THC-Nachweis in Haaren unsicher: Rausch im Dienst der Wissenschaft
Eine Haaranalyse liefert keinen Beweis für den Konsum von Cannabis. Das haben Forscher der Universität Freiburg herausgefunden.
Das Team um den Toxikologen Professor Volker Auwärter stellte fest, dass die Einlagerung von Tetrahydrocannabinol (THC) in Haare nicht über den Blutkreislauf stattfindet, wie bislang vermutet. Abbauprodukte des Cannabis-Hauptwirkstoffs können über Schweiß und Hauttalg bei Körperkontakt auf andere Personen übertragen werden. Bisher galt der Nachweis von THC in den Körperhaaren auch als Nachweis für das Konsumieren von Gras und Hasch.
In einem einmonatigen Selbstversuch nahmen die zwei Hauptautoren der Studie regelmäßig Dronabinol, ein halbsynthetisch hergestelltes THC, in geringen Mengen zu sich und führten umfangreiche Messungen durch, wobei sie keinerlei Rückstände von THC in ihren eigenen Haaren fanden. Stattdessen entdeckten sie Rückstände von THC-Carbonsäure, eine körpereigene Substanz, die sich auch in Haarabschnitten befanden, die lange vor der Studie gewachsen waren.
Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland nicht strafbar, sagt der Berliner Rechtsanwalt Rainer Failenschmid, wohl aber der Besitz, Anbau, An- und Verkauf des Betäubungsmittels. Auch das Teilnehmen am Straßenverkehr unter Rauschmitteleinfluss ist strafrechtlich relevant.
Bislang werden beispielsweise im Rahmen von Fahreignungsprüfungen Messungen des THC-Gehalts im Haar vorgenommen. Eine Abgabe von Haarproben sei grundsätzlich freiwillig, sagte Failenschmid weiter. In Einzelfällen könne aber eine gerichtliche Anordnung die Abgabe einer Haarprobe erzwingen, etwa bei Bewährungsauflagen von Straftätern im Zusammenhang mit Drogenkonsum.
„Die neuen Erkenntnisse sind insbesondere bei Analysen von Kinderhaarproben im Rahmen von Sorgerechtsfragen von Bedeutung, da eine Cannabinoid-Übertragung bei engem Körperkontakt besonders wahrscheinlich ist und zu völlig falschen Rückschlüssen führen kann“, sagte Auwärter.
Die Ergebnisse ihrer experimentellen Arbeit veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“. Bereits in früheren Studien konnten die Freiburger Forscher nachweisen, dass es zu einer von außen herbeigeführten THC-Kontamination der Haare durch Cannabisrauch von anderen Personen kommen kann, die auch nach zahlreichen Haarwäschen erhalten bleibt.
Außerdem fanden sie damals heraus, dass bereits durch das bloße Hantieren mit Cannabis relevante Mengen Cannabinoide auf das Haar übertragen werden können. „Das ist besonders ärgerlich, wenn Menschen, die nicht konsumieren, aber mit einem Konsumenten in Kontakt kommen, deswegen positiv auf Cannabis getestet werden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung