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Jagd in FrankreichWölfe zum Abschuss frei

Paris beugt sich den Interessen der Schafzüchter, die über Verluste in ihren Herden klagen. In „Notwehr“ dürfen Wölfe nun erlegt werden.

Dieser Wolf ist nicht frei – wird dafür aber auch nicht abgeschossen Foto: dpa

Paris taz | Unter dem Druck der Schafzüchter hat Frankreichs Regierung den Abschuss von Wölfen erleichtert. Bis zu 36 der derzeit schätzungsweise 300 eigentlich geschützten Raubtiere sollen in der Saison 2015/2016 von Jägern getötet werden.

Seit 1992 gibt es in Frankreich wieder Wölfe. Damit begann auch der Konflikt mit den Schafzüchtern: Jedes Jahr werden Tausende ihrer Tiere angegriffen und getötet. Allein 2014 beklagten die Hirten mehr als 9.000 Attacken, die dem Wolf angelastet werden. Dem Staat kommt dies teuer zu stehen: 2014 bekamen die geschädigten Züchter 2,6 Millionen an Ersatzleistungen ausgezahlt.

Die Wölfe, die sich normalerweise von Menschen fernhalten, haben auch wegen der Raubzüge auf Schafherden ein schlechtes Image. Nicht nur die Schafzüchter, die regelmäßig nach besonders blutigen Wolfsattacken demonstrieren, bringen wenig Verständnis für die nützliche Rolle der Wölfe in der Natur auf.

In einem Dekret hat die Pariser Regierung darum die Jagd erleichtert. Zunächst sollen Wölfe, die sich in der Nähe der Herden aufhalten, mit Warnschüssen abgeschreckt und in die Flucht getrieben werden. Falls dies nicht reicht, dürfen die Hirten auch in „Notwehr“ auf angreifende Tiere schießen – wobei dieser Begriff etwas vage bleibt und letztlich von den lokalen Behörden auf verschiedene Weise interpretiert werden kann.

Die Bestände der Wolfsrudel werden zudem jedes Jahr mit festgelegten Abschussquoten bei amtlich genehmigten Hetzjagden dezimiert. Waren es zuvor staatliche Jagdaufseher des „Office national de la chasse et de la faune sauvage“ (ONCFS), die diese Wolfsjagd organisierten, kann diese Aufgabe nun auch Dritten – amtlich beglaubigten privaten Jägern – übertragen werden.

Der Wolf wird in Frankreich als Schädling betrachtet

Madline Raynaud, Tierschützerin

Gegen diese Lockerung der Jagdbestimmungen haben sich Tierschützer vergeblich mit einer von 67.000 Leuten unterzeichneten Petition gewehrt. Sie machen auch geltend, dass der Abschuss von Wölfen bisher so gut wie keinen Einfluss auf die Zahl der jährlich von Raubtieren gerissen Schafe und Lämmer hatte.

Doch ihr Protestgeheul wog in Paris weniger als die wirtschaftlichen Interessen und das lokalpolitische Gewicht der Schafzüchter. Madline Raynaud, Leiterin der Tierschutzorganisation „Association pour la protection des animaux sauvages“, bedauert dies: „Der Wolf wird in Frankreich mehr als Schädling statt als geschützte Tiergattung betrachtet.“

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13 Kommentare

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  • 300 wölfe zu bejagen ist blödsinn. vor allem, da sie nicht mit anderen wolfspopulationen genetisch verbunden sind. zusätzlich ist es fraglich ob es etwas nutzt, ein tier aus einem rude herauszuschießen. wobei das rudel dann ja weiterjagd. zusätzlich ist es äußerst schwer wölfe "anzusprechen" also nach geschlecht und alter zu bestimmen.

     

    es handelt sich hier also um eine eher populistische entscheidung, die beruhigung in die wohl hitzige debatte zu bringen. dennoch muss auch bedacht werden, dass die schäfer eine "lobby" haben irgendwo auf der welt, ist wohl eher ein gerücht. es geht bei dem streit um andere interessen: die landwirte sehen sich vermutlich, wie auch in deutschland, durch gesetze gegeißelt. der unmut entläd sich am wolf, da er umweltschützern am herzen liegt und ein ärgernis für die landwirte darstellen, die, im gegensatz zu den umweltschützern, mit ihm leben müssen.

     

    aber seis drum. welche nützliche rolle 300 wölfe in einer agrarlandschaft wie frankreich spielen sollen, würde mich mal interessieren, ebenso die frage, was für eine rolle der wolf in der natur spielt, wenn 9000 attacken/jahr auf schafe durch 300 wölfe auf sein konto gehen?

     

    auch frage ich mich, warum so ein bohei um den ungefährdeten wolf gemacht werden wohingegen das wisent, bspw., ein gefährdetes tier hier nicht leben darf? ist das etwa artenschutz? ein witz ist das!

  • Die Schafhaltung in Frankreich wird in einem derart großen Rahmen und quasi industriell betrieben, dass es zum einen sowieso schon ökologisch höchst bedenklich ist, denn es werden freie Naturflächen und keine ausgewiesenen Weiden benutzt, zum anderen ist es ein gigantisches und hochsubventioniertes Millionengeschäft mit entsprechendem Potential zu Betrug und Manipulation, was die Zahl gerissener Schafe durch Wölfe angeht.

    Das machen übrigens auch Schäfer in Bayern genauso, angesichts der Zahl der Tiere prozentual sogar öfter.

     

    Die Schafe, die in Frankreich Millionenfach im Sommer in den Alpen, im Winter auf den Causses frei herumlaufen, werden ganz nebenher auch von Menschen gewildert=gestohlen.

     

    Ich vermute, man wird somit kaum Wölfe finden, weil die Zahlen viel zu hoch angesetzt sind und schlichtweg verunglückte, gestohlene oder auch von Hunden gerissene Tiere den Wölfen in die Schuhe geschoben werden.

     

    Stallhaltung o.ä. Quatsch ist bei dieser Art der Schafhaltung gar nicht möglich, nicht einmal im Winter.

     

    Noch nicht einmal das vergleichsweise dünn besiedelte südfranzösische Alpenland bietet Wölfen wirklich hinreichend große Reviere, denn es zählt nicht nur das evtl. Nahrungsangebot. Die wirkliche Gefahr geht von Hunden aus, die sich mit Wölfen paaren und Bastarde generieren, die tatsächling zu Kulturfolgern werden und anfangen, über Nahrungssuche auf Müllhalden und gelegentlichen Viehraub immer mehr in die Nähe der Städte vorrücken.

  • Wirklich schlimm wie die französische Regierung EU-Artenschutzgesetze mit Füßen tritt. Von dem Land das zusammen mit Deutschland das Fundament dieser Gemeinschaft ist sollte man ein vorbildliches Verhalten erwarten können. Komischerweise stehen die hohen Rissmeldungen in den franz. Alpen in keinem Verhältnis zu den Rissmeldungen in den italienischen Alpen. Das hängt wohl eher mit der 3x so hohen Entschädigung in Frankreich als mit der Wolfspopulation zusammen. Gerade wurden dort auch über 200 Steinböcke zum Abschuß freigegeben, ein eigenartiges Verständnis von sich selbst regulierenden Ökosystemen. Der Wolf gehört zu unserer Natur und darf nicht den Interessen derjenigen geopfert werden die Landschaften nur nach dem Nutzwert für Menschen beurteilen. Dieser Artikel wird unter Wolfsfreunden in der Facebookgruppe "Schützt die Wölfe in Deutschland" diskutiert.

    • @Tom Schulze-Helmke:

      Scheiß Facebook - by the way!

  • Katzen sind Haustiere und Familienmitgleider, Schafe sind Nutztiere, die jeder Bauer übrigens irgendwann schlachtet, um ihnen dann das Fell über die Ohren zu ziehen. Dagegen ist per se nichts einzuwenden, ihr Vergleich hingt allerdings gewaltig.

     

    Sinnvoller wäre es das Geld in Herdenhütehunde zu investieren. Mit 2,6 Millionen liese sich da einiges machen.

     

    Apropos Geld: Der Nutzwert, wen ein Lebewesen für einige Zeitgenossen schon nur deshalb eine Existenzberichtigung hat, müsste seitens der Forstverwaltung einmal erhoben werden. Aber ach ja, das sind ja Jäger und die wollen gefälligst Rehwild schießen, wenn sie in den Wald gehen. Böser, armer Wolf!

