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Kommentar NS-Spuren bei der GEWEhrlichkeit vor der eigenen Tür

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Dass es der linken Lehrergewerkschaft GEW gelungen ist, ihre NS-Vergangenheit zu verdrängen, wirft kein gutes Licht auf die Organisation.

Rechtsradikalen Tendenzen den Kampf ansagen, aber die eigene Nazivergangenheit nicht aufarbeiten Foto: dpa

A llzu spät begann in jüngster Zeit die Durchleuchtung staatlicher Institutionen hinsichtlich personeller Kontinuitäten von der Nazizeit bis zur Bundesrepublik. Vom Bundesnachrichtendienst bis zum Auswärtigen Amt diagnostizierten die damit betrauten Wissenschaftler, dass schwer belastete Herrschaften ihre Karrieren problemlos fortsetzen konnten. Verwundert es da, wenn nun auch die Gewerkschaften mit ihrer braunen Vergangenheit konfrontiert werden?

Ja und nein. Denn der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund hat zwar 1933 zunächst versucht, sich den neuen Machthabern anzudienen; der SPD-nahe Verband wurde dennoch verboten. Er war zwar nicht sehr widerständig, aber deshalb noch lange nicht systemkonform. Anders verhielt es sich mit der Vertretung der verbeamteten Lehrer, die sich offenbar freiwillig in eine NS-Organisation umformen ließ. Und so kommt es, dass ausgerechnet die linke Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft heute ein Problem mit ihrer Vergangenheit hat.

Dabei geht es wohlgemerkt nicht – wie bei staatlichen Stellen – um SS-Verbrecher, aber doch um das Schönfärben der Verbandsgeschichte in der Nachkriegszeit durch einen GEW-Funktionär und die Aneignung eines „zwangsarisierten“ Hauses, das bis 2013 im Besitz der GEW war. Dass nach diesem Herrn bis heute eine Stiftung benannt ist, dokumentiert eine Wurschtigkeit, wie wir sie bei der GEW nicht vermutet hätten.

Niemand wirft der Lehrergewerkschaft vor, dass sich unter ihren Funktionären NS-Verbrecher verbargen. Aber die Tatsache, dass es der GEW über Jahrzehnte gelungen ist, ihre eigene Vergangenheit erfolgreich zu verdrängen, wirft kein gutes Licht auf eine Organisation, die zugleich rechtsradikalen Tendenzen den Kampf angesagt hat.

Wahrhaftigkeit beginnt vor der eigenen Haustür. Die GEW ist gut beraten, wenn sie sich dieser Geschichte stellt und die notwendigen Konsequenzen zieht.

Anmerkung der Redaktion: Im Text hieß es ursprünglich, das „zwangsarisierte“ Haus sei bis heute im Besitz der Gewerkschaft. Das ist nicht richtig. Die von Max Traeger als „Judengrundstück“ bezeichnete Immobilie wurde 2013 von der GEW Hamburg an das jüdische Bildungszentrum Chabad e.V. für 2,5 Millionen Euro verkauft, von denen die GEW 400.000 an die Jüdische Gemeinde Hamburg spendete.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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3 Kommentare

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  • Wie günstig, dass die taz erst 1978 gegründet wurde!

     

    Altkanzler Kohl hat mal von der "Gnade der späten Geburt" gesprochen. Klaus Hillenbrand, Jahrgang 1957, scheint weder seine eigene späte Geburt noch die der taz als Gnade zu empfinden. Sie ist ihm offensichtlich eher ein Recht. Ein Recht darauf zu glauben, vor der eigenen Türe gäb es nichts zu kehren.

     

    Ich fürchte, damit macht er's sich zu leicht. Immer sind es einzelne Menschen mit ganz persönlichen Überzeugungen, die Strukturen tragen - und die nachwachsenden Generationen prägen. Manche Überzeugungen aber, die zwischen 1933 und 1945 staatstragend waren, sind es noch immer, scheint mir. Nicht nur "rechts der Mitte", sondern auch links davon.

     

    Kein Wunder, das. Personelle Kontinuitäten hatten und haben nun einmal gewisse Folgen. Wer Macht ausübt, beeinflusst Menschen. Gut möglich also, dass Herr Hillenbrand so unbelastet, wie er glaubt, in Wirklichkeit selbst gar nicht ist. Das braucht er aber nicht herauszufinden, so lange er sich ausschließlich auf sein Geburtsjahr verlassen kann.

    • @mowgli:

      's Mowgli -

       

      War ja ganz passabel in Mathe -

      Wenns auch mangels Selberdenkens

      Nicht zum Mathe-Studium gelangt hat - wg der vielen Oberlehrer familie

      Aber - welche - mit Verlaub -

      Der vielen Mowglischen Vermutungen -

      Is jetzt dess?

  • Ja wo laufen sie denn?! Da ist noch gut Luft nach oben.

     

    Abseits der Anmerkungen zu Anna Lehmann http://www.taz.de/!5343426/#bb_message_3418063

     

    Schlage ich mal - aus der Hand -

    Rotes Kreuz - vor - &

    THW - früher TN - Technische Nothilfe -

    (Letztere besonders interessant in der Kontinuität -

    StreikbrecherOrg post WK I unter dem Deckmantel "Notstandsarbeiten" -

    (ming Ohl*03 als Schüler vorm Hochofen dabei -

    "Als ich das aber merkte - bin ich nicht mehr hingegangen - aber -

    Als ich im Betrieb zur Reiter-SS sollte - hab ich den alten TN-Ausweis rausgeholt -

    Hat geklappt!" - & - einer geht noch -

    Die Erzählungen meiner SchwiegermutterÄrztin zur

    Roten Kreuz-Spitze hatten prä/post WK II ähnliche Strickmuster;

    Allerdings gern auch mit dem braun-mörderischen Touch der NS-Mediziner!)