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„Wissenskongress“ von AfD-FunktionärenFür alle Verschwörungsfans was dabei

Daniele Ganser, der sich mit 9/11-Theorien befasst, sagt die Teilnahme an dem rechten Kongress ab. Dafür sind Eva Herman und ein UFO-Experte dabei.

Hat explizite Ansichten zu Flüchtlingen, die sie gern mit Rechten teilt: Eva Herman (Archivbild 2009) Foto: dpa

Dortmund taz | Nachdem der erste sogenannte Alternative Wissenskongress in Witten im März zu Protesten geführt hatte, richten die Veranstalter ihren zweiten Kongress am 28. Februar 2016 im Parktheater Iserlohn aus. Auf dem Treffen kommen prominente Vertreter von Verschwörungstheorien zu Wort. Veranstalter ist der „Verein zur Förderung des politischen Dialogs“.

Dahinter stehen drei AfD-Funktionäre: der Bezirkssprecher von Ostwestfalen-Lippe, Udo Hemmelgarn, Ingo Schumacher, Vorsitzender des Stadtverbandes Aachen, und Sebastian Schulze, Sprecher im Märkischen Kreis.

Der vielleicht prominenteste der vier angekündigten Redner ist der Schweizer Daniele Ganser. Obwohl er auf der Kongress-Webseite noch immer aufgeführt ist, hat er seine Teilnahme inzwischen abgesagt. Grund sei, dass er in Deutschland seine Forschungsergebnisse zu den Terroranschlägen vom 11. September nicht darlegen könne, „ohne umgehend als Verschwörungstheoretiker angegriffen zu werden“, sagte Ganser der taz. Nach einem Vortrag im Oktober an der privaten Universität in Witten-Herdecke sei er Opfer von Hetze und Diffamierung geworden.

Ganser, der auch in linken Gazetten häufig zu Wort kommt, hat sich auf das Lieblingsthema der Verschwörungsszene spezialisiert: die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center. Er diskutiert vor allem die Frage, ob nicht eine Sprengung zum Einsturz des dritten Turmes geführt habe.

Michael Vogt, Gründer von Querdenken-TV, spricht in Iserlohn zum Thema Einwanderung. Sonst beschäftigt er sich auf seinem YouTube-Kanal mit übersinnlichen Dingen, wie den Erfahrungen einer „Rückführungsleiterin“, die den Wechsel von Menschen auf andere Planeten für möglich hält, oder sorgt sich um UFO-Abstürze. Er vermutet, dass hinter der aktuellen Fluchtwelle eine Geostrategie steckt, um den sozialen Frieden zu gefährden.

Gleichberechtigung als „Umerziehung“

Ein ähnliches Bild der Einwanderung vermittelt die ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman, die ebenfalls in Iserlohn zu Gast sein wird: „Viele von ihnen kommen nicht in friedlicher, hilfesuchender Verfassung, sondern sie sind laut, streitsüchtig, verprügeln sich gegenseitig, spucken Einheimische an und sie fordern ein besseres Leben“, schrieb Herman im August in einem Beitrag für das rechtspopulistische Magazin Compact. Für sie sind Migranten wie Waffen: „Der Sprengstoff kommt auf andere Weise daher, nämlich in Form fremdländischer Menschen, die vor kurzem, wie auf Knopfdruck organisiert, plötzlich massenhaft hierzulande einzubrechen begannen.“

In ihrem Kongress-Beitrag will sie die Frage erörtern, ob es sich bei der Gleichberechtigung nicht um das „größte Umerziehungsprogramm der Menschheit“ handele. 2007 hatten Herman ihre Äußerung zur Familienpolitik im Nationalsozialismus den Job bei der ARD gekostet. Seitdem spricht sie lieber mit dem vom russischen Staat finanzierten Sender RT Deutsch über die „deutsche Lügenpresse“.

„Hintergründe, Chancen und Lösungen allgemein verständlich erklärt“, heißt das Motto des Kongresses. Auch der vierte Referent, Ernst Wolff, passt gut in das Konzept der einfachen Wahrheiten. Die Welt würde komplett von der Finanzindustrie beherrscht, glaubt er.

In Witten hatten 200 Menschen gegen den 1. Wissenskongress protestiert. Auch in Iserlohn ist die Veranstaltung unerwünscht. Die Stadt hat den Vertrag für das Parktheater angefochten. Die Zusage sei aufgrund falscher Angaben eines AfDlers erfolgt.

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9 Kommentare

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  • "Ganser, der auch in linken Gazetten häufig zu Wort kommt, hat sich auf das Lieblingsthema der Verschwörungsszene spezialisiert: die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center. Er diskutiert vor allem die Frage, ob nicht eine Sprengung zum Einsturz des dritten Turmes geführt habe." - Merkwürdig, Mathias Bröckers, der zu 11/9 bekanntlich zwei Bücher veröffentlicht hat, die nicht gerade Mainstream sind, genießt bei der taz einiges an Ansehen. Ganser hingegen wird regelmäßig abgewatscht.

    • @reblek:

      Da haben Sie recht. Aber mit dem Thema 9/11 wird auch bei der taz die WOHLIGE KOMFORTZONE DES DEUTSCHEN BÜRGERLICHEN JOURNALISMUS berührt der sich zunehmend im U.S.-amerikanischen Fahrwasser der Denkverbote bewegt. Man charakterisiert etwas als "Verschwörungstheorie" und prompt braucht man nicht mehr journalistisch zu arbeiten. Daß es, neben über 1200 amerikanischen Wissenschaftlern, mittlerweiler schon die Spatzen von den Dächern pfeifen daß es mit der /offiziellen/ Verschwörungstheorie (19 muslimische gewaltbereite Hanseln) nicht stimmen kann (und die U.S.-Behörden sich standhaft weigern Dokumente herauszugeben) wird auch von der taz gerne ignoriert. Nebenbei könnte man durch das Aufgreifen dieses Themas auch Vorbehalte gegen Moslems entkräften - aber nein, da ist die taz zu sehr auf der Linie der U.S.treuen Kanzlerin.

  • Es spricht für Ganser, daß er sich nicht vor jeden Karren spannen läßt. Wer seine Vorträge und Interviews kennt, weiß, daß er dezidiert links-ökologisch argumentiert und mitnichten rechts ist. Mit seiner Diskussion um Theorien und Hypothesen zu 9/11, die von der staatlich verbreiteten Theorie der Taten abweichen, nimmt er sein gutes Recht als Zeithistoriker, mithin als historischer Wissenschaftler wahr. Zum "Verschwörungstheoretiker" machen ihn nur die, die kritisches Denken nicht mehr von paranoidem Wahn unterscheiden können. Die Geschichte ist voller Verschwörungen, false flag operations und Kriegslügen (Sender Gleiweitz - Golf von Tongkin - Iraks Massenvernichtungswaffen) und es erscheint mir nicht plausibel, Untersuchungen und Theorien hierüber in einer "links" oder "westlich" orientierten Zeitung auf einmal zu ächten. - Nebenbei: es erscheint mir auch als reichlich lächerlich, die Abhängigkeit Westeuropas von den USA zu leugnen.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Sobald Herr Ganser (oder eine andere Person der neurechten Querfront) irgendwo kritisch erwähnt wird, taucht sofort ein Proselyt auf und weist darauf hin, daß diese Person keinesfalls "Rechts" sonderen vielmehr "Links" sei.

      Dieselben Leute, pflegen ansonsten zu vermelden, daß "Rechts" oder "Links" völlig überholte Denkmuster seien.

      • @Wagenbär:

        Ich habe nirgendwo "vermeldet, daß "Rechts" oder "Links" völlig überholte Denkmuster seien." - Das hätten Sie aus meinen TAZ-Kommentaren mühelos ersehen können. Ich hätte es besser gefunden, wenn Sie inhaltlich auf meine Argumentation eingegangen wären, anstatt mich zum "Proselyten" zu machen.

  • Es gibt Verschwörungstheorien, aber das liegt zumeist daran, weil die Medien zu viele Fragen offen lassen, nicht beantworten oder sogar Lügen verbreiten.

     

    Natürlich nicht die TAZ.

     

    Und: Manchmal sind Verschwörungstheoretiker die besseren Journalisten.

  • Habe mal die Suchfunktion benutzt. Und siehe da: Noch 2009 formulierte die taz (http://www.taz.de/Das-Wiesn-Attentat-von-1980/!5158452/) "Der angesehene Schweizer Historiker Daniele Ganser" und verbreitete eine seiner Verschwörungstheorien, in diesem Fall zum Wiesn-Attentat 1980. Naja, immerhin ist die taz anscheinend lernfähig, und bejubelt heute, anders als die "nachdenkenseiten" nicht mehr diesen zweifelhaften Verschwörungstheoretiker.

  • „Viele von ihnen kommen nicht in friedlicher, hilfesuchender Verfassung, sondern sie sind laut, streitsüchtig, verprügeln sich gegenseitig, spucken Einheimische an und sie fordern ein besseres Leben“

     

    Wer vor Krieg oder Verfolgung geflohen ist, hat starke geistige Schmerzen davon tragen müssen. Man darf auch nicht vergessen, dass bei der aktuellen Flüchtlingskrise in einigen Ländern auf Flüchtlinge geschossen wurde.

     

    Wenn man jemandem laut zu sein scheint, dann ist es zum Beispiel, wenn in einem Land geschossen wurde und es Explosionen gab, bekommt man störungen im Gehör. Das ist oft bei älteren Menschen anzutreffen: sie hören schlecht und deswegen reden sie zu laut. Dann gibt es noch einen kulturellen Aspekt. Hat jemand den Touristen aus Italien des Öffteren beim Reden zugehört, wie laut die sind?

  • Ein wichtiger Punkt zur Zeit!

    NSA, TTIP, Terrorismus, das Daish-Regime (der IS), der Krieg in der Ukraine sei ja von den USA initiiert worden. Davon sind sehr viele Leute überzeugt.

     

    Die Theorie bei D Gansers Bestseller "NATO Geheimarmeen in Europa" ist ja die, dass die europ. Staaten nicht souverän seien, sondern von den NATO-sprich US-Militärs besetzt. Sie hätten einige Terroranschläge den Paramilitärs in Auftrag gegeben.

    Es verschiebt die Diskussion von innenpolitischen Konflikten auf einen außenpolitischen.

    Da schließen sich einige an: nicht mehr das Oktoberfest-Attentat sei von der Wehrsportgruppe Hoffmann, sondern von Gladio begangen worden, also "den Amerikanern."

    Begründungen und Motive würde ich da ganz anders sehen.

    Terrorismus als Problem der politischen Kultur und Psychologie - da wird es mit solchen Erklärungen Gansers externalisiert : die anderen waren es.

     

    So auch der Gerhard Wisnewski, der nur noch solches Zeug publiziert:

    Das RAF-Phantom: Herrhausen, Gutowski, Blessing seien kurz nacheinander vom CIA im Auftrag des US-Kapital ermordet worden.

    Frau Hogefeld widersprach energisch!