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Sexismus in Social MediaZu dick für Facebook

Das Bild eines Plus-Size-Models wird gelöscht, weil sich Nutzer_innen schlechtfühlen könnten. Die Körper dicker Frauen sind auf Facebook „unerwünscht“.

Auch dieses Bild würde Facebook wohl als „unerwünschte Darstellung“ beurteilen Foto: imago/Xinhua

Tess Holiday ist ein erfolgreiches Model – obwohl oder gerade weil sie Kleidergröße 54 trägt. Als erste Frau mit einer solchen Konfektionsgröße ist sie seit 2015 bei einer Mainstream-Modelagentur unter Vertrag. Als Feministin und Body-Positive-Aktivistin hat sie sich einen Namen gemacht und unter dem Hashtag #effyourbeautystandards eine Kampagne auf Instagram losgetreten. Auch auf dem Cover des „People“ Magazin war sie schon zu sehen. Doch für Facebook war die US-Amerikanerin zu dick.

Die australische Talkshow „Cherchez la Femme“ hatte mit einem Bild von Tess Holiday im Bikini für ein Event zum Thema „Feminism and Fat“ geworben. Facebook hatte das Bild daraufhin gesperrt. Zunächst verteidigte das Unternehmen sein Handeln: Das Bild würde gegen die „Gesundheit- und Fitness“-Richtlinie für Werbung verstoßen.

„Das Bild zeigt den Körper oder Teile des Körpers auf eine unerwünschte Art und Weise. Werbeanzeigen dürfen keinen Gesundheitszustand bzw. kein Körpergewicht als perfekt oder absolut nicht wünschenswert darstellen“, schrieb Facebook in einem Statement. So darf laut den Werberichtlinien zum Beispiel kein Bild verwendet werden, auf dem jemand seinen Bauchumfang misst.

„Werbeanzeigen wie diese sind nicht erlaubt, weil sich Nutzer beim Betrachten schlecht fühlen“, so das Unternehmen. Facebook sorge sich demnach um seine Nutzer_innen, die sich durch bestimmte Bilder schlecht fühlen und zum Abnehmen getrieben werden könnten. Nur wollte „Cherchez la femme“ mit der beworbenen Veranstaltung genau das Gegenteil erreichen: Frauen sollen ihren Körper positiv wahrnehmen, auch wenn er nicht den Mainstream-Schönheitsideal entspricht. Im konkreten Fall der Veranstaltung „Feminism and Fat“ soll es gerade darum gehen, dass auch dicke Frauen schön sind.

Dicke Frauen unerwünscht

Facebook hat sich mittlerweile für die Entfernung des Bildes entschuldigt und es wieder freigeschaltet. Trotzdem zeigt der Vorfall, dass das Unternehmen Bilder von dicken Frauen automatisch als Aufforderung zum Abnehmen versteht.

Die Macher_innen von „Cherchez la Femme“ sind immer noch wütend: „Weil Facebook offensichtlich keine Ahnung hat, dass sich Frauen, die sich selbst als dick bezeichnen und Übergröße tragen, großartig fühlen können.“ Während Facebook so tut, als würde es sich um unser Körperbild sorgen, reproduziert es ein beschränktes Schönheitsbild. Es zeigt sich, dass dicke Frauen nicht der Norm des sozialen Netzwerkes entsprechen und hier nicht erwünscht sind.

Facebook bewertet und zensiert schon länger Frauenkörper. Das wurde zuletzt in der Diskussion rund um die Zensur von weiblichen Brustwarzen deutlich. Erst im Februar wurde eine Nutzerin gesperrt, weil sie historische Aufnahmen indonesischer Frauen mit nacktem Oberkörper veröffentlicht hatte. Das Unternehmen entscheidet, welche Körper gesellschaftlich akzeptiert werden und welche lieber unsichtbar gemacht werden sollen. Ein Problem, das mit dem immer größeren Einfluss des Netzwerkes wächst.

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10 Kommentare

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  • Was bedeutet es, wenn Facebook eine Kampagne gegen Fat-Shaming zensiert, mit dem Vorwand, "kein Körpergewicht als perfekt oder absolut nicht wünschenswert " darzustellen? Ich finde das sehr interessant, deswegen danke für den Artikel.

    Über die Wahrnehmung von dicken Körpern in unserer Gesellschaft, und die scheinbar unhinterfragte Problematisierung einer als sich "epidemisch" ausbreitenden Adipositas, über Körperideal, -(un)sichtbarmachung und Gewichtsdiskriminierung könnt ihr gerne mehr schreiben! Das Thema häufiger zu benennen würde für eine nicht zu unterschätzene Menge Leute eine Unterstützung sein, z.B. für anorektische, bulimische Menschen, für die, die sich für Körpervielfalt gegen Körpernormierung einsetzen und auch für Menschen, die wegen ihres Gewichts im Alltag mit ständigen Maßregelungen, Diffamierungen und Einschränkungen kämpfen.

  • "Zu dick für Facebook" - war Frau Lapper Axel-Springer-Stipendatin? Darum ging es doch gar nicht - sondern um die Fehlinterpretation einer Werberichtlinie, die dann korrigiert wurde. Aber Facebookbashing ist halt momentan en vogue. Da hilft nur der konsequente Verzicht..

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Frauen sollen ihren Körper positiv wahrnehmen, auch wenn er nicht den Mainstream-Schönheitsideal entspricht."

     

    Das ist ja alles schön und gut, aber Frau "Holidays" BMI von 46,6 (Wiki) entspricht der höchsten Adipositas-Stufe.

     

    Auch wenn sich das Verhalten von Facebook durch nichts rechtfertigen lässt und sich niemand ob seines Körperumfangs schuldig zu fühlen braucht: Adipositas ist eine Krankheit, die auf Dauer nicht ohne gravierende Konsequenzen für den Körper bliebt.

     

    Insofern sollte man, ebenso wie bei "Magersucht", Versuchen entgegentreten, dieses Extrem als normal hinzustellen.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Die Angst vor Körperfett ist

      -kulturgeschichtlich erst um 1900-1920 und unter anderem im Zusammenhang mit einer rassistischen Konstruktion von einem (un)zivilisiertem Körper entstanden

      -erst im Nachhinein medizinisiert worden

       

      Adipositas ist

      -eine häufige, manchmal sogar tödlich endende Fehldiagnose von Ärzt_innen, die durch das Körpergewicht voreingenommen sind

      -eine leider oft auch als stigmatisierend empfundene Beschreibung von Menschen, die dem Körperidealbild nicht entsprechen. Die BMI- Norm ist übrigens über die Jahrzehnte hinweg immer weiter abgesenkt worden

       

      Auch sehr dicke Menschen haben ein Recht auf Wahrnehmbarkeit in den öffentlichen Medien, und ein Recht auf alles, worauf dünne Menschen ein Recht haben. Es geht hierbei nicht darum, ein "Extrem als normal hinzustellen", sondern um den Versuch, endlich eine Verschiebung in der Wahrnehmung von Dick-sein zu erwirken, Körpervielfalt zu feiern, Körpernormierungen in Frage zu stellen und Menschen zu ermutigen, zu ihren Körpern zu stehen.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Sophel:

        Adipositas der Stufe 3 (wie bei Frau Holiday) ist niemals eine Fehldiagnose.

         

        Wenn man Körpernormierungen in Frage stellen möchte, z.B. bei der Brust oder Penisgröße, sind die ins Extreme abweichenden Beispiele nicht dazu geeignet, die Körpervielfalt zu feiern. Vielmehr feiern sie vor allem den Narzissmus jener, die glauben, sich mit solchen Extremformen hervortun zu müssen. Das ist aus Sicht des Narzissten OK, denn warum sollte der Narzissmus der "Dicken" weniger Beachtung finden als jener der "Normalen"? Aber das bedingt noch lange keinen Anspruch oder Recht.

         

        Im Übrigen hat in Wahrheit niemand solch ein Recht auf Wahrnehmbarkeit. Als "dicker" Mensch wird man zudem weitaus leichter wahrgenommen als als "normaler". Aber das meinen Sie nicht. Sie erwarten, dass alle gefälligst zu schätzen haben, wenn ein Mensch extrem dick ist. Das wird aber nicht funktionieren.

         

        Ich finde auch nicht, dass diesen Menschen damit geholfen ist (denn sie benötigen Hilfe). Ferner glaube ich auch nicht, dass man damit Körpernormierungen überhaupt in Frage stellen kann, zumal mittlerweile ja die Mehrheit der Menschen, die nicht irgendwelchen Standardmaßen entspricht (die eigentlich wer verfügt?), Probleme zu haben scheint, zu ihrem Körper zu stehen.

         

        Körpernormierung ist nämlich gar keine Frage der Extreme, die ohnehin - nolens volens - aus der Norm herausfallen, sondern sie spielt sich vor allem innerhalb der "Normbandbreite" ab und betrifft insofern vor allem die "Normalen" oder "normal sein Wollenden". Erst wenn diese "Normalen" zu einer Körpererfahrung finden, die sie ihre vermeintliche Differenz annehmen lässt, haben die "Dicken", die als Sündenbock für die sich nicht als normkonform empfindenden "Normalen" herhalten müssen, eine Chance.

         

        Die "Normalen" kriegt man indes nicht zur Einsicht, indem man sie bittet oder mit Propaganda oder Information zuschüttet, sondern nur, indem man das gesamte unerbittliche Normierungssystem namens Kapitalismus von der Weltbühne fegt.

  • Dieses Thema hat zwei Aspekte: Zum einen hat Facebook etwas falsch verstanden, sich dafür entschuldigt und dies korrigiert.

    Zum anderen wird hier scheinheilig eine sexistische Zensur von WERBUNG beklagt. Wäre mit dem Bild tatsächlich für eine Diät geworben worden oder wäre mit einem magersüchtigen Model Kleidung beworben worden, hätte Frau Lapper vermutlich ebenso Sexismus darin gesehen, dass Facebook diese Werbung zulässt. Die Kritik ist also scheinheilig. Aktuell ist ein Verbot sexistischer Werbung in der Diskussion. Auch wenn es viele Fälle eindeutig sexistischer Werbung gibt, die gern unterbunden werden sollen, so gibt es doch einen breiten Graubereich, in dem Sexismus von der Interpretation abhängt. Wird mit einer attraktiven Frau für eine Bohrmaschine geworben, so könnte dies klassisch sexistisch sein, da die Blickfangwirkung des abgebildeten Körpers der Frau für die Bewerbung der Bohrmaschine genutzt wird - aber ansonsten kein Zusammenhang besteht. Umgekehrt könnte die Werbung aber auch gerade antisexistisch sein, da sie eine Änderung der in der Gesellschaft verankerten sexistischen Rollenverständnisse propagiert. Egal ob Facebook - oder eine andere Plattform - diese Anzeige durchlässt oder blockiert, wird der Vorwurf "Sexismus" gemacht werden. Dies zeigt die Scheinheiligkeit der Debatte, der es leider weniger um die Bekämpfung des Sexismus als um die eigene Bestätigung durch allgegenwärtige Verortung von Sexismus geht.

  • An ALLE, die jetzt empört aufschreien: Löscht erstmal euer Facebook-Konto und unterstützt den Konzern nicht mehr beim Einfahren seiner Mega-Gewinne. Danach: Empört aufschreien.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Wu:

      Wie kommst du denn darauf, dass alle, die jetzt empört aufschreien, ein Facebook-Konto haben?

       

      Weil du selbst eins hast? :)

      • @889 (Profil gelöscht):

        Nein, Sie (kleiner) Spinner. Aber Sie haben Recht, ich hätte selbstverständlich an die taz-lesenden und fremde Menschen duzenden Oberstudienräte und Deutschlehrer denken müssen und meinen Kommentar differenzierter formulieren müssen. Damit auch jene ihn verstehen.

    • @Wu:

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