: Fracking-Verbot – oder doch nicht?
Erdgas-Förderung Am Freitag verabschiedet die Große Koalition nach jahrelangem Streit das Fracking-Gesetz. Die Bewertungen fallen gegensätzlich aus. Was steht wirklich drin? Die wichtigsten Fragen und Antworten
von Ingo Arzt und Malte Kreutzfeldt
Die erste Lesung des Fracking-Gesetzes fand vor einem Jahr statt, die zweite und dritte folgen an diesem Freitag. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Der Entwurf der Bundesregierung war in den Fraktionen von Union und SPD auf viel Kritik gestoßen. Während der Wirtschaftsflügel der CDU weniger Einschränkungen forderte, wollten Fracking-Kritiker in beiden Fraktionen die Technik stärker beschränken. Dieser Streit konnte lange nicht gelöst werden.
Das ist jetzt alles so lange her. Was war noch mal das Problem bei diesem Fracking?
Dabei werden mit hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gepresst, um Gesteinsschichten aufzubrechen und das darin gespeicherte Erdgas freizusetzen. Weil auch durchs Grundwasser gebohrt wird, sehen Kritiker Gefahren fürs Trinkwasser. Zudem kommt giftiges Wasser an die Oberfläche, und die Gefahr von Erdbeben steigt.
Und wer hat sich jetzt durchgesetzt?
Die Fracking-Kritiker innerhalb der Fraktionen. „Der Entwurf entspricht voll meiner Position“, sagt SPD-Mann Frank Schwabe. „Alle unsere Forderungen scheinen erfüllt zu sein“, meint auch der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt. Die Kritiker haben erreicht, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf deutlich verschärft wurde. Ein Totalverbot, wie von Umweltverbänden, Grünen und Linken gefordert, gibt es allerdings nicht.
Was steht genau im Gesetz?
Der Entwurf, den die Fraktionen von Union und SPD am Dienstag gebilligt haben, unterscheidet zwischen Fracking in Sandstein, das sie „konventionell“ nennen, und dem aus den USA bekannten Fracking in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein, das sie als „unkonventionell“ bezeichnen. Das konventionelle Fracking bleibt erlaubt, außer in Wasserschutzgebieten und dem Einzugsbereich von Trinkwasserentnahmestellen wie Talsperren und Brunnen. Das giftige Lagerstättenwasser muss, nach einer Übergangszeit für Bestandsanlagen, gereinigt werden, für Schäden an Häusern haften die Konzerne. Unkonventionelles Fracking wird generell verboten – mit Ausnahme von maximal vier Probebohrungen, denen die betroffenen Länder zustimmen müssen.
Wo wird es solche Probebohrungen geben?
Vermutlich nirgends. Denn selbst Niedersachsen, wo es die meiste Erfahrung mit Erdgasförderung gibt, will sie nicht genehmigen. Die übrigen in Frage kommenden Länder winken ebenfalls ab. Zudem ist unklar, ob die Konzerne überhaupt Interesse an Probebohrungen haben, wenn diese später nicht auch kommerziell nutzen dürfen.
Dann ist Fracking jetzt also tatsächlich vom Tisch?
Eben nicht. Denn das Gesetz sichert das bisherige Fracking in Deutschland: Das Verbot gilt ja nicht für Sandstein. In dem ist bisher in Deutschland auch gefrackt worden, allein in Niedersachsen 327-mal zwischen 1961 und 2011. Auch sogenanntes Tight Gas, bei dem der Sandstein so verdichtet ist, dass von Anfang an gefrackt werden muss, darf gefördert werden. Damit werden die Förderunternehmen vermutlich zeitnah wieder beginnen – ab rund 1.500 Meter Tiefe. Umweltverbände und Oppositionsparteien halten die Unterteilung in „konventionelles“ und „unkonventionelles Fracking“ für irreführend und auch das Tight-Gas-Fracking für gefährlich. Der Entwurf ist für sie darum ein „Fracking-Ermöglichungsgesetz“.
Wie viel wird tatsächlich gefrackt werden?
Tja, was da im Boden schlummert, ist stets schwer zu sagen. Deutschland verbraucht 70 bis 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr. Die technisch förderbaren Ressourcen an Erdgas im Schiefergestein, wo Fracking verboten wird, beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften auf 800 Milliarden Kubikmeter, als Durchschnitt verschiedener Abschätzungen. In Sandstein, wo Fracking erlaubt wird, werden die förderbaren Ressourcen auf 90 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Wie viel davon in Gebieten liegt, in denen überhaupt gebohrt werden darf, und wie viel sich dann auch kommerziell lohnt – dazu gibt es keine Zahlen. Verkürzt und grob gerundet kann man also sagen: Wir haben jetzt ein 90-Prozent-Frackingverbot.
Und was sagt die Industrie dazu?
Die schwankt zwischen der Freude, dass sie endlich überhaupt wieder fracken kann, und der Enttäuschung, dass die Vorkommen in Schiefer tabu sind. ExxonMobil bereitet sich bereits auf eine Bohrung in Bötersen im niedersächsischen Landkreis Rotenburg-Wümme vor. „Wir stehen nach wie vor bereit, auf Basis dieser neuen Regelungen weiterzumachen“, heißt es. Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie ist hingegen enttäuscht: „Schiefergas ist eine wichtige Option, die mit diesem Gesetzespaket praktisch aus der Hand gegeben wird.“
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