     

    PS: Ist eigenlich bekannt, wieviele Schafe von Haushunden jedes Jahr gerissen werden?

    • @niktheking:

      Das heißt ein Schäfer dem es das Herz bricht wenn er morgens ein paar seiner Schafe halbtot auf der Weide findet hat seinen Beruf verfehlt?

       

      PS: Ist Ihnen bekannt was mit wildernden Haushunden passiert?

       

      [sarkasmus]

      Was wäre eigentlich wenn ich meinen Haushund zum Selbstversorger erziehe, wenn der anfängt sich selbst mal die ein oder andere Katze zu genehmigen ist das eine viel natürlichere Haltung. Ich kaufe den Nachbarn auch gerne neue Katzen

      [/sarkasmus]

      • @Questor:

        Questor, nein, ein solcher Schäfer hat sein Beruf nicht verfehlt. Wie kommen sie darauf? Ein Schäfer bekommt Geld für einen Riss. So what? Wird er moralisch, weil sein Schaf einen grausamen, aber natürlichen Tod gefunden hat? Warum kauft er sich dann kein Herdenschutzhund, wenn er ein solcher Schafsfreund ist. Zig Studien belegen, dass das die wirksamste Methode ist.

         

        PS: Mit den Hunden passiert gar nichts. Die Versicherung springt ein, der Schäfer bekommt sein Geld, Ende Gelände. Oder haben Sie schon mal gehört, dass sich die Schäferlobby gegen Hunde stark macht? Ne, ich auch nicht! Ich habe den Jagdschein und Sie?

  • „Der Wolf passt bei uns leider nicht mehr in die Region außerhalb der Naturschutzgebiete.“

    -Naturschutzgebiete sind in Deutschland i. d. Regel recht kleine Flächenverbände. Wolfsterritorien sind sehr viel größer.

    -Wölfe benötigen a) beutetier und b) ruhezonen. beute gibt`s in den meisten regionen deutschlands in hülle und fülle. Ruhezonen gibt`s im norddeutschen flachland (=arsch der welt) auch.

    Konflikte gibt es dort, wo zu a+b) noch schafweide, wanderschäferei und ggf. mutterkuhhaltung auf der weide stattfinden – was bei unser landwirtschaft eher die hochsubventionierte ausnahme ist.

    „und führen mittel- bis langfristig entweder zu einer 365-Tage-Stallhaltung der designierten Beutetiere oder zu massiv umzäunten Weideflächen...“

    -Die 365 tage stallhaltung ist der absolute regelfall bei rinderhaltung, jede weide in deutschland ist umzäunt, das kümmert weder reh noch wolf. Wanderschäferei ist durch den steuerzaher bezahlte landespflege (deiche, alpen,..) oder folklore, ökonomisch selbst tragfähig ist sie nicht.

    „Stellen Sie sich vor sie finden Ihre Katze morgens halbtot ..“

    Ein kalb oder ein schaf ist ein nutztier, der vergleich hinkt.

    „.. und man einfach nur gerne wieder einen Wolf hätte den man dann bei Ausflügen ins Grüne auf einer malerischen Waldlichtung erblicken kann ..“

    - die gesellschaft zahlt bereitwillig für die konsequenzen (entschädigunegen, etc). und warum sollte mir von ihnen beschriebenes naturerlebnis nicht etwas wert sein?

    „Das Argument dass Abschüsse nichts an den Zahlen der gerissenen Tiere ändern verstehe ich nicht.“

    Pauschale abschüsse ändern nichts, da es einzelne wölfe sind, die sich auf nutztierrisse spezialisieren. Es müssten gezielt die altwölfe dieser rudel ausgeschaltet werden, da sie ansonsten ihre unart an die nächste generation weitergeben.

  • Es ist schon grotesk was für eine Debatte da in Frankreich am Kochen ist. Die Zahlen lassen einen schon etwas ratlos zurück, wenn man sie mit denen aus Sachsen vergleicht: In 12 Jahren 676 getötete Tiere; davon nachweislich Wolf 76 Tiere. Nachweislich 76 durch Wolf bedeutet, dass die Zahl der 676 Tiere eine vermutlich recht hohe Dunkelziffer an Hunderissen oder sonstigen Todesursachen beinhaltet. Hier wurde auf Kulanz, zulasten des Wolfs entschädigt. Der durchschnittliche Entschädigungswert eines Schafes liegt in Sachsen bei 150 €/Tier. Da sind französische Schafe locker das 4-fache wert.

