Intransparenz bei Offshore-Terminal: Kungelei bei der Hafenplanung?
Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung soll sich gegen den Offshore-Terminal Bremerhaven ausgesprochen haben – also wollte der Senat die Planung selbst machen.
Hat der Senat dem Parlament im Jahre 2014 die Unwahrheit über die Planung des Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) gesagt? Diese Frage bewegte gestern Vormittag für einen kurzen Moment die Bremische Bürgerschaft. Der Abgeordnete der „Bürger in Wut“ (BIW), Jan Timke, hatte das Thema aufgebracht. Denn er erinnerte sich, dass im Jahr 2014 der Senat auf seine förmliche Anfrage, ob es „im Vorfeld der Planung für den Bau des OTB Absprachen mit der Bundeswasserstraßenverwaltung“ gegeben habe, die nach Ansicht der BIW zuständig gewesen wäre, ganz schlicht geantwortet hatte: „Nein.“
Und nun teilt der Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) mit, dass die Zuständigkeitsfrage damals „nach intensiver Abstimmung mit der Bundeswasserstraßenverwaltung“ so entschieden worden sei. „Entweder Sie haben damals das Parlament belogen oder jetzt die Presse“, erklärte Timke gestern im Parlament.
Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) sprang dem grünen Senatskollegen bei: „Absprache“ sei nicht dasselbe wie „Abstimmung“. Der Abgeordnete habe nach „Absprachen“ und nicht nach Abstimmung gefragt. Die anderen Oppositionsfraktionen fragten verwundert nach und gaben sich mit einer derart sophistischen Erläuterung nicht zufrieden.
Warum diese „intensive Abstimmung“ damals notwendig war und wo die Rechtslage klar gewesen sein soll, wie der Senat behauptet, das erklärte Lohse indes auch gestern nicht. Den brisanten Hintergrund erfuhren die Parlamentarier in der gestrigen Debatte also nicht.
Denn nach Informationen der taz hatte sich damals die zuständige Wasser- und Schifffahrts-Direktion Nord (WSD), die heute „Wasser- und Schifffahrts-Verwaltung des Bundes“ (WSV) heißt, im Vorfeld ablehnend gegenüber dem Standort für den OTB geäußert. Auch Weser-Lotsen hätten fachliche Bedenken geäußert – wegen der Auswirkungen vorbeifahrender Massengutfrachter auf die Bundeswasserstraße.
Die Bundesverwaltung hatte den Jade-Weser-Port und alle Baumaßnahmen beim Bremerhavener Containerterminal, CTI, CTII bis CTIV geplant, wäre also in dieser Tradition auch zuständig gewesen für Hafenprojekte, die die Bundeswasserstraße direkt tangieren.
Um zu verhindern, dass die Bundesbehörde mit ihrer skeptischen Auffassung die Planung förmlich übernimmt und dann möglicherweise nicht im Bremer Sinne handelt, habe es damals eine „intensive Abstimmung“ gegeben: Ergebnis sollen laut taz-Informationen zwei Erlasse gewesen sein, mit denen das Bundesverkehrsministerium seiner Wasserbehörde untersagt habe, sich für das OTB-Projekt zuständig zu erklären.
Insofern wäre auch klar, warum Wirtschaftssenator Günthner, nachdem das Bremer Verwaltungsgericht wegen dieser Rechtsauslegung einen Baustopp verhängt hat, Anfang dieser Woche „Rücksprache mit dem Bundesverkehrsministerium“ halten musste: Um klarzustellen, dass dieses zum Ergebnis der damaligen „intensiven Abstimmung“ steht.
Für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung besteht nun auch keine andere Möglichkeit, als auf eine gerichtliche Klärung der Grundsatzfrage zu bestehen, wer zuständig gewesen wäre. Dass damit die Bremerhavener Hoffnungen, noch ein Stück vom Offshore-Kuchen abzubekommen, immer geringer werden müssen, spielt für die Bundesbehörde keine Rolle.
Von der Wasserbehörde gab es gestern keine Stellungnahme zu der Frage, ob es Anweisungen aus Berlin gegeben hat. Es wäre höchst spannend, wenn das Bremer Oberverwaltungsgericht bei seiner Überprüfung des Baustopps darauf bestehen würde, dass die Unterlagen über die damalige „intensive Abstimmung“ zwischen dem Bremer Senat und der Behörde des Verkehrsministeriums zu den Gerichtsakten gegeben werden.
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