Holger Apfel tritt zurück: NPD ohne Führer
Holger Apfel legt sein Amt nieder. Parteiinterne Querelen sollen nicht Schuld sein. Derweil kursieren aber Gerüchte, der NPD-Chef sei erpresst worden.
HAMBURG taz | Holger Apfel will nicht mehr. Am Donnerstag legte der Bundesvorsitzende der rechtsextremen NPD sein Amt nieder. Das bestätigte am Vormittag NPD-Sprecher Frank Franz. Apfel wurde seit Monaten parteiintern kritisiert. Doch ein politischer Meinungsstreit soll den Rückritt nicht ausgelöst haben, wie Franz betonte.
Derweil kursieren viele Gerüchte: Apfel soll mit privaten, kompromittierenden Aufnahmen erpresst worden sein. Die NPD schreibt auf ihrer Webseite jedoch, der Bundesvorsitzende hätte „krankheitsbedingt“ sein Amt nieder gelegt. Burn-out, hieß es aus Parteikreisen.
Auch sein Amt als Fraktionsvorsitzender der NPD im sächsischen Landtag legte Apfel gestern nieder. 2004 war die NPD nach über 30 Jahren erstmals wieder in einen deutschen Landtag eingezogen. Seitdem stand der 42-jährige Apfel an der Spitze der Fraktion.
„Die alte Grundregel, dass man über Tote nur Gutes sagen darf, gilt selbstverständlich auch für politisch Tote“, sagt Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken in Sachsen. Köditz schiebt nach: „Der offizielle Grund für seinen Rücktritt dürfte nach meinen Beobachtungen aber vorgeschoben sein.“
Am Sonntag will das NPD-Parteipräsidium in einer Sondersitzung über die notwendigen Schritte beraten. Bis auf weiteres sollen die beiden NPD-Bundesvize Udo Pastörs und Karl Richter die Partei führen.
„Ein solcher Parteiführer motiviert nicht“
Erst im Oktober hatte Richter, der für die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) im Münchener Stadtrat sitz, in einer parteiinternen Mail Apfel massiv angegriffen. „Schon ein Parteiführer mit Sprachfehler ist an sich ein Unding“, schrieb er, und lästerte über den „bedauernswerten Betroffenen“ mit „pummeligen Fingern“. Von „Konkurrenzneid“ zerfressen sei Apfel, und dass er „innerparteilich viel Energie auf die Demontage verdienter und vorzeigbarer Funktionsträger verwenden“ würde. „Ein solcher Parteiführer führt nicht, motiviert nicht und integriert nicht, sondern er spaltet“, führte Richter in der dreiseitigen Mail an die Kameraden aus. Anlass der Mail war eine Kritik Apfels an einer Kandidatur Richters als möglicher NPD-Spitzenkandidat bei der Europawahl im Mai 2014.
Vor knapp drei Jahren, im November 2011, hatte sich Apfel auf dem Bundesparteitag in Neuruppin gegen den langjährigen Vorsitzenden Udo Voigt in einer Kampfabstimmung um den Parteivorsitz durchsetzen können. Dem alten Vorsitzenden hielten die Delegierten damals die marode Finanzsituation der Partei vor, zudem schaffe es die NPD unter Voigts Ägide nicht, in den alten Bundesländern Fuß zu fassen. Unter dem Konzept der „seriöseren Radikalität“ wollte Apfel, der seit 1988 Parteimitglied ist, die Partei weiter als „bürgernahe Kümmerpartei“ ausrichten. Gleichzeitig betonte er, man wolle die weltanschauliche Grundlage der Partei nicht verändern.
Offenbar klang das auch für potenzielle Wähler nicht sehr überzeugend, im Westen blieben die Erfolge denn auch aus. Die Mitgliederzahl sank auf 5.400. Die Finanzlage der Partei ist zudem weiter angespannt. In Thüringen droht der NPD ein Strafverfahren wegen illegaler Parteispenden. Und Apfels Idee, das von den Bundesländern im Dezember erneut beim Bundesverfassungsgericht angestrengte NPD-Verbotsverfahren propagandistisch zu nutzen, zündete auch nicht.
„Es gab bereits seit längerer Zeit Hinweise darauf, dass Apfel von innerparteilichen Gegnern zum Rückzug förmlich genötigt wurde“, sagt Köditz. Apfels Nachfolger müssten sich nun positionieren. Köditz vermutet, dass der Ton in der NPD wieder radikaler werden wird, auch, um sich vom glücklosen Apfel abzugrenzen. Köditz warnt: „Insofern ist mit einer deutlichen Verstärkung der rassistischen Hetze durch die NPD in den nächsten Monaten zu rechnen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg