piwik no script img

Die AfD an deutschen UnisDilemma der Meinungsfreiheit

Viele Studierende fühlen sich von AfD-Hochschulgruppen provoziert, zuletzt an der Uni Magdeburg. Doch ist Debatten verhindern richtig?

Viele linke Hochschulgruppen wollen Rassismus, Sexismus, trans- und homophobe Hetze verhindern Foto: imago/Christian Schroedter

Berlin taz | Die tumultartigen Szenen im Hörsaal 6 der Universität Magdeburg haben jetzt ein Nachspiel im sachsen-anhaltischen Landtag: Für Freitag hat die AfD-Fraktion eine Aktuelle Debatte zum Thema „Linksextremismus im politischen Diskurs“ beantragt. In der Begründung heißt es: „Der politische Diskurs wird zunehmend vom Linksextremismus beherrscht, was eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich macht.“

Hintergrund: Am 12. Januar hatten rund 400 Studierende den Vortrag des Biologen Gerald Wolf verhindert, der von der AfD-Hochschulgruppe Campus Alternative Magdeburg eingeladen worden war.

Viele Abgeordnete halten die Ansicht, an der Hochschule dominiere immer stärker Linksextremismus die Debatten, für absurd. „Wenn etwas zunehmend diskutiert wird, dann sind es doch rechte oder rechtsextreme Positionen“, sagt Falko Grube der taz. Der Politikwissenschaftler steht im Landtag für die SPD-Fraktion auf der Rednerliste. Er hat an der Universität Magdeburg promoviert – eben da, wo die AfD „Ausgrenzung und Gewalt gegenüber unliebsamen Positionen, Parteien und Mandatsträgern“ festgestellt hat.

Der Protest im Januar richtete sich gegen die AfD-Veranstaltung „Gender an der Uni!?“. Der Flyer der AfD-Hochschulgruppe bezeichnete „Gendermainstreaming“ als geselligen „Zeitvertreib für Leute ohne Probleme“. Der Vortrag des Biologen Wolf sollte wissenschaftlich belegen, dass es einen biologischen Unterschied zwischen „männlichen“ und „weiblichen“ Gehirnen gibt.

AfD-Auftritte verhindert

Januar 2015: Studierende blockieren den Auftritt von AfD-Rechtsaußen Alexander Gauland an der Uni Erfurt. Veranstalter: die Campus Alternative Erfurt.

Juni 2015: Die Universität Göttingen nimmt eine Raumzusage für eine AfD-Veranstaltung zurück. Ein Formfehler – nicht die vehementen Proteste von Studierenden – sei dafür ausschlaggebend gewesen.

April 2016: Der AStA der Universität Düsseldorf zieht eine Einladung für AfD-Gründer Bernd Lucke zurück. Obwohl der Wirtschaftsprofessor zu diesem Zeitpunkt kein Parteimitglied mehr ist, lautet die Begründung: Man könne seine Sicherheit nicht garantieren.

Juni 2016: Der Fachschaftskonvent der Ludwig-Maximilians-Universität München verbietet alle politischen Hochschulgruppen. Es war die einzige Möglichkeit, die Zulassung einer AfD-Hochschulgruppe zu verhindern.

Was viele KommilitonInnen mindestens genauso störte: André Poggenburg, AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzender, der auf Twitter immer wieder eine Verbindung zwischen Flüchtlingen und Terrorgefahr herstellt, sollte das Grußwort halten.

Neue Anhänger unter den Studierenden

Mit der Debatte im Landtag erhofft sich die AfD offenbar, neue Anhänger unter den Studierenden zu mobilisieren. Jan Schmidt, Landeschef der Parteijugend Junge Alternative auf Facebook: „Wir werden natürlich mit der Campus Alternative Magdeburg wieder an die Uni zurückkehren und unsere Veranstaltung durchsetzen.“

Auch an anderen Hochschulen im Land sollen neue AfD-Gruppen bald eine alternative Hochschulpolitik anbieten – unter anderem gegen den „Genderwahn“ am Campus. Wie leicht sich linke Studierende durch die AfD provozieren lassen, sah man an jenem Tag in Magdeburg: Da hatte der Studierendenrat kurzerhand zu einer Gegenveranstaltung mit der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule eingeladen – im selben Raum, unmittelbar vor der AfD-Veranstaltung. Alle blieben wie abgemacht sitzen. Auf zahlreichen Videos im Netz kann man sehen, wie der Protest eskaliert, wie von beiden Seiten Gewalt ausgeht.

Als Poggenburg zu reden beginnt, kommt es zum Handgemenge, jemand schlägt Professor Wolf ein Gehirnmodell aus der Hand, ein Böller explodiert. Zuletzt verlassen die AfD-Leute unter Beifall den Hörsaal.

Wie’s anderswo zugeht

Wo? Zum Beispiel an der Universität im kalifornischen Berkeley: Hier hatten am Mittwochabend (Ortszeit) mehrere Hundert Demonstranten gewaltsam gegen einen Auftritt des ultrarechten Bloggers Milo Yiannopoulos protestiert. Studenten und Dozenten warfen dem Anhänger des neuen Präsidenten Donald Trump Rassismus, Trans­phobie und Frauenfeindlichkeit vor. Die von einer konservativen Studentenvereinigung geplante Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt.

Was nun? Am Donnerstag reagierte Trump scharf – und drohte der Hochschule mit dem Entzug von Geldern: Wenn die Universität „keine Redefreiheit erlaubt und Gewalt gegen unschuldige Menschen mit einer anderen Meinung anwendet“, sei zu überlegen, „keine Bundesmittel“ mehr zu geben, schrieb Trump bei Twitter.

Wo noch? Schon im Januar hatte es an der Universität im kalifornischen Davis ähnliche Proteste gegeben, die ebenfalls zur Absage von Auftritten des Bloggers führten. Yiannopoulos sollte auch in Los Angeles sprechen, dies wurde aber ebenfalls abgesagt. Vertreter aller drei Universitäten betonten, sie hätten Yiannopoulos nicht eingeladen und unterstützten seine Ansichten auch nicht, sie seien aber für die Redefreiheit. (afp)

Was linke Hochschulgruppen als Zivilcourage gegen rechts feiern, stößt bei Hochschulleiter Jens Strackeljan auf Entsetzen. „Gewalt gegen Personen und Sachen ist absolut nicht tolerabel“, sagte er im MDR. Die AfD mit 24 Prozent der Wählerstimmen in Sachsen-Anhalt stelle eine große gesellschaftliche Frage, sagte er. Diese Frage im Dialog zu beantworten – auch bei völlig unterschiedlichen Positionen – sei die Aufgabe von Universitäten.

Welches Erbe?

Aktive AfD-Hochschulgruppen gibt es bereits an mehreren Unis. In vier Fällen sitzen ­AfDler schon im Studierendenparlament und machen selbst Hochschulpolitik.

Am Tag nach den Tumulten sprach AfD-Fraktionschef Poggenburg vom problematischen „Erbe jahrzehntelanger linker Ideologisierung der Hochschulen“. Sie erinnerten ihn an eine „prügelnde und pöbelnde Studenten-SA, die 1933 jüdische und politisch andersdenkende Professoren aus den Hörsälen vertrieb“, schrieb er. Knapp eine Woche später stellte Poggenburg Strafanzeige – unter anderem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung.

Er reichte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Dekan der Fakultät für Humanwissenschaften, Michael Dick, ein, der die Proteste begrüßt haben soll – was der zurückweist. Er habe allein die Haltung der Studierenden gelobt, die sich gegen die Instrumentalisierung der Universität zur Wehr setzen wollten. Für Dick sei klar, dass die Veranstaltung nicht der wissenschaftlichen Erkenntnis, sondern parteipolitischen Zielen diente.

Ähnlich sieht es auch Cornelia Lüddemann. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen will der „Opferinszenierung“ der AfD bei der Debatte im Landtag entgegentreten. Die Hochschule zur Verbreitung politischer Propaganda zu nutzen, sei unzulässig, sagt sie: „Noch dazu vermengt mit kruden, wissenschaftlich nicht fundierten, menschenverletzenden Thesen. Wer Meinungsfreiheit propagiert, muss auch die Gegenmeinung zulassen und aushalten.“

Hassmails und Morddrohungen

Wie schwer das manchen offenbar fällt, zeigen die Hassmails und Morddrohungen, die Rektor Strackeljan und Dekan Dick inzwischen erhalten haben. Um die Sicherheit zu gewährleisten, hat der Hochschulsenat neue Regeln erlassen: Wer künftig einen Raum haben will, muss über Inhalt, Format und Teilnehmerkreis der geplanten Veranstaltungen informieren.