    Und lieber Questor, Abschüsse helfen hier leider gar nichts wie unlängst in einer kanadischen Studie nachgewiesen wurde. Was hilft ist Prävention! Herdenschutz durch angepasste Zäune und ggfls. sogar mit Schutzhunden. Das wird in Frankreich scheinbar erfolgreich boykottiert - zulasten der Schafe. Dabei sollte das Wohl seiner Schutzbeauftragten dem Schäfer eigentlich wichtiger sein als politische Spielchen.

    Und noch eines: Neonazis abschießen ist auch nicht das Mittel der Wahl - oder? Eine seltsame Themenvermischung!!!

    • @Popanek:

      Schon wieder so ein "Experte".

       

      Nicht jeder Zaun ist erlaubt. Da sprechen Bauamt und Landschaftsverband und ggf. Wasserschutzbehörde noch ein Wörtchen mit.

      HSH sind auch nicht immer möglich. Meistens scheitert es an der Akzeptanz (erinnert mich an den Wolf).

      Ja, die kanadische Studie ist sehr wohl bekannt. Aber was ist mit den überfahrenen Wölfen? Die werden auch quasi "entnommen" ;-)

      • @Ruth Frettchen:

        Selber "Experte":

        Angepasste Zäune sind überall erlaubt. Sie müssen halt "angepasst" sein. Falls Du Dich hinsichtlich dessen weiterbilden magst schau mal im Anhang des MP Wolf Brandenburg nach.

        Und das Argument mit den überfahrenen Wölfen hilft mir ehrlich gesagt auch nicht weiter. Was ist die Aussage?

  • Ich kann die Problematik gut verstehen. So sehr ich das Tier an sich mag: Der Wolf passt bei uns leider nicht mehr in die Region außerhalb der Naturschutzgebiete.

     

    Entschädigungszahlungen für gerissene Schafe können keine adäquate Lösung sein (Wer das nicht nachvollziehen kann: Stellen Sie sich vor sie finden Ihre Katze morgens halbtot vor der Wohnungstür. Man teilt ihnen mit dass sowas jetzt normal ist und kauft Ihnen eine neue Katze. Nach wievielen Katzen bekommen Sie das Kotzen?) und führen mittel- bis langfristig entweder zu einer 365-Tage-Stallhaltung der designierten Beutetiere oder zu massiv umzäunten Weideflächen - soll das Rehwild doch sehen wie es seinen Weg findet. Ich halte das für einen sehr hohen Preis.

    Insbesondere weil ich den Eindruck habe dass einem nicht unbeträchtlichen Teil der Petitionsunterzeichner diese Konsequenzen am Allerwertesten vorbeigehen und man einfach nur gerne wieder einen Wolf hätte den man dann bei Ausflügen ins Grüne auf einer malerischen Waldlichtung erblicken kann bevor das edle Tier dann von einem knackenden Zweig aufgeschreckt im Unterholz verschwindet.

     

    Das Argument dass Abschüsse nichts an den Zahlen der gerissenen Tiere ändern verstehe ich nicht. Wäre die Konsequenz nicht eher dass nicht genügend Wölfe getötet werden? Wenn - um ein aktuelles Beispiel heranzuziehen - Neonazis auf dem Vormarsch sind wird doch auch keiner argumentieren dass Programme gegen Rechtextremisten offenkundig keine Wirkung haben und wir das Geld lieber in den KiTa-Ausbau stecken sollten. Im Gegenteil, das Geld müsste aufgestockt werden.

    • @Questor:

      Man KÖNNTE argumentieren, dass erhöhter Jadgdruck die Bereitschaft der Wölfe erhöht, "menschennahe" Beute wie eben z. B. Schafe zu reißen, um die sie sonst wegen des Risikos vielleicht eher einen Bogen machen würden. Denn für sie bedeutet verstärkte Jagd vor allem, dass sie weniger Zeit und Platz für ihre eigene Jagd haben und schauen müssen, wo sie die Kalorien herbekommen. Aber ob das auch wirklich so passiert, müsste erstmal bewiesen werden.