piwik no script img

Erfindungen aus AfrikaDer neue Kolonialismus

Nach Ressourcen werden Ideen gestohlen: Der finnische Konzern Nokia eignet sich die Erfindung zweier afrikanischer Studenten an – ein mobiles Handyladegerät fürs Fahrrad.

Bis außer dem Umriss nichts mehr übrig ist? Europäer und Amerikaner beuten seit Jahrhunderten den afrikanischen Kontinent aus. Bild: DMG07 / photocase.com

Die Idee ist so genial wie naheliegend: Der Mobiltelefonhersteller Nokia hat ein System entwickelt, mit dem sich Handys bequem und umweltschonend beim Fahrradfahren aufladen lassen. Das Ladegerät wird am Lenker montiert und mit einem Dynamo verbunden. Ende des Jahres soll es für 15 Euro auf den Markt kommen. Ein System, wie gemacht für Großstädter, die weder auf Technikschnickschnack noch auf ökologisches Gewissen verzichten möchten.

Zur eigentlichen Zielgruppe gehören aber andere: China und Indien etwa und afrikanische Länder, in denen die Verbreitung von Handys rasant zunimmt. So besitzt in Kenia über die Hälfte der 38 Millionen Einwohner ein Mobiltelefon, aber nur wenige haben Stromanschluss. Auf dem Land nehmen Handybesitzer weite Wege in Kauf, um ihre Geräte an Autobatterien oder Solarstationen aufzuladen - für bis zu zwei US-Dollar pro Ladung.

Nokias Fahrradladestation könnte Abhilfe schaffen. Einziger Haken: Die Idee ist vermutlich geklaut. Von zwei kenianischen Studenten. Jeremiah Murimi und Pascal Katana aus Nairobi haben 2009 ein System gebastelt, das dem von Nokia verblüffend ähnelt. Ganz simpel, aus Material vom Schrottplatz. Die BBC, später auch Technikblogs berichteten über die Erfindung.

Der finnische Mobilfunkhersteller könnte so von der Fahrradladestation erfahren haben, wehrt sich aber gegen den Vorwurf des Ideenklaus. "Unsere Entwicklungen entstehen in engem Austausch mit den Kunden vor Ort. Aber ein Dynamo an sich ist ja noch keine besonders neue Erfindung", sagt Nokia-Sprecher Robert Jeschonnek. Das sehen die beiden Erfinder anders. "Wir fühlen uns bestohlen und entmutigt, besonders weil wir unsere Erfindung sogar patentiert haben", sagt der 25-jährige Elektrotechnikstudent Murimi.

Vor über zwei Jahren ließ Nokia von Konsumethnologen Anforderungen und Bedürfnisse des afrikanischen Markts untersuchen. Wo Crowdsourcing, also auf Kundenbedürfnissen basierende Produktentwicklung, aufhört und der Ideendiebstahl beginnt, ist dabei nicht immer klar. Waren die Schwellen- und Entwicklungsländer lange vor allem billige Rohstofflieferanten, so dienen sie heute als Quelle der Inspiration für die Zukunft. Die Innovationsabteilungen großer Konzerne setzen zudem verstärkt aufs Netz. Blogs wie afrigadget.com zeigen Entwicklungen, die dem klassischen Erfinderprinzip folgen: unkonventionelle Lösungen mit einfachen Mitteln. Auch über das Fahrradladesystem von Murimi und Katana hatte das Blog berichtet.

Besonders viele Zugriffe hat Afrigadget in den USA. "Darunter sind sicher auch viele CEOs amerikanischer Firmen", vermutet Jürgen Eichholz, Nachhaltigkeitsberater aus Frankfurt und Afrigadget-Autor. Dabei sollte das Blog eher einen aufklärenden Charakter haben. "Afrikaner sollen sich nicht so sehr an den Industrienationen orientieren, sondern den Wert ihrer eigenen Ideen und Produkte schätzen lernen", sagt er.

Das Urheberrecht sei Sache der Politik. In vielen afrikanischen Staaten ist es aber hoffnungslos veraltet. Für Diebstahl geistigen Eigentums werden in Kenia höchstens 800.000 kenianische Schilling, umgerechnet etwa 10.000 US-Dollar, Strafe fällig. Peanuts für Multimilliardenkonzerne.