Wie aber geht man mit AfD-Hochschulgruppen um? Hochschulvertreter erklären, man werde auch ungeliebte Meinungen nicht unterdrücken. Viele linke Hochschulgruppen hingegen wollen Rassismus, Sexismus, trans- und homophobe Hetze verhindern – notfalls mit Gewalt. Dekan Dick spricht von einem Dilemma. Grünen-Politikerin Lüddemann verteidigt hingegen den Protest: „Deutschland hat einmal erlebt, dass eine Demokratie auch mit demokratischen Mitteln abgeschafft werden kann. Das werden wir kein zweites Mal zulassen!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ja, diese AfD- und ähnliche Kampagnen zu verhindern und zu behindern ist richtig und wichtig, weil die Studierenden in ihren Modulen alles und jedes nachbeten, wie sie es vorgekaut kriegen.

    Die Frage ist, wann setzt bei den einzelnen individuell die Kritik ein?

    Studierende heute sind zwischen 17 und 24 - und damit voll in einer Phase der Gruppenkonjunkturen, wie bei einer Schulklasse.

    Schauen Sie sich die Prüflinge des Rechnungswesens an: was reden sie in den Pausen? (ganz gleich welcher Nationalität/ Kultur)

    Wenn da niemand von außen mit Kritik drauf stößt, werden sie immer konformer wie die Firmen es wollen.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    „Deutschland hat einmal erlebt, dass eine Demokratie auch mit demokratischen Mitteln abgeschafft werden kann. Das werden wir kein zweites Mal zulassen!“

     

    Diese Argumentation finde ich besonders gefährlich. Das ist ein Argument mit dem man sich auf ein Niveau mit dem Verfassungsschutz begibt. Das sagt nicht weniger als: Man kann mit demokratischen Mitteln die Demokratie abschaffen, deshalb muss man bestimmten Menschen ihre Rechte verwehren.

     

    Und bestimmte Menschen sind in diesem Fall Menschen die eine andere politische Meinung haben als man selbst.

  • "Deutschland hat einmal erlebt, dass eine Demokratie auch mit demokratischen Mitteln abgeschafft werden kann. Das werden wir kein zweites Mal zulassen!"

    Sondern die Demokratie prophylaktisch selber abschaffen.

  • Was in der momentanen Debatte sicherlich hilfreich wäre, wenn Teile des linken Spektrums aus ihrer moralischen Überlegenheitsblase etwas herauskommen würden.

    Ich selbst habe oft erlebt, dass abweichende Meinungen sehr schnell mit dem vermeintlichen "dann bist Du halt rechts oder rassistisch"-Argument ohne Diskussion weggewischt wurden.

    Eine Demokratie ist ein permanentes Ringen um die vermeintlich besten Antworten auf die Fragen der Zeit. Links muß überzeugen, Links muß passende Antworten geben können.

    Das Erstarken der Rechten ist demnach zum Teil leider auch auf die aktuelle Schwäche der politischen Linken zurückzuführen.

  • Wer schreit, hat keine Argumente, und wer Gewalt anwendet, setzt sich ins Unrecht.

     

    Wie primitiv oder hilflos muss man sein, um Böller zu werfen oder jemandem ein Gehirnmodell aus der Hand zu schlagen, wie dumm ist das Verhindern von Veranstaltungen oder Verbieten von Hochschulgruppen mit irgendwelchen Tricks, wie blöde ist jemand, der nicht merkt, dass mit all diesen Mätzchen nur dem politischen Gegner in die Hände gespielt wird.

     

    "Dilemma der Meinungsfreiheit" heißt die Überschrift. Meinungsfreiheit hat kein Dilemma. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.

    • @M.Schneider:

      stimmt, die Überschrift hat mich auch verwundert.

