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Roma in ItalienAusgrenzung mit System

Der italienische Staat tut nichts für die Situation der Roma und Sinti. Vorurteile halten sich hartnäckig, sogar staatliche Stellen glauben, Roma würden Kinder stehlen.

Sie werden gehasst und rumgeschoben: Eine Roma-Familie schaut zu, wie ihr Camp geräumt wird. Bild: ap

ROM taz | Bei der italienischen Bevölkerung verachtet, ja oft auch verhasst, von den Behörden drangsaliert und schikaniert: So lässt sich die Situation der Roma und Sinti in Italien zusammenfassen. So gut wie jedes "Zigeuner"-feindliche Stereotyp hat in Italien überlebt und bestimmt immer wieder auch die Interventionen staatlicher Stellen.

Es beginnt damit, dass Roma und Sinti auch heute noch im offiziellen Sprachgebrauch "nomadi" heißen - Nomaden eben, fahrendes, nichtsesshaftes Volk. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno hat gleich nach seiner Wahl vor knapp drei Jahren einen "piano nomadi" aufgelegt: seinen "Plan für die Nomaden".

Die zählen in ganz Italien - schätzungsweise - 120.000 bis 170.000. Als gesichert hingegen gilt, dass die meisten von ihnen schon seit Jahrzehnten, teils seit Jahrhunderten im Land leben. Ungefähr 70.000 besitzen die italienische Staatsbürgerschaft. Seit den 1990er Jahren kamen außerdem etwa 20.000 Roma aus den exjugoslawischen Ländern und Rumänien nach Italien. Vor allem sie hausen in den elenden Barackenlagern der großen italienischen Städte, an Ausfallstraßen, Flussufern oder auch unter Autobahnbrücken.

Für ihre Integration tut der Zentralstaat, tun auch die Kommunen so gut wie gar nichts. Es ist politisch populär, mit "harter Hand" gegen die Roma und Sinti vorzugehen. Als in Rom im November 2007 eine Frau von einem rumänischen Roma erschlagen wurde, war es der linke Bürgermeister Walter Veltroni, der flächendeckend die Räumung der Camps anordnete.

Der rechte Alemanno machte nach seiner Wahl im Frühjahr gleich weiter; mehr als 60 Räumungsaktionen hat er auf der Aktiv-Seite. Und in Mailand profiliert sich der stramm rechte Vizebürgermeister Francesco De Corato als Anti-Zigeuner-Sheriff; stolz bilanzierte er jüngst, er komme auf mehr als 70 Räumungen. Diese sehen dann so aus, dass die Polizei vorfährt und die Baracken samt der armseligen Habe der Roma kurz und klein schlagen lässt.

Kürzlich strengte die Stadt Mailand einen Prozess an, damit 25 Roma-Familien die Zuweisung von Sozialwohnungen verweigert werde; sie verlor den Prozess vor dem Verwaltungsgericht, will aber in die nächste Instanz gehen - Roma hätten kein Recht auf soziale Fürsorge.

Am deutlichsten aber wird die Ausgrenzung der Roma wohl daran, dass auch staatliche Stellen immer noch die Ansicht hegen, Roma würden Kinder stehlen. Wenn in Italien Kinder verschwinden, suchen Polizisten in Roma-Lagern, jedes Mal ohne Erfolg. Einmal hatte dieses Stereotyp fatale Folgen. In Neapel beschuldigte 2007 eine junge Frau ein Roma-Mädchen, es habe ihr Baby entführen wollen.

Daraufhin brannte die Bevölkerung des Stadtteils Ponticelli mehrere Roma-Lager nieder, die Polizei sah untätig zu. Die junge Romni wurde später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, allein auf Basis der Zeugenaussage der Mutter des Babys.

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2 Kommentare

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  • D
    Demokrat

    italien hat laut caritas fast 600000 roma und sinti.

    die schlafen nicht alle unter brücken sondern zum wesentlichen teil in normalen wohnungen. wohnen in der tat seit langer zeit in italien. es gab immer wieder flüchtlingszeiten vom balkan vor allem, und solche roma und sinti sind dann als nomadi bezeichnet worden, wobei die kommunen geld für behausungen bekamen, zu wenig abgerufen ist möglich, waren zu ignirant meinetwegen. aber auch hier muss unterschieden werden. erstmal haben sinti und roma recht auf bildung und unterkunft, auch arbeit muss ihnen zugänglich sein. einige leben in umgebauten gebäuden, anderen in wohnwagen, anderen in holzhäusern mit krankenstation, mit eigenen schulen z.t., auch da gibt es unterschiede, einige wollen auch so leben. es ist aber geregelt oder sollte geregelt sein, diese barackensiedlungen sind durch ungeregelte massenanstürme entstanden und gehören auch abgerisse, es solen jetzt richtige häuser entstehen, hoffentlich jetzt rascher.

     

     

    noch zwei bemerkungen: die leute in ponticelli haben auch lange aus ihrer tasche sinti und roma unterstütz, es gibt genug berichte über verdienende sinti und roma, auch entdeckt die modebranche junge leute als fähige schneider tollrer zigeunermode. meine freundin hat sich selbst so ein kleid gekauft in rom, schick. italien ist also oft auch positiv, sicher besser als frankreich, sagt auch die deutsche sinti und roma vertretung.

     

    von herrn braun ist eben nichts anderes zu erwarten, als verzerrung und verkürzung.

     

    bg

     

     

    demokrat

  • WR
    Weiße Rose

    Wie es um den Zustand eines Staates, einer Gesellschaft bestellt ist, lässt sich seit jeher daran erkennen, wie mit den Minderheiten und Gefangenen umgegangen wird.

    Mit der Ausgrenzung von vermeintlichen Minderheiten hat Europa leidvolle Erfahrungen gemacht, aus denen offenbar rein gar nichts gelernt worden ist!

    In Italien und anderswo.