Kommentar Demoverbot in Frankreich: Notstand der Demokratie
Frankreichs Regierung nutzt das Notstandsgesetz, um 20 Autonomen ein Demoverbot zu erteilen. Mit dem Schutz vor Terror hat das nichts mehr zu tun.
G estützt auf die Notstandsgesetze hat das französische Innenministerium aus Sicherheitsgründen rund zwanzig Autonomen verboten, an den Demonstrationen gegen die Arbeitsmarktrefom teilzunehmen. Dem Gesetz zufolge ist das möglich und legal. Doch wer hätte gedacht, dass eine „Linksregierung“ zu einem solchen Mittel greifen würde, um das Demonstrationsrecht einzuschränken?
Der Gipfel dieses Machtmissbrauchs war es, dass auch ein Pressefotograf zu jenen zwanzig gehörte, die man laut Polizei bei Demonstrationen zu oft in der vordersten Linie bei Auseinandersetzungen gesehen habe. Wie die anderen war dieser Fotograf aber deswegen nie festgenommen oder verurteilt worden. Er hat nun mit Erfolg Beschwerde eingereicht, damit er neben dem aufgebrummten Hausarrest nicht auch noch ein befristetes Berufsverbot bekommt.
Dass mit solchen Präventivmaßnahmen potenzielle Anstifter zur Gewalt außer Gefecht gesetzt werden, was die Regierung nach diversen Konfrontationen der letzten Tage für notwendig hält, ist nicht sehr glaubhaft. Zu willkürlich ist die Selektion derer, die mit dem Demoverbot de facto unter Hausarrest gestellt werden. Es geht den Behörden mehr darum, mit dieser exemplarischen Anprangerung ein paar politisch Radikalisierter aus der Autonomenszene die Protestbewegung insgesamt einzuschüchtern oder gar zu kriminalisieren.
Wie schon während der Pariser Klimakonferenz dient der Notstand mit den erweiterten Überwachungs- und Repressionsmitteln letztlich dazu, die Opposition auf der Straße zu knebeln. Die Einführung und Verlängerung der Notstandsgesetze aber wurde offiziell mit dem Schutz der Bevölkerung vor Terroranschlägen begründet.
Darum geht es längst nicht mehr. Die Regierung macht sich die Vollmachten ungeniert zunutze – ausgerechnet auf Kosten der Demokratie, die gegen die Bedrohung durch Terroristen geschützt werden sollte.
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