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Kolumne ÖkoBio hat Besseres verdient

Kolumne
von Phil Hogan

Der Bio-Sektor wächst in ganz Europa. Die entsprechende EU-Verordnung ist längst überholt. Deshalb bastelt die Kommission jetzt an neuen Regeln.

Welche Möhre ist bio und welche nicht? Die EU-Kommission überarbeitet die Regeln. Bild: dpa

D as nasskalte graue Brüsseler Herbstwetter steht derzeit im Kontrast zu den heißen Wortgefechten, die sich die Protagonisten um den Kommissionsvorschlag zur Revision der Bioverordnung liefern. Man könne auf einem toten Pferd nicht reiten, behaupten die einen, andere sagen, man könne tote Pferde nicht satteln. Beides stimmt. Nur handelt es sich bei den Vorschlägen nicht um Pferde, weder tote noch lebendige.

Wahr ist: Der Anfang des Jahres von der vorherigen Kommission verabschiedete Vorschlag hat den Sektor gründlich aufgescheucht. Das hat auch gute Seiten. Es hat in der Biolandwirtschaft in den vergangenen Jahren eine so rasante Entwicklung gegeben, dass der gesetzliche Rahmen nachgearbeitet werden muss. Der Spiegel schrieb, dass die Branche zum Opfer des eigenen Erfolgs geworden sei.

Das ist insoweit richtig, als die Biolandwirtschaft in der EU im Durchschnitt jedes Jahr um 9 Prozent wächst. Damit ist Bio eindeutig der am schnellsten wachsende Sektor der Landwirtschaft in der EU. War es noch vor wenigen Jahren ein Nischenprodukt, gibt es Bio heute an jeder Ecke. Das ist gut so. Aber das Regelwerk, die europaweit gültige Bioverordnung, das seit 1992 schrittweise zum gegenwärtigen Stand entwickelt worden ist, wird manchen Herausforderungen nicht mehr gerecht.

Wieviel Rückstände sind erlaubt?

In welche Richtung soll der Rechtsrahmen angepasst werden? Diese schwierige Aufgabe haben nun die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen: Die Kommission hat mit dem Vorschlag einige Ideen auf den Tisch gelegt – allerdings nicht behauptet, dass diese für jetzt und immer der Weisheit letzter Schluss sind.

dpa

Jg. 1960. Der irische Politiker ist neuer EU-Agrarkommissar. Die umstrittene Novellierung der EU-Bioverordnung ist am Montag Thema im EU-Agrarministerrat. Verschiedene Verbände hatten gefordert, das Vorhaben komplett zu stoppen.

Wir haben eine Vielzahl schwieriger Abwägungen zu treffen. Um ein paar (wirklich schwierige) Beispiele zu nennen: Die Frage der Pestizide. Ihr Einsatz ist in der Biolandwirtschaft natürlich (das ist völlig unstreitig) verboten. Was aber, wenn doch Rückstände in Biolebensmitteln gefunden werden? Unter welchen Bedingungen darf ein solches Produkt weiter als „Bio“ verkauft werden? Und wenn nicht, wie kann dem Biobauern der entgangene Gewinn ersetzt werden – und durch wen?

Ein anderes Beispiel: Die EU importiert enorme Mengen an Bioprodukten aus aller Welt. Ist es in Ordnung, dass private Zertifizierer in den Drittländern diese weiterhin einzeln als gleichwertig zu EU-Bio einstufen dürfen – oder sollten importierte Bioprodukte im Grundsatz stets am EU-Standard gemessen werden?

Kontrollen werden erneuert

Weiterer Streitpunkt: Muss ein seit Jahrzehnten solide wirtschaftender Biobetrieb jedes Jahr kontrolliert werden? Oder sollten die Kontrollen mit Hilfe einer Risikoanalyse dort stattfinden, wo die Fehler am wahrscheinlichsten sind?

Zu Ausnahmegenehmigungen für das Verbot der Anbindehaltung von Kühen und dem Einsatz von konventionellem Saatgut: Wie stellen wir sicher, dass diese tatsächlich Ausnahmen bleiben, wer entscheidet darüber? Und wie viel Flexibilität sollen die Mitgliedstaaten dabei haben?

Keine einfachen Fragen, und ich weiß, dass es dazu auch keine einfachen Antworten gibt. Dazu ist die Biolandwirtschaft zu vielfältig. Entscheidend ist Folgendes: In den kommenden Monaten werden der Rat, also die Mitgliedsstaaten, und das frisch gewählte Europäische Parlament gemeinsam zu einer Einigung kommen müssen. Hierzu sind Mut, Kreativität und Engagement gefragt.

Einfacher Rahmen

Ich will dieser Herausforderung nicht aus dem Weg gehen. Dazu liegt mir die europäische Biolandwirtschaft zu sehr am Herzen. Der Vorschlag der neuen Bioverordnung ist kein Pferd. Er ist ein Gesetzgebungsvorschlag. Nun liegt es an allen Beteiligten, den bestmöglichen Kompromiss zu finden.

Auch ich bin selbstverständlich bereit, für eine Einigung Zugeständnisse zu machen. Mir persönlich geht es nämlich im Kern darum, einen verlässlichen, aber möglichst einfachen Rahmen für die nachhaltige Weiterentwicklung und die Stärkung der Biolandwirtschaft in der EU zu finden. Das ist das Mindeste, was Europas Verbraucher und Biolandwirte verdient haben.

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4 Kommentare

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  • Bio wird keinen einfachen verlässlichen Rahmen bekommen, weil es immer noch um Marktführerschaft ,Preisführerschaft und Marktdurchdringung geht.Fast alle Beteiligten sind bereit an und über die Grenzen des Wachstums zu gehen in jeder Hinsicht. Insbesondere die Grenzen der gesetzlichen Richtlinien werden ständig neu bearbeitet um den "Wachstumsmarkt "zu befriedigen. Sicher wird es in Niedersachsen mit dem Duo Meyer/ Dosch noch mehr Bürokratie, Förderquote und Kontrolle geben, die der bäuerlichen/ unternehmerischen Selbstverantwortung für ihr eigenes Handeln im Wege stehen und gerne als Ausreden für Fehlverhalten, Skandale dienen und letzten Endes den Wettbewerb um Marktanteile anheizen. Der Ökomarkt wird nicht durch Vernunft und Weitsicht geführt, sondern von einer eigenen Kaste, der Lobbyisten und Politiker. Das geht solange gut, bis selbstbewusste und selbst verantwortende Bauern die Dinge selbst in die Hand nehmen. Nicht umsonst hat der Demeterverband, der sehr auf eine ehrliche Reputation seines Verbandes achten muss, dass altbewährte/neue Kontrollelement „Hofgespräche“ mit Praktikern verbindlich eingeführt aus der jahrelangen Erfahrung mit den Lücken und der Unzulänglichkeit des gesetzlichen Kontrollsystems, sowie einer leichtfertigen bäuerlichen Interpretation der Richtlinien, die nicht mit dem Bild des Verbrauchers zu vereinbaren sind. Auch Biolandwirte neigen dazu, zuerst an ihr eigenes Wohl zu denken, anstatt die Ideale des ökologischen Landbaus sukzessive umzusetzen.

  • Das fatale ist, es gibt für weitgehend unbelastete Nahrung keine Lobby!

    Europa könnte es vorschreiben, will aber 'nur' Vereinfachung und zieht sich damit schon genügend Zorn der Bio-Lobby zu.

    Die deutschen Anbauverbände nebst BÖLW versuchen den Vorschlag der Kommission schlechtzureden, um möglichst weiter wie bisher wirtschaften zu können - mit allen Fehlern! Wo ist die Organisation, die sich kraftvoll für bessere Bio-Lebensmittel einsetzt, schadstoffarm produziert ohne zelltechnische Veränderungen, artgerechte Tierhaltung, mit angepasstem Zuchtlinien und Jungtieren, ohne Enthornung und Küken-Schreddern und Einfuhr von konventionellen (Jung-)Tieren. Und die nicht nur darauf vertraut, dass nichts drin ist, wo nichts drin sein darf - sondern neben der Prozesskontrolle (Warenstromführung) auch noch analytische Produktkontrolle betreibt.

    Transparenz und Kontrolle sorgen für Verbraucherschutz. Die Anbauverbände verlieren ihre Legitimation als Vorreiter für eine 'bessere Landwirtschaft'!

    'Bio' verkommt zum Marketing.

     

    Kleine Betriebe weichen 24.000 Hühner Ställen auf 10 ha Fläche (das ist gemäß jeder bisherigen EU-Verordnung gültig; Die Anbauverbände haben gerade ihre bisherigen Beschränkungen abgeschafft!), Rinder werden unbehornt bevorzugt, statt die Ställe artgerecht zu bauen. Mehrere tausend Ausnahmegenehmigungen, nach denen Rinder in Anbindehaltung stehen dürfen, führen jetzt bei der Abschaffung zu einem Sturm der Entrüstung. Die kleinen Betriebe können sich nicht die 'modernen' Laufställe leisten - und folglich müsse es weiterhin die Anbindehaltung geben dürfen. Wer sagt denn, dass es keine artgerechte Anbindehaltung im Allgäu geben kann? Wer sagt denn, dass die Laufställe artgerechter sind als die Ställe, in denen es kein Gerangel um Platz und Futter gibt? Natürlich müssen die Ställe für die Tiere anatomisch richtig gebaut sein!

    Streichen wir doch die Vorschrift für Laufstallhaltung in der Verordnung.

    • @bremerbauer:

      Wollen Sie in Anbindehaltung leben?

      • @Gerhard Schreiber:

        Angebunden werden die Tiere "nur" über das Winterhalbjahr. In der Vegetationszeit kommen sie nur zum Melken rein, trotten auf den ihnen bekannten Platz, fressen das Lockfutter, lassen sich melken und latschen dann wieder auf die Weide zum weiterfressen, widerkäuen und schlafen. Der Bauer freut sich dann im Sommer auch, dass er weniger Arbeit mit dem Stallausmisten/saubermachen hat.

         

        Sicher sind Boxenlaufställe mit separeten Melkständen heute State of the Art, und wenn ein Stall neu gebaut wird kommt nichts anderes in Frage, ob für 20, 60 oder 200 Kühe.

        Wenn bei einer Anbindhaltung aber alles stimmt (Buchtenbreite, Einstreu/Gummiliegematten, 1 A Betreung) und diese mit Weidegang kombiniert wird ist sie meines Erachtens für eine Übergangszeit noch i.O. und nicht schlechter als die Haltung in Laufställen ohne Weidegang.