Erfinder Jeremiah Murimi setzt seine Hoffnung daher auf eine bessere Vernetzung der Afrikaner untereinander. Ende August fand in Nairobi die "Maker Faire Africa" statt, eine afrikanische Innovationsmesse, initiiert und organisiert von den Afrigadget-Machern. Murimi hat dort Kontakte zu Geschäftsleuten aus Angola und Sambia geknüpft, die Interesse an seiner Entwicklung haben.

Trotzdem bleibt er skeptisch: "Ob jemand wirklich ehrlich ist, merkt man erst, nachdem man einen Vertrag mit ihm geschlossen hat." An Ideen mangelt es Murimi jedenfalls nicht. Wie wertvoll die - für andere - sein können, hat er schon erfahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

15 Kommentare

 / 
  • R
    Rumpel

    Patentklau wurde bei BrandEins schon besser aufgezeigt, einfach mal nach "Die Marathon-Männer oder Drei Freunde gegen einen Milliardenkonzern" googlen.

     

    Nachdem die Inhaber das Patent nicht verkaufen wollen, benutzt der Konzern es Jahre später wissentlich trotzdem, nachdem ein eigener Versuch das Patent anzumelden am vorhandenen scheiterte.

    Was nützt ein Patent, wenn man nicht eine Million Dollar Prozeßkostenvorschuss auf den Tisch legen kann?

  • Y
    Yagharek

    Irgendwie komme ich da nicht ganz mit.

     

    ein Handyladegerät, welches man an ein Fahrraddynamo anschließen kann, gibt es schon ewig und drei Tage. Habe mir selber einesvor zwei Jahren nach einer Anleitung aus der c't gebastelt.

     

    Warum soll hier Nokia eine Idee zwei afrikanischer Studenten geklaut haben?

  • KM
    Klaus Müller

    Das ist Unsinn. Wenn ich einen Dynamo mit einem Kabel und mit einem Ladegerät verbinde und damit mein Handy während des Radfahrens auflade, dann ist das eine sehr naheliegende Idee, der die notwendige Patenthöhe für ein gewerbliches Schutzrecht fehlt. Es gilt der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit; jedenfalls im europäischen Rechtsraum und für diese Idee aber auch im angloamerikanischen Recht. Diese Grundlagen sollte der Autor vielleicht einmal herausarbeiten, bevor er einen solchen Quatsch von den bösen Finnen und den armen Afrikanern in die Welt schickt. Kann man leicht auf www.dpma.de nachlesen. So ist das bedauerlicherweise Schülerzeitungsniveau. Viel spannender wäre es, sich einmal mit der Frage des zulässigen Nachahmens von Kontinent zu Kontinent zu beschäftigen, Welche Bedeutung hat es beispielsweise für unsere kulturelle Entwicklung, wenn wir Afrikaner nachahmen und umgekehrt? Mit dem Handy-Dynamo, mit dem sich bestimmt jeder deutsche Patentanwalt schon mehrfach beschäftigen musste, hat das aber nichts zu tun.

  • MM
    M. Möhling

    Nokia versieht Dynamo mit Spannungsbegrenzer, lädt damit Handy auf - taz erkennt Neokolonialismus. Erfindungshöhe in beiden Fällen: 0.

  • P
    Petersen

    Ich befürchte, dass hier nicht ausreichend recharchiert worden ist. Die Firma Busch & Müller aus Meinerzhagen hat ein solches Gerät bereits seit 2009 im Programm. Es liegt allerdings in einer Preisklasse, die nicht mit den 15 Euro von Nokia vergleichbar ist.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Petersen

  • N
    Nik

    Aber natürlich, da wäre Nokia bestimmt niemals nicht selbst drauf gekommen - das man mit einem Fahrraddynamo ein Hnady aufladen könnte.

    Wenn man jetzt aber in den AfriGadget-Blog in die Meldung zu dem Nokia-Lader guckt, findet man doch tatsächlich in den Kommentaren Links, dass schon ein paar Jahre früher solche Produkte zu kaufen waren, zB in China 2005. (Aber psst, sonst passt das "narrative" nicht mehr ;-) )

  • V
    velofisch

    Das Thema Handyladen per Fahrraddynamo ist wirklich nicht neu. Im Internet gibt es hierzu schon seit Jahren Bauanleitungen (z.B. http://www.forumslader.de/). Auch gibt es einige kommerzielle Produkte (z.B. von Busch & Müller).

    Die Idee ist daher sicher nicht erst kürzlich aus Afrika geklaut worden.

    Trotz des unpassenden Beispiels möchte ich die Problematik, dass das Rechtsinstitut "geistiges Eigentum" praktisch nur zum Nachteil der Entwicklungsländer eingesetzt wird, nicht in Frage stellen.

  • AS
    Andreas Suttor

    Tja - weder Nokia noch die afrikanischen Studenten haben ein solches Gerät erfunden, insofern erübrigt sich auch ein Streit über neuen Kolonialismus. Eine deutsche Firma für Zweiradzubehör bietet das sogenannte E-Werk an - und das bietet nicht nur die Möglichkeit, jegliche Handys, sondern auch alle anderen elektronischen Geräte während der Fahrradfahrt zu laden. Das Gerät ist bereits seit längerem auf dem Markt und kann bei jedem Fahrradhändler erworben werden.

  • D
    Dirk

    Sicher dass es sich um eine Idee aus Afrika handelt? Ich kenne so ein Ladegerät für's Fahrrad seit Jahren, kommt allerdings aus Taiwan...

  • R
    Rod

    Akkuladegeräte fürs Fahrrad sind doch ein alter Hut. Fernreisende Fahrradfahrer haben bereits seit es Akkus gibt versucht Ladegeräte fürs Fahrrad zu basteln.

    Im Reiserad-Forum (rad-forum.de) gehen Baupläne für Akkuladegeräte, die am Lenker montiert und von einem Nabendynamo mit Strom versorgt werden bereits seit vielen vielen Jahren um. Neuester Stand sind Ladegeräte, die nicht nur Handys, sondern generell jedes Gerät mit USB-Anschluss aufladen.

    Im Reiseradforum gibt es insbesondere das "Foren-Ladegerät", das aus den Ideen und Wünschen von Fahrradreisenden entwickelt wurde.

    Im Globetrotter-Katalog befinden sich solche USB-Ladegeräte ebenfalls schon länger im Angebot. Erste kommerzielle Angebote von Fahhrad-Akkuladegeräten gibt es ebenfalls schon seit Jahren!

  • B
    bunub

    So eine Vorrichtung um mit dem Dynamo um ein Handy zu laden wäre in Deutschland nicht einmal patentwürdig, wegen zu geringer Erfindungshöhe. Da finde ich die Vorwürfe schon ein wenig hysterisch.

     

    Die beiden Afrikaner können doch ihr eigenes Ding aufbauen, selbst wenn das Produkt doppelt so teuer wird, ich bin sicher, dass es beliebter sein wird als die Nokiaversion.

  • T
    Triebtier

    Wo und ab wann ist den der Geltungsbereich des Patentes der Erfinder? Sie haben offensichtlich auch nicht die leiseste Ahnung von Patentrecht, das kein poltisches, sondern ein juristisches Mittel ist, das sehr wirkungsvoll sein kann.

  • K
    Kai

    Ohne ein Problem verharmlosen zu wollen, das es tatsächlich gibt.

     

    Aber solche Schaltungen, die Wechselstrom aus dem Fahrraddynamo umwandeln in eine 5V-Gleichspannung für USB, gibt es in Deutschland bereits seit mehreren Jahren zu kaufen, von mehreren Herstellern. Und im Netz existieren ebenfalls Open-Source-Varianten einer solcher Schaltung. Das wäre also zumindest nicht mehr patentierbar. Wenn die spezielle Schaltung der beiden Studenten derjenigen von Nokia sehr ähnelt, wären rechtliche Konsequenzen natürlich trotzdem denkbar.

  • D
    denninger

    Ähem, wenn Nokia "vor über zwei Jahren", also spätestens Anfang bis Mitte 2008 den afrikanischen Markt unter die Lupe nahm, die beiden "Erfinder" aber erst 2009 mit ihrer Entwicklung (Erfindung ist etwas zu hoch) an die Öffentlichkeit gingen, muss das nicht unbedingt ein geistiger Diebstahl der Finnen sein.

    Aber klar, Julian, der weisse Mann und erst recht der weisse Konzern sind immer die Bösen. Die Welt ist halt so einfach wie ein Kinderbuch.

  • O
    olav

    Das C't Magazin hat schon 2007 eine solche Schaltung vorgestellt, gebaut wird sowas aber schon seit Jahrzehnten, da es im Grunde nur um einen Gleichrichter geht.

     

    Warum das jetzt so neu sein soll oder warum es für Nokia möglich war das zu patentieren leuchtet mir nicht ein.