„Digitale Agenda“ im Bundestag: Der Ausschuss der Frustrierten
Sie sind die Internetversteher im Bundestag – nur bestimmen dürfen sie nichts. Auf den Ausschuss „Digitale Agenda“ wartet viel Arbeit.
BERLIN taz | Es gab zwar nur einen Tagesordnungspunkt im Ausschussraum PLH E.300, aber das war ein Tagesordnungspunkt mit Leuchtkraft: Die „Digitale Agenda 2014-2017“ stand da am Dienstag im gleichnamigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages zur Verhandlung. Aber wie das ja manchmal so ist: Eigentlich ist es auch ein bisschen egal, ob der Ausschuss darüber verhandelt. Denn zu sagen hat er im Prinzip nichts.
Das zumindest ist die Kritik des grünen Netzpolitikers Konstantin von Notz. Einst war er angetreten, um klarzumachen: Die Auswirkungen der Digitalisierung wird die gesamte Gesellschaft veränden. Von Notz gehört jener Generation junger Netzpolitiker an, die häufig ohne parteipolitische Scheuklappen mit ihren Kollegen aus dem anderen Lager ganz gut klarkommen.
Jetzt sitzt Notz da also mit seinen klugen Kollegen aus den anderen Fraktionen: Mit Lars Klingbeil von der SPD, mit Thomas Jarzombek von der CDU und Halina Wawzyniak von der Linksfraktion. Und was sie verbindet ist: Für kein einziges netzpolitisches Projekt hat ihr Ausschuss Digitale Agenda die Federführung. Das heißt übersetzt: Er kann zwar in Gesetzgebungsverfahren konsultiert werden, wenn andere Fachausschüsse Beratungsbedarf haben – mehr aber auch nicht.
Am vergangenen Wochenende platzte von Notz mal wieder der Kragen. In einem offenen Brief schrieb er: „Der gleichnamige Ausschuss 'Digitale Agenda' kämpft weiter darum, überhaupt an der weiteren parlamentarischen Beratung der 'Digitalen Agenda' der Bundesregierung beteiligt zu werden.“ Es stelle sich die Frage, „worüber der Ausschuss zukünftig überhaupt debattieren und entscheiden soll.“
Keine öffentlichen Sitzungen
Hinter dem Konflikt steht die Geschichte einer Koalitionsverhandlung: Denn als die schwarz-rote Koalition nach dem Wahlsieg einen großen Wurf in Sachen Netzpolitik vorlegen wollte, entschloss sie sich dagegen, ein stark ausgestattes Ministerium zu gründen, das die gebündelten Kompetenzen hat, um aus einer Hand den mannigfaltigen Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen.
Stattdessen verteilte die Koalition die Zuständigkeiten für den digitalen Wandel auf drei Ministerien: Das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel (SPD) ist so etwa für die Förderung von Start Ups zuständig, Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) etwa für das IT-Sicherheitsgesetz und der Verkehrs- und Netzminister Alexander Dobrindt (CSU) darf sich um den Netzausbau kümmern. Im Zweifel hat das Justizministerium auch noch ein Wörtchen mitzureden – und natürlich die Bundestagsausschüsse, die diesen Zuschnitten entsprechen.
Das verärgert die Netzpolitiker auch deshalb, weil in der vergangenen Legislaturperiode mit der „Enquete Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ ein aufwendiges Vorzeigeprojekt im Deutschen Bundestag durchgezogen wurde, bei dem Bürgerbeteiligung ganz oben stand: Über Jahre hinweg entwickelte die Kommission gemeinsam mit Fachleuten, Informatikern und Netzaktivisten hunderte Empfehlungen – von denen viele nun in den Schubladen verschwunden sind. Selbst eines konnte bis heute nicht realisiert werden: Dass der Netz-Ausschuss „Digitale Agenda“ wenigstens ein Mindestmaß an Transparenz erfüllt – und öffentlich tagt.
Keine Auswirkungen
Auch Halina Wawzyniak, die für die Linken im Ausschuss sitzt, ist deshalb frustriert. Sie sagt: „Es ist einfach ärgerlich, dass hier ein Ausschuss eingerichtet wurde, der quasi nichts zu sagen hat. Wenn es um klassische netzpolitische Themen geht – etwa um Netzneutralität oder die Störerhaftung bei WLANs – ist der Ausschuss außen vor. Selbst wenn wir etwas kritisieren wollen: Auswirkungen hat es eigentlich keine.“
Verständnis für diesen Unmut hat auch der Ausschussvorsitzende, CDU-Politiker Jens Koeppen. Er sagt aber: „Es nützt jetzt nichts mehr, über vergossene Milch zu reden. Wichtiger als über Kinkerlitzchen zu streiten, ist jetzt eine schnelle Umsetzung der Digitalen Agenda.“ Koeppen möchte, „dass sich der Ausschuss nun aus eigener Kraft die Federführung in wichtigen netzpolitischen Themen erarbeitet.“ Und da liegt nun tatsächlich sehr viel Arbeit vor ihm und seinen Kollegen.
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