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Niederländische KommunalwahlenIn bekannter Goebbels-Manier

Bei den Kommunalwahlen erleiden die Regierungsparteien deutliche Verluste. Die „Partei der Freiheit“ hingegen sorgt mit rassistischen Sprüchen für Furore.

Wilders-Eklat in der Wahlnacht: „Mehr oder weniger Marokkaner?“ Bild: dpa

DEN HAAG taz | Mit einer schweren Niederlage für die Regierungsparteien endeten die niederländische Kommunalwahl am Mittwoch: Insgesamt verloren die marktliberale VVD und die sozialdemokratische PvdA rund 600 Ratssitze – ein „Keulenschlag“, so die Volkskrant am Donnerstag. Die VVD von Premier Mark Rutte sank landesweit von 15,4 auf 12 Prozent, die PvdA von 15,1 auf 10,2 Prozent. Die sozialdemokratische Basis lehnt den Sparkurs ab.

Profitiert haben vor allem die lokalen Parteien, die zusammen 29,3 Prozent erreichten und ihr Ergebnis von 2010 deutlich steigerten. Der Trend zu Lokalparteien drückt die Distanz vieler Niederländer zur etablierten Politik in Den Haag aus. Besondere Beachtung fand der Sieg von Leefbaar Rotterdam, der früheren Partei Pim Fortuyns.

In den übrigen Metropolen – Amsterdam, Utrecht und Den Haag – gewann die linksliberale Partei Democraten66 (D66), die mit 12 Prozent (2010: 8,2) zur großen Wahlsiegerin wurde. Bemerkenswert ist der Erfolg, da D66 aus der Opposition den Sparkurs der Regierung mitträgt. Anders als die Koalition wurde sie dafür nicht abgestraft. Auch die Sozialisten (SP) verzeichneten Gewinne (von 4,1 auf 6,9 Prozent).

Stärkste Partei wurden trotz geringer Verluste die Christdemokraten, die landesweit auf 14,4 Prozent kamen. Nicht ins Gewicht fallen landesweit die erneuten Erfolge der Rechtspopulisten. Die Wilders-Partij voor de Vrijheid (PVV) trat wie schon 2010 lediglich in zwei Gemeinden an: In Den Haag musste sie sich D66 knapp geschlagen geben. In Almere, einer Trabantenstadt nahe Amsterdam, lag die PVV allerdings erneut deutlich vorn.

„Mehr oder weniger Marokkaner?“

Weitaus mehr als mit dem Abschneiden der PVV waren die Niederlande am Donnerstag allerdings mit dem Eklat beschäftigt, für den PVV-Chef Wilders noch in der Wahlnacht gesorgt hatte: Wie üblich war er zu den Klängen von „Eye of the Tiger“ zur Party mit den PVV-Anhängern eingelaufen.

Vor einer großen niederländischen Flagge griff er zum Mikrofon und forderte von den Anwesenden eine „klare Antwort auf drei Fragen: Wollt Ihr mehr oder weniger EU? Mehr oder weniger PvdA? Mehr oder weniger Marokkaner?“

Als ein johlendes Publikum daraufhin „weniger, weniger“ skandierte, lächelte Wilders süffisant: „Dann sorgen wir dafür.“ Emile Roemer, Fraktionsvorsitzender der Socialistische Partij, warf Wilders am Donnerstag vor, Hass zu säen. Der Verband marokkanischer Niederländer (SMN) rief die Bevölkerung auf, Anzeige gegen Wilders zu erstatten. Die PVV mobilisiert bereits für einen neuen Wahlkampf: „22. Mai – der Tag der Europawahlen in den Niederlanden“.

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5 Kommentare

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  • Diese Äußerung von Wilders hatte aber auch einiges für sich:

    Seitdem ist die PVV nicht mehr in den Umfragen die stärkste Partei, sondern die trotzkistische SP mit der linskliberalen D66.

     

    Wollen wir hoffen, dass die Wähler das nicht vergessen. 11% der niederländischen Wähler haben sich seitdem zu den bislang 56% gesellt, die niemals für die PVV stimmen wollen.

  • Nachtrag: youtube ist gerade bei diesem Video mit eifriger Zensur tätig. Eben gemeldeter Link geht schon nicht mehr.

    Also entweder googeln mit "schiet geert wilders neer" oder auf youtube direkt mit "hozny" und entsprechender Auswahl.

  • Unter

    https://www.youtube.com/watch?v=loyKNVkDllc

    findet man das in den Kommentaren hier angesprochene Video. Ob es von der künstlerischen Freiheit gedeckt wird, werden niederländische Gerichte beurteilen, da Wilders Strafanzeige gestellt hat. Der Rapper hat libanesische Wurzeln, was für den berufsmäßig als Islamophoben agierenden Wilders aber egal ist, er schert alle Moslime über einen Kamm. Die taz berichtete übrigens schon kürzlich über das Video: http://www.taz.de/!135151/

    Hoffentlicht hört man bald nichts mehr von diesem ondulierten Goldlöckchen, nachdem sich seit seinem Marokkaner-Schmachspruch einige PVV-Funktionsträger von ihm abgewandt haben.

  • D
    D.J.

    Wahrscheinlich zu viel verlangt, wenigsten in einem Halbsatz nochmals den faktischen Mordausfruf des marokkanisch-stämmigen "Rappers" gegenüber Wilders zu erwähnen. Ist, befürchte ich, nicht ganz durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Wohl aber eine Äußerung zur Einwanderung, ob die mir nun passt oder nicht, ob ich sie geschmacklos finde oder nicht, ob ich den Typen widerlich finde oder nicht.

    Ich erwarte natürlich nicht, dass eine seltsame Allianz aus antiliberalen Pseudolinken und religiöser Reaktion das begreift - in den Niederlanden ebensowenig wie hier.

    • @D.J.:

      Der Rapper, der das "Wilders-wird-exekutiert"-Video gedreht hat, stammt aber m.W. aus dem Libanon, nicht aus Marokko. Ansonsten haben Sie natürlich Recht. Schade, dass die taz oft wichtige Informationen, die nicht zu ihrer Linie passen, unerwähnt lässt, das macht keinen guten Eindruck.