Niedersachsen verschickt Strafzettel: Die Drohnenplage
Private und gewerbliche Drohnen bevölkern zunehmend den Himmel, Berichte über Beinahe-Kollisionen häufen sich. Jetzt gehen die Behörden in die Offensive.
„Die Meldungen über eklatante Verstöße häufen sich, da haben wir Handlungsbedarf gesehen“, sagt Silvana Reimann von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Wolfenbüttel. Ihre Behörde geht nun in die Offensive. Wegen Ordnungswidrigkeiten verschickt sie immer häufiger Strafzettel. Und die können jeweils mehrere Hundert Euro kosten.
Die örtliche Luftaufsicht ist in Deutschland Ländersache – in Niedersachsen ist daher Reimanns Abteilung zuständig. „Die Dimension des Problems hat eindeutig zugenommen“, sagt Geschäftsbereichsleiter Bernd Mühnickel. Während in Berlin und Brüssel die große Politik über neue Reglementierungen für Drohnenbesitzer nachdenkt, herrschte bisher in vielen bundesdeutschen Amtsstuben angesichts der fehlenden Registrierungspflicht weitgehend Improvisation. Denn wem soll man Bußgeldbescheide schicken, wenn man in der Regel nicht mal weiß, wem die Drohne gehört? Hilfreich sind da die Drohnenbesitzer selber – sie stolpern zunehmend über ihre eigenen Filme oder Bilder im Internet.
„So langsam läuft das an bei uns“, sagt Reimann. „Wir schauen uns oft die Bilder bei Google an und berechnen dann, wie hoch etwa die Wolkenunterdecke an dem Tag war.“ Die Methode, die der Berechnung der jeweiligen Flughöhe der Drohne dient, ist erfolgreich. Immer öfter erreichen die Behörde zudem Anzeigen und Beschwerden. „Alleine diese Woche sind fünf neue Anzeigen hereingekommen“, betont Reimanns Kollege Maximilian Beck.
Zum Vergleich: Im Vorjahr gab es eine pro Monat. „Das steigt rasant an“, erklärt Beck, der sich im Internet Drohnen-Luftbilder mit professionellem Interesse anschaut. „Da wird eigentlich immer etwas falsch gemacht, weil sich die Betreiber der gesetzlichen Auflagen überhaupt nicht bewusst sind.“
Drohnen auch in Flughafennähe
Das gilt auch für den Anflugsektor des Flughafens Braunschweig, wo es nach seinen Angaben immer wieder zu Drohnen-Sichtungen kommt. Beim dortigen Luftfahrtbundesamt (LBA) verweist Sprecherin Cornelia Cramer auf Vorstöße aus dem Bundesverkehrsministerium, durch gesetzliche Änderungen künftig den Drohnen-Wildwuchs am Himmel zu reglementieren. Das LBA ist die zentrale Meldestelle für Störfälle im gewerblichen Luftverkehr, das gilt auch für Beinahe-Kollisionen mit unbemannten Fluggeräten. „Bis Ende 2015 lagen dem LBA aus den vorausgegangenen Jahren von deutschen Luftfahrtunternehmen insgesamt sieben Störungsmeldungen vor“, sagt Cramer. Soweit die Statistik.
Doch unabhängig davon häufen sich in den Medien die Berichte über Drohnen-Sichtungen im an- und abfliegenden Passagierverkehr zwischen Chicago, London oder Paris. Das Phänomen Drohne ruft auch zunehmend Bürger auf den Plan, die sich gestört fühlen. „Die Unfallanzeigen nehmen zu, wir bekommen auch viele Anrufe von erbosten Nachbarn“, bestätigt Reimann. Es melden sich aber auch Grundstückseigentümer, die vor den Drohnenaufstieg nicht wie vorgeschrieben um Erlaubnis gefragt wurden. Die Behörde hat aber in erster Linie gewerbliche Drohnen im Visier, bei denen die Aufstiegsgenehmigung in Niedersachsen auf 100 Meter begrenzt ist.
Für die Sport- und Freizeitnutzung der Drohnen gelten vergleichsweise wenig Beschränkungen, doch drohen auch hier Fallstricke: „Wenn Bilder auf Youtube oder Facebook veröffentlicht werden, ist rein rechtlich der reine Sport- und Freizeitbereich nicht mehr gegeben“, meint Beck. Meist sind es Überflüge von Industrieanlagen, Kirchen oder Autobahnen, aber auch schon mal Flüge in extremer Höhe jenseits des vorgeschriebenen Sichtkontakts. Ein Drohnenbesitzer wurde von der Behörde angeschrieben, nachdem er im Internet über Funkkontakt zu seiner gut einen Kilometer hoch fliegenden Drohne berichtet hatte.
Erfahrungsgemäß zahlen die Angeschriebenen nach dem Ausfüllen eines Anhörungsbogens kommentarlos. Zumal viele moderne Drohnen auch über eine Art elektronisches Logbuch verfügen, über das sich die Flughöhe verfolgen lässt. Die Höhe der Geldstrafen liegt bisher bei 300 bis 450 Euro – der Gebührenrahmen für die Ordnungswidrigkeiten reicht aber bis zu 50.000 Euro. „Den wenigsten sind die Auflagen überhaupt bewusst – obwohl sie auf ihren Genehmigungen ausführlich erklärt aufgedruckt sind“, sagt Beck.
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