  • ich habe vor ca 20 Jahren studiert, war damals ziemlich links, aber bei weitem nicht so links wie die Leute, die im Asta ihre 26 Semester voll machten. Von daher klingt dieser Satz für mich wie Hohn:

     

    "Die Hochschule zur Verbreitung politischer Propaganda zu nutzen, sei unzulässig, sagt sie: „Noch dazu vermengt mit kruden, wissenschaftlich nicht fundierten ... Thesen. Wer Meinungsfreiheit propagiert, muss auch die Gegenmeinung zulassen und aushalten.“

     

    Damals forderte der Asta unbedingt das allgemeinpolitische Mandat und wollte für Bundespolitik Geld ausgeben. Meinungsfreiheit war für diese Leute auch ein Fremdwort, sobald es um Meinungen ging, die von ihrer abwichen.

  • Solche Vorgänge sind in der Tat hochproblematisch. Nicht alle AfD-Positionen sind a priori falsch oder gar unzulässig. Unterbindet eine Hochschule den Diskurs, auch mit taktischen Finten, dann befördert sie die Opferinszenierung der AfD.

    Andererseits sind volksverhetzende und rassistische Bekundungen als solche entschieden zu unterbinden, was z.B. durch einen offiziellen Beobachter realisiert werden könnte, der auch das Recht hätte, die Veranstaltung sofort zu beenden - z.B. durch Abschalten der Tonanlage und entsprechende Ordner.

    Im Übrigen sollte die AfD in der Tat argumentativ gestellt werden. Das fällt jedoch den etablierten Parteien schwer, müssten sie doch eingestehen, dass sie die schamlose Bereicherung des deutschen Geld"adels" in der Vergangenheit zugelassen, ja sogar gefördert haben (was auch die AfD verschweigt).

    Nicht die Flüchtlinge, nicht die europäischen Partnerstaaten, nicht Griechenland beuten dieses Land aus, sondern eine raffgierige Oberschicht.

    Nicht umsonst freut sich ja die AfD über Trump - er verbreitet dieselben verlogenen Parolen.

  • "Deutschland hat einmal erlebt, dass eine Demokratie auch mit demokratischen Mitteln abgeschafft werden kann.Das werden wir kein zweites Mal zulassen!“ -

    Zur Demokratie gehört Meinungsfreiheit und der demokratische Diskurs (Außer ein Paragraph des Strafgesetzbuches wird erfüllt.) Den Diskurs mit Gewalt zu unterdrücken, soll die Demokratie schützen? Ich hoffe, die Grünen sind noch nicht dermaßen erstarrt, dass sie das wirklich glauben.

  • Bitte nicht die Fehler der dummlinken PC-College-Gruppen in den USA wiederholen, die leider keinen Unterschied mehr zwischen einem Holocaustleugner und einem Verteidiger israelischer Politik machen, und Zuhörer eines Männerrechtlers als Vergewaltiger bespucken. Dummdreiste Agitation und Propaganda von rechts hat auf einem Campus kein Gehör verdient, aber wenn ein Hirnforscher im Sinne konservativer Ideologie über Geschlecht und Gender spricht, muss man halt jemanden finden, der diese Position wissenschaftlich widerlegt.

    Ich habe mal in einem historischen Seminar über die nordamerikanische Sklaverei eine mock debate "dafür und dagegen" veranstaltet, mittels derer sich die Studierenden mit dem Diskurs des 19. Jahrhunderts auseinandersetzen sollten. Die Sklavereibefürworter gewannen, weil das andere Team sich zu sehr auf die moralische Überlegenheit seiner Position verließ, statt schlagende Argumente vorzubringen (derer es natürlich reichlich gab).

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @hessebub:

      Schlagende Argumente sind an dieser Stelle etwas missverständlich.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Kommt auf die Verbindung an.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    "Doch ist Debatten verhindern richtig?"

    Ja, denn, sog. 'rechtes Gedankengut' hat an Hochschulen nichts zu suchen!

    • @81331 (Profil gelöscht):

      "Ja, denn, sog. 'rechtes Gedankengut' hat an Hochschulen nichts zu suchen!"

       

      Sehe ich genauso!

       

      Die Frage ist nur, wie verhindert man dies?