Debatte Iran und Fernsehkrieg: Kampf der Kanäle
Der Iran hat westliche Fernsehprogramme abgeschaltet. Jetzt revanchiert sich die EU. Das passt nicht zum Friedensnobelpreisträger.
T eheran geriert sich derzeit als Rächer der Entrechteten. Seit zwei Wochen wirft die iranische Führung der EU vor, gegen Artikel 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ zu verstoßen, weil sie 19 iranische TV- und Radio-Kanäle vom Eutelsat-Hotbird-Satelliten verbannt hat.
Artikel 19 garantiere das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht, „Informationen ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten“. Dieses Recht aber sei den Europäern jetzt genommen – wo ihre Staaten doch in einer ernsten Krise steckten und nur einer wirklich offen und kritisch darüber berichte: die Programme der staatlichen IRIB („Islamic Republic of Iran Broadcasting“).
Das Thema „Menschenrechte“ wurde zwischen dem Westen und dem Iran immer schon kontrovers diskutiert. Oft „einigte man sich, uneins zu sein“ – unter anderem in einem vor Jahren ergebnislos geführten deutsch-iranischen „Menschenrechtsdialog“. Westliche Politiker warfen und werfen Teheran schwere Menschenrechtsverletzungen vor, während iranische Sprecher sich meist gegen diesen Vorwurf wehren, indem sie das Thema als westliche Erfindung abtun – zur Unterdrückung anderer Staaten und Kulturen. Und da besonders muslimischer Staaten.
Im TV-Krieg
Bislang waren es eher die iranischen Behörden, die immer wieder dafür sorgten, dass der Empfang ausländischer Programme für den Iran gestört oder verhindert wird. Besonders die persischen TV-Kanäle der britischen BBC und der Stimme Amerikas (VoA) stehen unter Dauerattacke, in Mitleidenschaft gezogen werden aber auch andere Sender, die denselben Satelliten benützen. (So auch die Deutsche Welle, die freilich kein persisches TV-Programm ausstrahlt.)
Der „west-östliche TV-Krieg“ begann vor neun Jahren, als plötzlich persische Satelliten-Programme ausfielen, die von Exiliranern in Kalifornien betrieben werden. Bald fand man heraus, dass deren Transponder von Kuba aus durch ein gezieltes Störsignal außer Gefecht gesetzt worden waren. Die Störung westlicher TV-Programme für den Iran in letzter Zeit funktioniert nach demselben Muster. Nur dass das Störsignal diesmal angeblich aus Syrien kommt. Obwohl man annehmen sollte, dass Damaskus gerade Wichtigeres zu tun hat. Aber wie einst Kuba, so zeigt sich wohl auch Syrien erkenntlich für die Unterstützung, die es durch den Iran erfährt.
Der Kampf gegen ausländische TV-Programme für den Iran ist so alt wie diese Programme. Per Gesetz ist Satellitenempfang verboten, aber kaum ein Haushalt, in dem nicht Fernsehprogramme von jenseits der Grenzen liefen: Popmusik iranischer Gruppen im Ausland, alte persische oder neuere US-Filme mit persischen Untertiteln oder – ganz besonders erfolgreich – eine japanische Soap, synchronisiert in Persisch.
Der Wächterrat wacht
war langjähriger Leiter der Nahostabteilung und Chefkorrespondent der Deutschen Welle. Seit seiner Pensionierung 2009 arbeitet er als freier Journalist – unter anderem als regelmäßiger Autor der taz zu Nahostthemen.
Versuche, das Verbot aufzuheben, scheiterten immer am Widerstand des Wächterrats. Selbst der Versuch des ehemaligen Präsidenten Rafsandschani scheiterte, das Problem durch Verharmlosung zu lösen: Die iranische Kultur sei doch viel zu stark, als dass sie durch solche Programme gefährdet werden könne. Die obersten Tugendwächter der Islamischen Republik wollten die Probe nicht aufs Exempel machen.
Stattdessen werden jetzt immer wieder in verschiedenen Städten und Stadtteilen Satelliten-Schüsseln von den Dächern geholt, in den Hof geworfen oder die LNBs der Anlagen abmontiert. Die um ihre abendliche Unterhaltung gebrachten Besitzer tragen es mit Fassung: Sie kaufen sich neue LNBs oder Schüsseln. Und munkeln, dass gebrauchte besonders günstig seien, weil sie vorher von den Dächern abmontiert wurden.
Für den Westen waren dies bisher Beweise dafür, dass der Iran Meinungs- und Informationsfreiheit missachtet und unterdrückt. Auch nach amerikanischen Untersuchungen werden die einheimischen Medien im Iran aber immer noch weit häufiger eingeschaltet als die aus dem Ausland.
Umgekehrt haben die Europäer mit ihrer Abschaltung der iranischen TV-Kanäle auf dem Hotbird nun eher ein Eigentor geschossen. Die Maßnahme kann nur Teil der Sanktionen wegen des Atomstreits mit dem Iran sein, der Preis, dafür gegen Artikel 19 der Menschenrechtserklärung zu verstoßen, scheint aber unangemessen hoch. Eutelsat hat bisher nur einmal einen Sender abgeschaltet: Der arabischsprachige Hisbollah-Sender Al Manar wurde auf Antrag der französischen Regierung vor Jahren wegen antisemitischer Programme gesperrt.
Auch PressTV soll weg
Al Manar war unter islamistisch-arabischen Kreisen auch in Europa verbreitet, demgegenüber mangelt es den persischsprachigen Programmen Teherans hier eigentlich an Publikum. Anders als PressTV – dem englischen TV-Kanal Teherans. Das iranische Gegenstück zu CNN, Al Dschasira und all den anderen internationalen Newskanälen ist professionell gemacht, unterhält Korrespondenten in fast allen Teilen der Welt (darunter sogar Jerusalem und Washington) und kann von einem breiten Publikum in Europa verstanden werden.
Ein Versuch, auch über den in Mitteleuropa führenden Astra-Satelliten zu senden, war dieses Jahr am Einspruch der bayerischen Medienanstalt gescheitert. Zweimal wurde PressTV bereits abgeschaltet, die verhinderten Zuschauer vertröstet: Es handle sich hier um ein „rechtliches Problem“, das PressTV zu lösen versuche. Aus unerfindlichen Gründen ist PressTV auch nach der jüngsten Abschaltung der Teheraner TV-Kanäle als einziger iranischer Kanal weiterhin über den Hotbird-Satelliten zu empfangen. Aber das dürfte nicht von Dauer sein.
Inzwischen hat Washington die Abschaltung auf dem in den Vereinigten Staaten empfangbaren Intelsat-Satelliten angeordnet; in Brüssel oder der Pariser Eutelsat-Zentrale scheint man sich keine grauen Haare über den Fall wachsen zu lassen. Auch nicht darüber, dass solch eine Unterdrückung unbeliebter Sender eigentlich ein Relikt aus vergangenen Zeiten ist und kaum zum Bild eines frischgebackenen Friedensnobelpreisträgers passt.
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