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Kolumne Die KriegsreporterinSpitz ist das neue Breit

Kolumne
von Silke Burmester

Gruner + Jahr erfindet „Stern Crime“ – als Folge eines Generationenwechsels. Und wo bleiben „Stern Bachelor“ und „Brigitte Vagina“?

Hat definitiv Cover-Qualitäten: Oliver Sanne, Bachelor. Bild: dpa

H allo taz-Medienredaktion! Puah, ist das eine super Meldung, dass die taz durch das Freiwilligbezahlmodell im März 19.981 Euro eingenommen hat! So schocke viel Geld! Ich sage dir, Medienredaktion, das liegt daran, dass die taz einfach so tolle LeserInnen hat. Nicht so Schluffis wie die anderen, sondern welche mit Sozial- und Verantwortungsgefühl. Mit Gerechtigkeits- und Realitätssinn. Und Hirn. Super!

Und jetzt sage ich dir, wie du noch mehr Geld machen kannst! Du unterstreichst einfach Wörter in der Onlineausgabe meines Textes, und wenn man sie anklickt, taucht Werbung auf. So macht das die Bunte. Da liest man einen Text über irgendwen im Koma oder über die deutschen Botoxfressen, und Wörter wie „schön“ und „vital“ sind mit Werbung verlinkt.

Ganz großartig funktioniert dies, wenn man etwa mehr „erfahren“ möchte über das baldige Ende der Ehe von George und Amal Clooney, wozu die Bunte eine „Insiderin“ gesprochen hat, nämlich die Managerin eines Restaurants, in dem die beiden essen waren. Klickt man „erfahren“ an, erscheint Werbung für ein Auto. Das nenne ich eine Anzeigenverkaufe, von der die taz lernen kann. Ich schlage vor, wir verlinken in meinem Text „schlage vor“ und dann kommt Werbung für Schlagsahne. Auch gut ist „Schluffis“. Da käme Werbung für Rapunzel-Müsli.

Aus Scheiße ein Heft machen

Was bin ich froh, dass das Gute, in diesem Fall das Böse, so naheliegt. So kann Gruner + Jahr Gold machen, indem es in die Scheiße greift und diese als Heft auf den Markt bringt: Stern Crime. Mit „wahren Verbrechen“, heißt es in der Pressemitteilung. Und: beschrieben mit „opulenter Optik und erzählerischer Klasse“. Zum Glück.

Und während ich wette, die Wiederauferstehung des Henri-Nannen-Preises wird mit der Kategorie „Crime“ daherkommen, liest sich die Line-Extension im Zusammenhang mit dem angekündigten Verlagsumbau wie ein Schritt zur Geschwisterliebe zwischen den Bertelsmann-Kindern Gruner + Jahr und RTL. Wohl weil das öffentlich-rechtliche Publikum mit Zeitschriften wie Essen & Trinken und Neon abgefangen ist, muss man nun Hefte für die RTL-Zuschauer machen. Als Nächstes erwarte ich Stern Hot Wheel und Stern Bachelor.

Ich verstehe das als Folge eines Generationenwechsels bei Gruner. Wurden Jahre der nötigen Weiterentwicklung des Verlags durch den gepflegten Dämmerzustand der Generation Valium verschlafen, haben die frechen, jungen Leute, die jetzt den Laden leiten, den Sexualtrieb als Antriebsfeder entdeckt. „Spitz ist das neue Breit“, ruft der Verlag als Losung aus. Was vielleicht heißt, dass bald auch andere Line-Extensionen kommen. Brigitte Vagina zum Beispiel.

Kampagnen stehen im „Stern“?!

Ich wundere mich auch über den neuen Werbespruch des Stern in der Fachpresse, „Große Kampagnen stehen im Stern“. Und ich frage mich, ob nicht gerade der Kampagnenjournalismus das ist, was diesem schönen Berufsbild so viel Verachtung eingebracht hat. Wobei ich auch das Verb in diesem Zusammenhang nicht verstehe. „Kampagnen stehen im Stern“ – was heißt das? Kampagnen können Teil des Sterns sein. Oder der Stern kann über Kampagnen berichten. Aber „stehen im“ ??? Möchte mir das jemand aus der Tatsachen-dreh-Abteilung bei Gruner erklären?

Na, vielleicht ruft mich der Herr Thomsen, der neue Pressechef, ja an. Es war ja neulich schon so nett mit uns, als er den Freischreiber-Hölle-Preis für sein Unternehmen in Empfang genommen hat. Ich gebe dann auch ein Bier aus. Denn auch bei der taz spricht man jetzt gaga. „Warum es endlich ein Bier der taz braucht“ stand am Wochenende als Vorspann im Blatt. Mit einem ordentlichen Plopp! Zurück nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
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6 Kommentare

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  • Gedöns des Brauens

     

    „Vielleicht ist ‘s schade um das Zeitungs-Projekt, aber mit ein bißchen ‘Glück’ bleibt ‘uns’ ja der tazpresso und Manufaktum-Ähnliches erhalten, wenn man schon partout nicht die Bohne Ahnung vom Zeitungsmachen-2.0 haben will, stattdessen aber konstant Konversion in Richtung ‘grün’ lackierter Lifestyle-&-Gedöns-Bauchladen betreibt….“ schrieb „ion“ bei Schröder & Kalender nebenan. http://blogs.taz.de/schroederkalender/2015/04/11/ihr-habt-es-in-der-hand-13/comment-page-1/#comment-32580 (Jörg Schröder, nicht Gerd) Und nun das: „Warum es endlich ein Bier der taz braucht.“ Sowas schmerzt im nordischen Ohr. Eindeutig zu viele Schwaben in Berlin. Die schwätzet so.

     

    „Wie sieht ein Bier aus, wie muss es schmecken, damit es zu dieser Zeitung passt? Wir haben drei Brauer aus der Umgebung der Rudi-Dutschke-Straße gebeten, sich mit Hopfen und Gerste ihre Gedanken zur taz zu machen. Es ist ein Trio, das zugleich einen schönen Querschnitt der neuen Brauszene ist: zwei Autodidakten und ein Gelernter. ..." (Jörn Kabisch im taz-Hausblog, nicht kommentierbar)

     

    Breit ist die neue Spitze. Ich wird beploppt. Katzen als Durchlauf-Veredler. Mit Kaffeebohnen geht das ja auch. Irgendwo in Südost-Asien.

     

    Auch Bier wird „durch den Panter“

    Vermutlich eleganter.

     

    Ein Querschnitt des (neuen) Grauens.

    • @lichtgestalt:

      Danke (&Rainer B. & Jörg S.)

      Wat höbt wi lacht.

      • @Lowandorder:

        Sicher kennen Sie die Nummer des früheren Schweizer Staatsrats Merz:

        "Bü.. Bü.. Bü.. ndner Fleisch."

         

        Nun stelle ich mir vor:

        "Panter Pi.. Pi.. Pi.. Pils."

  • Frage: Was ist der Unterschied zwischen dem Stern und einer Blondine?

     

    Antwort: In der Blondine steht mehr.

     

    Nachtrag: Wenn's schon eine "Brigitte Vagina" geben wird, dann braucht's bestimmt auch eine "taz-Gummi".

  • Ja - nur ungern nimmt der Handelsmann -

    Statt baren Geldes Stuhlgang an

    Gruner - jedoch & Jahr -

    Findens wunder&bar - &ratzfazz -

    Kampagne steht - wie Bier du taz.

    Doch ist die Scheiße erst mal drin

    Ist - PLOPP - auch die Trompete hin.