Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Verdachtsberichterstattung über Autohersteller, „World of Blähkraft“ – und wer ist eigentlich der „Godfather of Goebbeling“?

Ein Mann mit Brille guckt

Man kann nicht ausschließen, dass der Justizminister etwas von Justiz versteht: Er verzichtete auf eine Strafanzeige gegen Bachmann. Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Schlechte Laune weil Winter ahead.

Und was wird besser in dieser?

Verdiensthalber Umbenennung in Yesvember. Winter, wo ist dein Stachel!?

Auch Porsche stinkt mehr als einst getestet. Welches Auto kann man überhaupt noch fahren?

Au ja! Verdachtsberichterstattung! Mach ich am liebsten! Also, recherchefrei und meinungsstark: Gesetzt, dass über kurz oder lang jeder Autohersteller jede Konkurrenzerfindung nachmacht und oft beim gleichen Zulieferer ordert: Wie naiv ist die ganze Debatte bisher, die meint, ein paar Feinkotzzutaten aus dem Bosch-Regal seien ausschließlich und schlimm geheim bei VW gelandet?

Justizminister Heiko Maas verzichtet auf Strafanzeige wegen des Goebbels-Vergleich von Pegida-Boss Lutz Bachmann. Lassen sich deutsche Politiker zu viel gefallen?

Man kann nicht ausschließen, dass der Justizminister etwas von Justiz versteht: Bachmann coverte ein Zitat von ausgerechnet Willy Brandt. „Ein Hetzer ist er! Der schlimmste Hetzer seit Goebbels!“ beschied der SPD-Vorsitzende 1985 Heiner Geißler. Und war ob dessen juristisch nicht zu belangen. Bachmanns Pöbelpower mag also nur eine Suchmaschinensuche weit her sein. Und bleibt hinter Herbert Wehner zurück, der die Unionsfraktion schmähte: „Sie sind nämlich genauso dumm“ wie Goebbels. Kohls legendäres Selbstmordattentat, als er Gorbatschow – dem er später alles verdankte – mit dem „PR-Experten Goebbels“ verglich, ruinierte vorübergehend die deutsch-sowjetischen Beziehungen.

Doch „Godfather of Goebbeling“ bleibt der durchaus würdelose Greis Adenauer: „Der Führer der SPD hat vieles von Goebbels gelernt“, göbelte der Urkanzler gegen SPD-Chef Kurt Schumacher. Der hatte, im Gegensatz zu Zentrumspolitiker Adenauer – die Nazizeit meistenteils in KZs erlitten. Maas erspart sich also eine juristische Kalamität, Bachmann eine Aufwertung und lässt es in unser aller Urteil gestellt: Wo die Argumente enden, beginnt das Land des Goebbelns.

Es wird keine Transitzonen geben, dafür Registrierungszentren. Hat sich unsere Koalition jetzt endlich wieder lieb?

Diese Begriffsschlacht war um so lauter, je weniger der Kern in Frage stand: Eindämmung, Grenzziehung, Absperrung. Das waren zwei intensive Wochen „World of Blähkraft“, ob nun Einreisezentrum, Transitzone, Registrierungslager. Von den 360 Grad der möglichen Debatten bedienten die Koalitionsparteien kaum fünf Grad: Das gleiche in Schoko oder Karamell.

Wie hilft der Staat engagierten Bürgern beim Helfen? Warum werden sämtliche „karitative“ Altkleidersammlungen für Profit ins Ausland verkauft, während hier Not am Flüchtling ist? Wo kann man Bürokratie schleifen, um Menschen aus Lagern in Gästezimmer zu bekommen? Wieso werden händeringend gebrauchte Fahrräder gesucht in einem Land, das kürzlich fünf Milliarden Euro für’sAbwracken von Autos locker hatte?

Inzwischen kann man kaum mehr unterscheiden, ob die Stotterteutonen von Pegida die Regierung vor sich hertreiben, oder umgekehrt die Regierung als Top-Flankengeber für Leute agiert, die die Windel um den Kopf tragen sollten.

Die Rüstungsfirma Heckler & Koch lieferte Sturmgewehre nach Mexiko – und steht wegen Waffenschmuggels vor Gericht. Ein Kavaliersdelikt?

Der Heckler-&-Koch-Anwalt muss’ne Pfeife sein. „Seit wann fallen Waffen unter die Rüstungskontrollen, die eh nicht funktionieren?“ – Rückfrage Staatsanwaltschaft: „Was funktioniert nicht – die Waffen oder die Rüstungskontrollen?“ – high-five beide und Abmarsch unter Schellenklang in die Gerichtskneipe.

Während des Abfassens dieser Zeilen dröhnt überm Haus bereits irgendein Kamerahubschrauber oder der Privatzeppelin von Wolfgang Niersbach

Der Bundestag führt härtere Strafen für Sterbehilfe ein und hat sich gegen geschäftsmäßige Sterbehilfe ausgesprochen. Wird künftig weniger gestorben?

Ich bin dagegen, behalte mir jedoch vor, meine Meinung nach meinem Tod zu ändern. Der Bundestag ist den Weg der geringstmöglichen Änderung gegangen – weder wurden die Ärzte aus Gewissenskonflikten entlassen, noch der Sensemann-to-go zugelassen. Das Gesetz ist eher eine gesetzgeberische Pausentaste. Keine schlechte Lösung.

Und was machen die Borussen?

Während des Abfassens dieser Zeilen dröhnt überm Haus bereits irgendein Kamerahubschrauber oder der Privatzeppelin von Wolfgang Niersbach. Die Wohnstraße läuft voll mit Autos von Fans, die ab Dortmund-Barop gratis den ÖPNV nutzen. Das Stadion glüht vor. Derby. Fragt mich nächste Woche.

Fragen: AW, PEW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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