Die Band des CDU-Generalsekretärs: Früher war Peter ein Punk
Bevor CDUler Peter Tauber in die Politik ging, spielte er in der Punkband „Persuasive“ – und sang von Weltfrieden und Zahnärzten.
„Why being soldiers of war? Fight for your rights and for peace“, fordern zwei dünne Stimmen 1990 auf dem Tape „Krach im Takt“. Die unentschlossen zwischen Deutschpunk, Blues-Schema und Deep-Purple-Coverband hin und her springende Band Persuasive aus dem hessischen Wächtersbach blickt besorgt auf die Konflikte im Nahen Osten: „Once you called these people friends, today you’re fighting against them.“ Ihre Lösung für die damalige Weltlage: ein „Soldier of Peace“.
Eine der beiden Stimmen gehört dem 16-jährigen Peter Tauber, der ebenso wie seine Mitmusiker Christian, Lutz und Timm von den sich überschlagenden politischen Ereignissen seit dem Mauerfall überfordert scheint und dieser Überforderung in wütenden Songs Luft macht. Neben eskapistischen Ausflügen in gerade im Gitarrenunterricht neu erlernte Bluesrock-Soli und der unvermeidlichen „Smoke on the Water“-Coverversion stechen neben „Soldier of Peace“ – ein prophetischer Text des CDU-Generalsekretärs und Oberleutnants der Reserve zum Thema „Auslandseinsätze der Bundeswehr“ – vor allem zwei Songs heraus: „Zahnarzt“ und „Hans“.
Das am deutlichsten in einer Deutschpunk-Tradition verortete „Zahnarzt“ fasst noch einmal die allumfassende Kalte-Kriegs-Angst der Achtziger zusammen und überträgt die Paranoia auf die eigene Lebenswelt: „Die Folterkammer ruft und jetzt bist du dran … Schon hörst du den Bohrer, du kriegst es mit der Angst. Doch sie haben dich festgeschnallt und du fängst an zu schreien.“
Diese Folterfantasie korrespondiert mit dem zweigeteilten Song „Hans“, in der Textbeilage auch mit „Hans auf ’nem Grenzturm“ betitelt. Im ersten Teil des mit punkig verzerrten Gitarren und zweistimmigem Gesang unterlegten Tracks wird die Kindheit und frühe Jugend von Hans beschreiben, der in der DDR lebt und durch einen Brieffreund in der BRD von den dortigen Konsumgütern erfährt: „Kompaktanlage, Videorekorder und vieles mehr“. Voller Neid wächst Hans auf, hinterfragt zwar auch kritisch den westlichen Luxus – „Wir könnten auch leben ohne diesen Luxus, Kompaktanlage und auch vieles mehr“ –, doch die Zweifel, in der besten aller Welten zu leben, bleiben.
Die Kassette „Krach im Takt“ von Persuasive erscheint im Ventil Verlag neu. Jonas Engelmann ist selbst Verlagsmitarbeiter.
Es folgt ein Basssolo von Peter Tauber und als letzter Song des Tapes die Fortsetzung von Hans’Leben. Er ist erwachsen geworden, musste in der Volksarmee dienen, die „ihn zurechtgetrimmt“ und ihm so jeden Zweifel am politischen System genommen hat: „Hans ist jetzt zufrieden mit allem, was er hat. Er ist ein guter Sozialist im Sinne seines Staats.“ Auf dem Grenzturm, ausgestattet mit einem Schießbefehl, holt ihn sein Gewissen ein: „Er wollte ihn nicht töten, nein, das wollt er nicht. Dann wird er zum Stasi (sic!) nach Berlin gebracht. Er denkt dauernd: ‚Was hab ich nur gemacht?‘ “
Die DDR war der Teufel, gewonnen haben „Kompaktanlage, Videorekorder und vieles mehr“. Persuasive können ihr Glück kaum fassen, nur dem Zahnarzt, nicht aber den Stasi-Folterknästen ausgesetzt gewesen zu sein. Zwar kokettierte Peter Tauber in einem Interview mit der Bild-Zeitung mit seiner Punkvergangenheit („Politik braucht mehr Punk“), politisch sind Songs wie „Soldier for Peace“ oder „Hans“ jedoch absolut auf Linie mit seinen heutigen politischen Positionen. Und fünf Mark für ein Demo-Tape war auch nicht gerade Punk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen