Die Wahrheit: Spatzenmoritat
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Die Leserschaft darf sich an einem Poem über vögelnde Vögel erfreuen.
Ein Spatz sah eine Spätzin sitzen
Im jugendzarten Federkleid;
Sein Blut begann sich zu erhitzen,
Denn es war Mai – und Paarungszeit.
Er putzte sorgsam sein Gefieder
Und pfiff sodann das Repertoire
Der schönsten Spatzenliebeslieder,
Das freilich recht bescheiden war.
Die Spätzin zeigte sich gewogen,
Sie piepste freudig „Huch!“ und „Ach!“
Die Ehe ward sogleich vollzogen
Auf einem alten Scheunendach.
Es folgten Nestbau, Eiablage
Und wochenlange Brüterei;
Da stellte sich der Spatz die Frage,
Ob dies nun die Erfüllung sei.
Und als die Brut zur Freude beider
Im Nestrund lag in stolzer Zahl,
Sprach Vater Spatz, er müsse leider
Geschäftlich mal nach Wuppertal.
Das war gelogen; seine Reise
War mehr privat und informell;
Er traf sich dort mit einer Meise
In einem billigen Hotel.
Was taten Spatzenmann und Meise
In jener Nacht in Wuppertal?
Sie trieben’s nach der Vögel Weise
Wohl sieben- oder siebzehnmal.
Am Morgen flog der Spatz nach Hause,
Beseligt, aber etwas matt;
Sodass ein Falke ihn als Jause
Erdolcht und aufgefressen hat.
Die Spätzin, ob der trüben Kunde,
Ertränkte sich im nahen Teich;
Der Spatzennachwuchs ging zugrunde.
Den Falken aber traf alsgleich
Ein Flintenschuss von Förster Zille,
Den drauf ein Traktor überfuhr;
Der Fahrer hatte zwölf Promille –
Ach! Grausam waltet die Natur!
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