Kommentar Redtube-Urteil: Abwarten und weiterstreamen
Bei den Redtube-Abmahnungen korrigieren sich die Kölner Richter. Die Betroffenen haben nicht viel zu befürchten. Ist nun das Abmahnkartell dran?
D as Landgericht Köln versucht, seinen Ruf zu retten. Auf Widerspruch von Betroffenen der Redtube-Abmahnungen erklärt es nun seine eigenen Beschlüsse vom Vorjahr für rechtswidrig und räumt ein, dabei seien die Grundrechte der Internet-User verletzt worden.
Die Richter hätten damals nicht erlauben dürfen, den IP-Adressen von angeblichen Nutzern des Porno-Portals Redtube konkrete Namen und Postadressen zuzuordnen.
Nun kann man dem Landgericht Köln zugutehalten, dass die Richter dort einer Täuschung aufgesessen sind. Denn in den Anträgen war von „Downloads“ die Rede, nicht von Streaming. Vermutlich hätte sonst kein Kölner Richter die Identifizierung der IP-Adressen erlaubt. Schließlich ist das bloße Streaming von urheberrechlich illegalen Angeboten nach herrschender Auffassung nicht illegal.
Trotzdem bleibt natürlich ein Makel am Landgericht Köln hängen. Schließlich war es nicht zwingend, auf den Schwindel hereinzufallen. Nur 62 von 90 Anträgen auf Identifizierung (mit jeweils hunderten bis tausenden Betroffenen) hat das Landgericht Köln stattgegeben. In den übrigen Fällen sind gewissenhafte Richter misstrauisch geworden und haben nachgefragt, weil das Konstrukt der Abmahn-Schwindler an vielen Stellen dubios war.
Kölner Richter systematisch getäuscht
Die Vorgänge am Landgericht Köln sind also kein Beleg, dass ein Richtervorbehalt eh nichts bringt, sondern dass er wachsame Richter erfordert. Für die von Abmahnungen Betroffenen ist das nur ein geringer Trost. Sie haben den Ärger und müssen seit Wochen überlegen, wie sie vorgehen, um nicht am Ende die verlangten 250 Euro Abmahnkosten zahlen zu müssen.
Nach derzeitigem Stand dürfte es wohl genügen, gar nichts zu tun. Schließlich sind die Verantwortlichen der Schweizer Firma „The Archive“, die angeblich die Rechte an den auf Redtube angebotenen Pornos hält, abgetaucht. Sollte die Regensburger Anwaltskanzlei Urmann & Collegen aber doch versuchen, im Namen von The Archive die Abmahnkosten einzuklagen, so hätte sie wohl schlechte Karten.
Zwar besteht auch nach der Kölner Selbstkorrektur kein automatisches Verwertungsverbot der identifizierten IP-Adressen. Es bestehen aber gute Chancen, dass zumindest in den Redtube-Fällen nach Abwägung der Interessen ein Verwertungsverbot angenommen wird. Schließlich geht es hier nicht um Strafverfolgung, sondern um zivilrechtliche Ansprüche. Außerdem hat The Archive die Kölner Richter wohl systematisch hinters Licht geführt.
Nützliche Klarstellungen
Da alle Fälle ziemlich identisch sind, muss nun auch nicht jeder Betroffene selbst Widerspruch gegen die Identifizierung seiner IP-Adresse einlegen. Er kann sich vielmehr auf die jetzt vorliegenden Kölner Pilot-Urteile berufen.
Und selbst wenn die Identifizierung der IP-Adressen wider Erwarten für verwertbar erklärt würde, so könnten die Abmahnkosten wohl doch nicht erfolgreich eingeklagt werden, weil bei bloßem Streaming ja gar kein Urheberrechtsverstoß vorliegt. Auch insofern sind die neuen Kölner Entscheidungen, die dies klarstellen, nützlich.
Angesichts all dieser rechtlichen Hürden sind die vielen zehntausend Abgemahnten in einer starken Position und können nun eher mit Interesse verfolgen, ob und wie es dem Abmahn-Kartell mit Strafverfolgung und Schadensersatzklagen an den Kragen geht.
Gemeint sind die Schweizer Firma The Archive und der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian, der in Köln die Anträge auf Zuordnung der IP-Adressen gestellt hat sowie ein Gutachter, der die ordnungsgemäße Funktion einer Software bestätigte, die angeblich die IP-Adressen ermittelt hat. Und natürlich die berüchtigten Anwälte von Urmann & Collegen, die zigtausende Abmahnungen versandte. Sie sollten nicht davonkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen