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Lebensmittel aus EcuadorLidl hat die Wahl – und bleibt unfair

Importeur Lidl hatte Besserung gelobt. Doch auf den Bananenplantagen in Ecuador werden Arbeitsrechte weiterhin systematisch unterlaufen.

„Auf der Plantage Matías werden gewerkschaftliche Grundrechte systematisch außer Kraft gesetzt“ – Bananen aus Ecuador Foto: Reuters

Naranjal taz | Die drei Männer stehen am Rande eines kleinen Parks in Naranjal. Die mittelgroße Verwaltungsstadt im Süden Ecuadors ist einer der Umschlagplätze für Bananen, die zum zweitwichtigsten Exportprodukt Ecuadors geworden sind. „Nach dem Erdöl, aber das kann sich ändern“, sagt Jorge Acosta und steuert auf die Bank zu.

„Auf der Plantage Matías werden gewerkschaftliche Grundrechte systematisch außer Kraft gesetzt“, erklärt der 57-jährige Gewerkschafter, steigt aus dem Mietwagen und begrüßt Leóncio Moreida. Der Mann von Ende vierzig arbeitet auf dem Feld und scheut sich nicht, seinen Namen zu nennen: „Ich verdiene zu wenig und sage das auch gegenüber dem Verwalter der Farm. Der zahlt uns keine Überstunden, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist.“

Anders liegt der Fall bei seinen beiden Kollegen, die lieber anonym bleiben wollen. „Arbeiter, die entlassen wurden, weil sie sich für ihre Gewerkschaftsrechte engagiert haben, gibt es viele in Ecuador. Die Unternehmen führen schwarze Listen und checken dafür einfach die Homepage der Staatsanwaltschaft“, erklärt Acosta, der die Branchengewerkschaft Astac leitet.

Dort lässt sich per Ausweisnummer überprüfen, ob es laufende Verfahren gibt – darunter fallen auch Arbeitsrechtsklagen. „Letztlich hilft der Service den Unternehmen bei der Unterdrückung gewerkschaftlicher Aktivitäten“, klagt Acosta, der bis 2012 im Cockpit eines Sprühflugzeugs saß, dann den Job wegen Gesundheitsproblemen quittierte und die Astac gründete.

Die engagiert sich auch gegen das Besprühen aus der Luft. Die Vorschriften beim Ausbringen von Pestiziden werden allerdings auch zu Lande nicht eingehalten. „Acht, fast neun Stunden musste ich Pestizide gegen Fadenwürmer ausbringen, danach war mir übel, ich hatte Fieber und mehrere Tage Magenschmerzen“, erklärt Pablo R., der aus Angst vor Konsequenzen einen falschen Namen angibt.

18 Dollar täglich

Auch über den extremen Produktionsdruck klagen die Arbeiter, die mit den 18 US-Dollar, die täglich gezahlt werden, kaum über die Runden kommen. Und das alles, obwohl der wichtigste Abnehmer der Bananen von Matías, die Lidl Stiftung und Co. KG, nach einem Treffen mit Jorge Acosta im Sommer 2016 in Deutschland Besserung gelobte.

Doch trotz aller Zusagen auch von Florian Schütze, dem Nachhaltigkeitsmanager bei Lidl, sei nichts passiert, so Acosta. Er hat Anfang Juli eine auf zahlreichen Interviews mit Arbeitern basierende Studie zu den Arbeitsbedingungen bei den Lidl-Zuliefern sowie einen offenen Brief an die Konzernzentrale an Oxfam und die Lidl-Zentrale in Neckarsulm versandt. Darin wirft er dem Unternehmen Verbrauchertäuschung vor: „Lidl veräppelt die Konsumenten, denn die Bananenproduktion in Ecuador ist nicht nachhaltig. Hier werden mit der größten Selbstverständlichkeit Profite auf dem Rücken der Arbeitnehmer erwirtschaftet“.

Acht, fast neun Stunden musste ich Pestizide gegen Fadenwürmer ausbringen, danach war mir übel

Pablo R., Arbeiter

Auf die konkrete Anfrage der taz, ob Lidl Matías und andere Lieferanten auffordern werde, die Missstände auszuräumen, antwortet die Pressestelle des Discounter-Konzerns ausweichend. Rainforest Alliance, das vor Ort zertifizierende Unternehmen, habe in mehreren Nachkontrollen keine Anhaltspunkte für die von Astac und Oxfam erbrachten Vorwürfe vorgefunden.

Allerdings kritisiert nicht nur Jorge Acosta, dass die Rainforest Alliance weder in Ecuador noch in Costa Rica direkt mit den Gewerkschaften zusammenarbeite. Für aussagefähige Audits ist das aber unerlässlich, so Franziska Humbert, Oxfam-Referentin für soziale Unternehmensverantwortung. Immerhin hat Lidl vorgeschlagen, in Ecuador einen runden Tisch einzuberufen, „um sich vor Ort für die Verbesserung der Arbeits- und Umweltsituation in der Bananenindustrie Ecuadors einzubringen“. Das scheint überfällig.

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5 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Bewusstes Einkaufen, kann schon helfen. Aber Lidl vertreibt seine Produkte europaweit und in Frankreich und Spanien, wo Lidl Riesengewinne erziehlt, hört man nichts davon. Die französischen und spanischen Verbraucher kaufen munter die Bananen, weil sie glauben, dass sie wirklich "durable" oder "sostenible" sind.

  • Naja, dann soll es eben der mündige Verbraucher nicht kaufen und gut ist.

  • Der Moral geht es heutzutage wie dem Bananenplantagen-Arbeiter: Sie ist ein Kostenfaktor. Einer, den Betriebswirte im Auftrag ihrer Arbeitgeber nach allen Kräften gen Null optimieren, wenn ihnen ihr gut bezahlter Job irgendwie wichtig ist.

     

    Rechnen kann sich ein derartiges Denken allerdings nur, weil der Durchschnittskunde (der manchmal auch Betriebswirtschaft studiert hat) möglichst viel Gegenwert kriegen will für sein sauer verdientes Geld.

     

    Man kann es also drehen und wenden, wie man will – wer sich ausgebeutet fühlt, wird dadurch selten besser. Vor allem wird er nicht gleich solidarischer. Dafür muss er erst einmal ein sogenanntes Bewusstsein entwickeln. Eines, das ihn ein Prinzip verachten lässt, nicht einen Menschen oder eine Menschengruppe.

     

    Wer das Bewusstsein einmal hat und zudem glaubt, dass er sich selber steuern kann, der kann seinen Bananen-Konsum reduzieren. (Oh doch, das kann man auch als Ossi schaffen!) Er kann ihn zum Beispiel so weit einschränken, dass er mit zwei einzelnen Bananen aus zertifiziert fairem Handel auskommt pro Woche und nicht ein ganzes Bündels Billig-Bananen von LIDL kaufen muss fürs selbe Geld.

     

    Dieses Prinzip ließe sich ausweiten. Auf Tierquäler, auf Bodenvergifter, auf Luftverpester und so weiter. Das wäre dann womöglich sogar gut gegen gewisse Volkskrankheiten und die daraus erwachsenden Probleme inklusive Ärztenotstand und Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

     

    Das gute Gewissen gäbe es am Ende also oben drauf auf den gesunden Lebenswandel und den gesellschaftlichen Spareffekt. Quasi als Bonus. Womit Moral am Ende tatsächlich gen Null optimiert wäre. Nur halt ohne die Macht fremder Autoritäten.

     

    Mir scheint das ziemlich überfällig.

  • Und wo sind die klugen Kommentare der Veganer? So sind wir Verbraucher eben, wenn es um süße Kuh oder Schwein geht schreien alle nach Gerechtigkeit. Aber wenn Menschen nach Europa wollen weil der Konsum der Europäer in anderen Ländern unter anderem sklavenähnlichen Verhältnissen zur flucht zwingt, hört man ganz schnell das Wort WIRTSCHAFTSFLÜCHTLING. Wenigstens wurde der Krümmungsgrad der Bananen durch den Codex Alimentarius gesetzlich festgelegt. Hoch lebe der Konsument:-)

  • Es ist schon reichlich erbärmlich wie hier von der Firmenleitung so getan wird als habe es nicht so viel mit Ihnen zu tun.

    Einfach nur räudig. Der Konsument hat auch kaum eine Chance die fragwürdigen Produkte und Firmen zu identifizieren.