Kommentar Blackwater-Urteil: Privatisierung des Krieges
Die Verurteilung der vier früheren Mitarbeiter der Söldnerfirma ist bemerkenswert. Bisher sind „private Kriegsverbrecher“ nicht belangt worden.
E inmal „lebenslänglich“ und dreimal 30 Jahre Haft – das Strafmaß gegen die vier wegen Ermordung und Totschlags von 14 irakischen Zivilisten im September 2007 verurteilten früheren Mitarbeiter der Söldnerfirma Blackwater bleibt zwar unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Aber im Gesamtbild des juristischen Umgangs mit Kriegsverbrechen der Besatzungsmächte im Irak ist es dennoch herausragend.
Blackwater-Leute hatten schon vor jenem 16. September 2007 im Irak willkürlich – in einem Fall gar volltrunken – Menschen umgebracht. Doch nie war auch nur einer von ihnen dafür belangt worden.
Genauso wenig wie irgendein Mitarbeiter einer anderen der zahlreichen „Sicherheitsfirmen“, die unter Vertrag der US-Regierung im Irak operierten.
Auch viele Beteiligte des Folterskandals im Gefängnis von Abu Ghraib gehörten privaten Sicherheitsfirmen an – mehr als ein Drittel der als Verhörspezialisten eingesetzten Kräfte etwa. Keiner von ihnen wurde belangt.
Spätestens seit 2010, als Wikileaks die von Chelsea Manning weitergegebenen Geheimdaten über die Kriege im Irak und Afghanistan veröffentlichte, sind unzählige brutale Verfehlungen dokumentiert – genau wie die konsequente Untätigkeit der Justiz und der Politik.
Nach dem Massaker von 2007 war in der öffentlichen Debatte die Dimension jener Grauzone bekannt geworden, in der die Söldnerfirmen überaus profitabel operieren. Menschenrechtsorganisation wie Experten hatten gefordert, mit neuen gesetzlichen Regelungen Transparenz und Kontrolle über diese Firmen zu erhöhen.
Strukturell nichts geändert
Rechnungsprüfer hatten zahlreiche Fälle von Korruption und Betrug aufgedeckt. Manche wurden verfolgt, aber strukturell hat sich nichts geändert.
Offenbar sind die geschrumpften Armeen insbesondere des Westens immer mehr auf solche Dienstleistungen angewiesen. In rund 50 Ländern sollen derzeit solche Firmen im Einsatz sein.
Aber es ist kein Zufall, dass die erste Boomphase eines solchen Firmenmodells mit den 1990er Jahren begann – zur weltweiten Hochphase des Neoliberalismus mit seiner deregulierten Privatisierung staatlicher Aufgaben. Das ist in der zivilen Wirtschaft fragwürdig, im Kriegsgeschäft aber kriminell.
Wo schon normale Militärs Kontrollen gern umgehen, entziehen sich Privatarmeen völlig. Wohin das führt, daran erinnern die Toten vom 16. September 2007.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet