo 2012 seinen Sitz noch in Amsterdam hatte, hätte Kiki Ressler einmal mit einer einstweiligen Verfügung, Tourtickets auf der Plattform anzubieten, Erfolg gehabt. Doch jetzt habe viagogo seinen Sitz in Zürich. „Da kommt die Klage erst durch, wenn die Tournee schon vorbei ist“, sagt Ressler.
Der Markt regelt es nicht
Ressler ist von der Politik enttäuscht. „Die sagt: ‚Der Markt regelt das alles von selbst.‘ Das ist so ein Quatsch!“, sagt er. Dann würden die Tickets halt schnell nur noch zwei bis dreihundert Euro kosten. Ob man das wirklich wolle? Außerdem würden die Verbände, unter anderem Ulbrichts BDV, versagen. Sie agierten nur halbherzig. Er fordert, dass der Weiterverkauf von Tickets strafbar gemacht wird. „Frankreich ist da ein super Beispiel“, sagt er. Ein Ticket sei dort wie ein Wertpapier. Auf den nicht autorisierten Weiterverkauf stehen Strafen bis zu 15.000 Euro.
Ulbricht sieht das ganz anders. Er glaubt nicht, dass das Strafrecht eine Lösung bringen kann. „Das ist häufig ein Placebo: Knall Strafbarkeit drauf und die Sache ist gelöst. Davon bin ich kein Freund“, sagt er. Er verweist auf die französische Seite von viagogo, auf der immer noch Tickets angeboten werden. „Es gibt viele Dinge, die verboten sind, aber nicht funktionieren, zum Beispiel Online-Glücksspielkasinos“, sagt er. Gleichzeitig gesteht er ein, dass es für sie als Verband unangenehm sei, dass sie bisher keine befriedigende Lösung anbieten können.
Ulbricht setzt dennoch im Gegensatz zu Ressler ganz auf ausgeweitete Ticket-Personalisierung. Das habe zuletzt bei Ed Sheeran und Metallica hervorragend funktioniert. Andere müssten da jetzt nachziehen. Klar, wenn Tausende Leute in kurzer Zeit in eine Halle gelassen werden müssen, sei es schwer, jeden mit dem Personalausweis zu kontrollieren. Das gehe manchmal noch schief. Aber „allein das Risiko, dass ich nicht reinkomme, hält mich davon ab, viel Geld auf dem Zweitmarkt für ein Ticket zu bezahlen“, sagt er. Und gerade bei kleineren Veranstaltung seien die Kontrollen einfacher.
Doch manche Bands und deren angestammten Fans wollen keine sogenannte „harte Personalisierung“, wo schon beim Kauf der Name des Konzertgängers angegeben werden muss. Das erschwert zum Beispiel das Verschenken von Tickets. Darum gibt es auf der Ticketseite der Toten Hosen zum Beispiel nur eine „softe“ Personalisierung. Vor dem Ticketkauf muss man ein Feld anklicken, mit dem man beteuert, das Ticket nicht überteuert weiterzuverkaufen. Erst damit seien Unterlassungsklagen möglich, sagt Ressler.
Welche Vorschläge werden zu einer Entspannung auf dem überhitzten Ticketmarkt führen? Vielleicht liefert die Reeperbahnfestival-Konferenz ja neue Erkenntnisse.
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