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SPD-Parteitag in BerlinZustimmung für TTIP und Ceta

Die SPD hadert schon lange mit den Handelsabkommen. Nach einer hitzigen Debatte stimmten die Delegierten mit deutlicher Mehrheit für den Kurs ihrer Parteispitze.

Mitglieder der SPD stimmen in Berlin für den TTIP-Antrag Foto: reuters

Berlin dpa | Nach einer hitzigen Debatte über die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta hat der SPD-Parteitag den Kurs ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel gestützt. Die Delegierten stimmten am Samstag mit deutlicher Mehrheit für den Leitantrag der Parteispitze.

Darin werden aus SPD-Sicht rote Verhandlungslinien gezogen, ohne deren Einhaltung die Partei die angestrebten EU-Abkommen mit den USA (TTIP) und Ceta (Kanada) nicht mittragen will. Wirtschaftsminister Gabriel erklärte, wenn endgültige Verträge zu TTIP und Ceta vorliegen, würden diese einem SPD-Konvent oder einem Bundesparteitag zur Abstimmung vorgelegt.

In der Aussprache wurde streckenweise die Zerrissenheit der SPD bei den Handelsfragen deutlich. Gabriel, der am Freitag bei seiner Wiederwahl mit einem sehr schwachen Ergebnis von den Delegierten abgestraft worden war, mischte sich energisch ein.

Es gebe gute Gründe, hart gegen jede Form von Freihandelsabkommen zu sein: “Ich gehöre nicht dazu.“ Als Bundeswirtschaftsminister habe er dazu eine Menge erreicht. Auf Druck Gabriels hatte die EU-Kommission die bisherige Praxis privater Schiedsgerichte, vor denen Konzerne Staaten auf Schadenersatz verklagen können, für TTIP verworfen. Offen ist, ob der Investorenschutz aus dem bereits ausgehandelten Abkommen Ceta mit Kanada noch getilgt werden kann.

Warnung vor zuviel Kritik

Vor allem Vertreter der SPD-Linken hatten zuletzt angezweifelt, dass Gabriel und die Parteiführung bei TTIP und Ceta standhaft bleiben. Sie warnten, dass große Konzerne zu viel Einfluss bekommen sowie Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt werden. Gabriel mahnte bei dem Thema exemplarisch seine Partei, sie müsse sich klar zur Regierungsfähigkeit bekennen: “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine Partei werden, wo die einen rigoros das eine, und die anderen rigoros das andere besprechen.“

Parteivize Ralf Stegner warnte die SPD indirekt davor, Gabriel als Wirtschaftsminister bei TTIP und Ceta in den Rücken zu fallen. Der Freihandel sei weder gut noch böse, brauche aber klare Regeln und Standards. Dafür werde die SPD sorgen.

Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über eine „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP). Mit rund 800 Millionen Verbrauchern würde so der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Umwelt- und Verbraucherschützer, Sozialverbände und Gewerkschaften befürchten eine Angleichung der Standards auf geringerem Niveau – das weisen Brüssel und Bundesregierung zurück. Das Abkommen Ceta (“Comprehensive Economic and Trade Agreement“) zwischen Europa und Kanada gilt als Blaupause für TTIP.

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24 Kommentare

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  • Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten! Mehr ist dazu leider nicht zu sagen.

  • Irgendwie scheint der Klimawandel und die COP21 Konferenz an der SPD komplett vorbeigegenagen zu sein. TTIP, CETA und die EPA's sind nur zu dem Zweck da, sich Vorteile zu verschaffen, gleichbedeutend und logisch, dass irgendwer die Nachteile haben muss. Es wurden sämtliche Steuerungsmechanismen über den Haufen geworfen und jetzt wird die gewaltsame Herrschaft des globalisierten Kapitals mit diesen Abkommen manifestiert. Freihandel ist auch ein beschönigender Aussdruck. Wer kann schon gegen Freihandel sein!? Dabei ist der Handel schon dermaßen befreit, dass es wieder Zeit wird für logische Beschränkungen um beispielsweise die Klimaziele zu erreichen. Auch müssen Zölle zugelassen werden, um Ländern Steuerungsmöglichkeiten zu geben. Zudem muss man sich vom Wachstum verabschieden. Das passt so gar nicht mehr in die kommende, veränderte Welt. Und dafür braucht man keine Knebelabkommen. Kein Privater wäre so blöd, solche Abkommen zu unterzeichnen. Niemand gibt freiwillig Spielraum her. Da drängt sich die Frage auf: Wem nützt das? Nur den multinationalen Konzernen. Und von denen kann man sicher keine Antworten erwarten, auf die Veränderungen im Zusammenleben der Menschen, die dann allen dienlich sein müssen. Also liebe SPD'ler: Entweder ihr macht wieder eine Politik die sich für alle Menschen einsetzt oder ihr seid weg vom Fenster. Was beim jetzigen Zustand der Partei nicht schade wäre. Erneuerung tut not. Und Stegner, als Parteilinker eingeordnet? Ruft dazu auf für TTIP etc. zu stimmen? Nadann mal gute Nacht!

  • alle vorgebrachten argumente fuer TTIP und CETA sind so offensichtlich an den haaren herbeigezogen, wie man es im anfaenger dabate club hoert.

    ´wenn wir nicht dafuer stimmen, dann werden irgendwann die niedrigeren standards gelten!´ ja, und wenn man nicht von der klippe springt, wird man nie den angenehm erfrischenden luftzug um die nase spueren.

    SPD, you are constantly digging your grave deeper and deeper

  • Mit dem Bekenntnis zu den Freihandelsabkommen macht die ?PD den entscheidenden Schritt von der Marktwirtschaft in die Zwangswirtschaft.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Immer ist bei Diktaturen das oberste Gebot: Die Macht. Macht teilen, oder gar Kontrolle der Marktmacht: Niemals.

      Curt Tucholsky hatte den Spruch: Soldaten sind Mörder. Sie bekommen die Waffen zur Förderung der Macht. Das ist Zwangswirtschaft. Nun wird durch die BLACKSTONES UND Konsortien die Globalisierung angestrebt. Und zwar durch modernste Technik und Kapital-Manipulation…

      Das will TTIP, TTP, Ceta und TISA.

  • Klare Regeln im Freihandel gibt es nicht,es gibt ja noch nicht einmal klare betriebswirtschaftliche REGELN in der EU....das PRINZIP der GLEICHHEIT innerhalb der EU ist nicht verwirklicht,siehe unterschiedliche STEUERSÄTZE in den Ländern,mit denen KONZERNE angelockt werden...Sie verlegen ihren FIRMENSITZ aus steuerlichen GRÜNDEN und earbeiten ihre GEWINNE in einem anderen LAND___

    (Amazon).

    Diese PRAXIS muß abgechafft werden!

  • Also wenn der endgültige Vertrag tatsächlich nochmal durch einen Parteitag muss, besteht noch Hoffnung. Vielleicht zieht ja doch noch irgendjemand mit Verstand und Anstand die Notbremse und schmeißt den gesamten Investorenschutz aus CETA (und in Folge auch aus TTIP) hinaus. Die ausländischen Investoren sind bei uns und drüben so geschützt wie die inländischen, und der Rest ist eben das sogenannte "unternehmerische Risiko", worauf man ja sonst immer so stolz ist.

    • @XXX:

      Nein, es besteht keine Hoffnung außerhalb Ihrer Träume.

  • In der SPD gibt es wohl noch Aufrechte, besonders an der Basis, die sich noch daran erinnern, daß die SPD einstmals eine Arbeiterpartei war, die kurz nach ihrer Gründung verboten worden war. Die Gruppe der politisch Maßgeblichen SPDler jedoch besteht größtenteils aus Opportunisten, aus Stieffelleckern des Kapitals und des Militärs (pardon für diesen Atavismus!), die den Kurs der Partei seit Jahrzehnten bestimmen. Von der SPD ist kaum noch eine progressive Regung zu erwarten. (Die sytemstabilisierenden Sozialreformen hat ihr die Merkel-CDU abgenommen.) Der TTIP-Beschluß läßt alles weitgehend offen, unterstützt jedenfalls, daß aus TTIP und Ceta "endgültige Verträge" werden, an denen dann ein bißchen herumkritisiert werden darf - aber Gabriel wird es wie Schröder machen und die Zustimmung von Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur abhängig machen. - Ich frage mich bloß, wieso viele Linke, auch hier in der TAZ, immer noch irgendeine entscheidende Wende dieser Partei zum Besseren erwarten. Das ist vergebliches Hoffen. Dieser Apparat ist viel zu gefestigt, zu etabliert und mit den Lobbyisten des Kapitals verflochten, als daß dies wahrscheinlich sein könnte.

    • @Albrecht Pohlmann:

      "In der SPD gibt es wohl noch Aufrechte, besonders an der Basis, die sich noch daran erinnern, daß die SPD einstmals eine Arbeiterpartei war..."

       

      Eben, WAR. Die letzten verbliebenen Aufrechten täten gut daran, die Konsequenzen zu ziehen.

  • Die berufsmäßigen Arbeiterverräter blasen jetzt zum letzten Gefecht. Niemand hat doch etwas gegen Freihandelsabkommen, aber konspirative Verabredungen zur systematischen Entrechtung und Ausbeutung der Werktätigen ganzer Wirtschaftsräume sind nichts, worüber man abstimmen könnte - die gehören sofort in den Müll.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Ihren Beitrag verstehe ich nicht. Zitat: 'Niemand hat doch etwas gegen Freihandelsabkommen ...'?

      Nur ein Beispiel vom 20.11.2015: 'Ecuador wurde von einem Schiedsgericht zu 1,1 Milliarden US-Dollar Strafzahlung an eine Firma in den USA verurteilt. Zwar anerkannte das Gericht, dass der US-amerikanische Ölkonzerns Occidental Petroleum (Oxy) gegen ecuadorianische Gesetze verstoßen habe, geht aber davon aus, dass die Firma durch den Staat benachteiligt wurde'.

      Was glauben Sie, was Monsanto (mit TTIP) machen wird, wenn z.B. Deutschland keine Gentechnik will?

      'Naja, reden wir mal über 20 Mrd pro Jahr an Schadensersatz'. TTIP ist Zwangshandel und ein stählernes Korsett. Nicht 'wer was will, soll es kaufen oder nicht, sondern wer was nicht will, soll Strafe zahlen', das ist TTIP und CETA.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Das sehe ich in diesem Fall ganz genau so. Es gibt allerdings auch eine Vielzahl von Abkommen, die geschlossen wurden, um Strafzölle und andere Handelsbeschränkungen abzubauen. Diese Abkommen tasten in der Regel auch die Gerichtsbarkeit der betreffenden Länder nicht an. TTIP und CETA sind hier doch überhaupt keine Freihandelsabkommen, sondern feindliche Übernahmen ganzer Länder. Die Überschrift "Freihandelsabkommen" ist reine Augenwischerei und soll etwas völlig Ungenießbares schmackhaft erscheinen lassen.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Ich denke, die Herren sind sich im Wesentlichen schon einig.

         

        Diese Freihandelsabkommen festigen die Diktatur des Kapitals und errichten eine Zwangswirtschaft.

  • Man erwartet ja von der ?PD nichts anderes mehr.

  • s.P.D. bedeutet 2015 Null über Null, was die soziale und demokratische Politik betrifft. Kein guter Politiker sollte eine so fatale Politik machen, wie Sigmar Gabriel. Nichts wissen, wie bei den 3 Affen: Kein Sehen, Kein Hören und dummes Sprechen ohne Denken.

    Was Willy Brandt und Olof Palme für die Nord - Süd Entwicklung international und die europäische Aussenpolitik vorbereitet hatten, ist heute Klopapier geworden. Dazu gehört auch die vom Club of Rome vorgelegte Analyse über die "Grenzen des Wachstums".

    Meine Prognose lautet: Die Bürgerbewegung wird stärker, die SPD landet unter 15%. Die Rechte mit AfD und Nazi-Pegida lacht sich ins Fäustchen.

    • @Johannes Spark:

      Meine Prognose ist, China wird zur größten Wirtschaftsmacht, Indien folgt nach, die Standards werden abgesenkt, da sich der Westen nicht einigen kann.

      • @Gabriel Renoir:

        na, Mr. Gabriel, schon mal in China gewesen? Oder in Indien? Zwei Länder, die 4000 Jahre total verschieden gelebt haben - Kastensystem? Keine Ahnung. Konfuzius?

        Da gehe ich doch lieber nach China als mich bei Blackstone anzumelden!

        Lieber Klimakatastrophe und auf dem Mars landen

        • @Johannes Spark:

          Teile Ihre Prognose. Verantwortungslosigkeit ist noch gar kein Ausdruck um zu beschreiben, was die SPD hier tut. Denn selbst wenn man das Thema TTIP und Ceta selbst ausser Acht lässt, so ist allein die Verantwortung dafür, durch den eigenen Verlust der Wählbarkeit am Ende die Rechten ins Parlament gebracht zu haben eine Unfassbarkeit, die den SPD Spitzen vor lauter Eigenprofitgesabber nicht einmal mehr in den Kopf kommt. Sie gefährden aktiv die Demokratie in diesem Land. Man kann sich nur noch weit distanzieren von solcher Politik.

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    Jetzt ist es also amtlich, dass nicht nur der Parteivorsitzende, sondern die gesamte SPD Politik für die Großkonzerne macht.

    • @3641 (Profil gelöscht):

      Wieso wird das Wort Korruption in Deutschland eigentlich nie ausgesprochen bzw. vermieden?

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Klares Bekenntnis zur Regierungsfähigkeit heißt für den erst gestern Abgewatschten, weiterhin so lange den Appendix zu geben, bis er nicht mehr gebraucht / gewählt wird.

  • Stegner hätte davor warnen können, die Beauftragten der Partei, zu denen auch ein Gabriel gehört, sollten ihr, der Partei, nicht in den Rücken fallen.

     

    Aber in der Richtung zu denken erscheint unüblich, und so wird auch gegenüber der nächst höheren, beauftragenden Instanz, dem Wähler verfahren. Wenn es hier bei den Handelsabkommen doch anders kommen sollte als befürchtet, hätte die sPD und ihre gewählte Führung mal was Vorzeigbares. Ob diese Vorstellung genügend Ehrgeiz entfachen kann?

     

    Bei einer Warnung vor zu viel Kritik ist dies zweifelhaft, denn Kritik ist kein Massengut, sondern hat eine begründete Fragestellung und formulierte Aufgabenstellung.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Die SPD wollte vielleicht wiedergutmachen, daß sie dem Meister die Verehrung verdorben hat, hat aber nicht verstanden, daß Gabriel das größte Problem der SPD ist. Und Gabriel versteht in seiner Eitelkeit und Arroganz sowieso nichts mehr. Allein daß der Meister in seiner Rede zu TTIP zwingend die Solidarität zu den übrigen SPD-Schwesterparteien in der EU höher stellt, als die Meinung der deutschen SPD-Delegierten ist schon sehr gewagt.

    Auch scheint der Meister überhaupt nicht mehr in der Lage zu sein, in seinem TTIP-Rausch, zu verstehen, daß das sog. 'Freihandelsabkommen' ein 'Zwangshandelsabkommen' wäre. Außerdem in Zeiten von großer Angst vor weiteren Klimaschädigungen (und wie diese vermieden werden könnten) auch noch den Warenaustausch über den Atlantik zu erhöhen, kann man nur als Hochseilakrobatik bezeichnen. (Fiktiver O-Ton Gabriel dazu: 'Wir sind hier und heute nicht in Paris, sondern sprechen heute über TTIP und nicht über den Klimawandel'). Vielleicht sollten so dicke Leute nicht auf so dünne Seile klettern.