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Was am Hitzlsperger-Lob nervtAch so, danke!

Heterosexuelle preisen Homosexuelle gerne für ihren Mut. Auch den Ex-Fußballspieler Thomas Hitzlsperger. Doch wem gilt ein solches Lob eigentlich?

Thomas Hitzlsperger im Jahr 2007. Bild: dpa

Die Nachricht schlug ein. Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Fußballnationalspieler, ist schwul. Das verriet er im großen Interview mit der Zeit. Der stellvertretende Chefredakteur der Hamburger Zeitung, Bernd Ulrich, schrieb auch einen Kommentar dazu: Der Skandal sei, dass Fußballprofis viel Mut brauchen, um offen über ihre Homosexualität zu sprechen. Dass jedes Outing Mut braucht, drauf geschissen. Dass Hitzlsperger sehr viel mutiger war, als wenn er nichts gesagt hätte, auch klar.

Interessanter ist: Alle Medien schlachten die Nachricht aus. Meldung, Kommentar, Interview, Berichte über schwule Politiker. Die Inszenierungen, die Reaktionen haben etwas Verstörendes. Zeit-Vize Ulrich schreibt: „Das eigentliche Problem liegt ja nicht bei ihm, es besteht vielmehr darin, dass es so lange Zeit und so viel Mut brauchte, um sich zu etwas zu bekennen, das so selbstverständlich und normal sein sollte wie der Einwurf.“

Das ist sicher gut gemeint. Und doch irritiert dieses „normal“. Wenn es ein normal gibt, muss es automatisch ein anormal geben. Aber was ist das Anormale, wenn es die Liebe unter Männern nicht ist? Einerseits soll Homosexualität so „normal“ wie möglich dargestellt werden, andererseits ist sie das aber de facto nicht. Sonst wäre das Medienecho nicht so groß.

Schön, dass Hitzlsperger so viel Zuspruch erfährt, und dennoch sind die Lobhudeleien zumindest ambivalent. „4 Monate zu spät“, schrieb Daniel Wesener von den Berliner Grünen auf Twitter. In der Tat macht es nun einmal einen Unterschied, ob ein Spieler während einer aktiven Laufbahn sagt, er sei schwul – denn dann geht es eben um Geld und ein mögliches Ende der Karriere. Oder ob er das hinterher macht, wenn er den Betrieb nicht mehr stört.

Fußballer des Jahres 2014?

Andere wollen Thomas Hitzlsperger gar zum Fußballer des Jahres 2014 küren – als ob seine Homosexualität eine sportliche Leistung wäre, die prämiert werden müsste. Ein Held sei Hitzlsperger natürlich auch. Ein Vorbild. Aber warum? Was sagt er denn jungen Homo-, Bisexuellen, und Trans* in den deutschen Dörfern und Mittelstädten? Ein Coming-out ist nur sinnvoll, wenn ihr nichts zu riskieren habt?

Der Deutsche Fußball-Bund eilte per Pressemitteilung herbei: „Ich stehe zu unserem Wort, dass er von uns jede erdenkliche Unterstützung bekommt“, sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Unterstützung. Wie genau soll die aussehen? Und warum bietet der DFB jetzt Hilfe an, wo sie Hitzlsperger nicht mehr braucht?

Mit dem Interview scheinen sich die Hoffnungen einer ganzen Nation zu verbinden. Der professionelle Männerfußball, eine klar heterosexuelle Domäne, könne sich endlich öffnen, der erste Nationalspieler sagen: „Ich liebe einen Mann.“

Lob statt Taten

Stattdessen sagt Arne Friedrich, ebenfalls Ex-Bundesliga-Profi, ebenfalls in der Zeit: „Ich bin heterosexuell. Aber wenn ich homosexuell wäre, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, es öffentlich auszusprechen.“ Ach so. Danke. Dass die Gesellschaft noch nicht so weit ist, wie sie sich gerne zu geben bereit ist, zeigt schon die Reaktion von Angela Merkel.

Die Bundeskanzlerin gratuliert Hitzlsperger, als ob er Geburtstag hätte. Hat sich an ihrer ablehnenden Haltung zum Adoptionsrecht für Homosexuelle plötzlich etwas geändert? Hat es nicht. Merkel hätte tatsächlich die Macht, etwas zu bewirken, sie tut es aber nicht. Stattdessen lobt sie.

Und wenn Heterosexuelle Homosexuelle für ihren Mut loben, dann stellt sich die Frage, wem diese Bekundung eigentlich gilt. Und wem sie hilft. Am Ende wohl eher dem Lobenden selbst.

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9 Kommentare

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  • S
    Sikasuu

    Hitzlsperger hat 'nen Freund mit dem er auch das Bett teilt?

    .

    Schön für ihn. Auf das die Beziehung glücklich lange halte.

    .

    Ich geh mal davon aus das fast alle Jungs/Madels so nach der "Modellauto-, Sandkasten- Puppenphase", ,auch wenn sie Fussball spielen, sich nen FreundIn ausgucken und ....

    .

    Wo ist jetzt die Nachricht? Haben Fussballer das Zölibat eingeführt?

    .

    Fragt

    Sikasuu

    .

    Ps. Es geht das Gerücht, das der "Homo sapiens" seit einigen 10.000 Jahren so ab 10-12 anfängt sich für Sexualität zu interessieren. Da sind doch wohl FussballerInnen nicht ausgenommen:-)=

  • PI
    Play it again sam

    Ausnahmsweise mal ein guter Artikel. Der Kritik am Ausschlachten habe ich nichts hinzuzufügen. Das nervtötende Beharren auf 'Normalität' erinnert mich indes an verklemmte Eltern, die ihrem pubertierenden Kind so lange erzählen, Sex sei das Normalse von der Welt, bis es einen Sexualpartner garantiert nicht mit nach Hause bringen wird.

     

    Für äußerst kritigwürdig halte ich zwei Umstände: 1. Sofern man sich über das mediale Echo aufregt, wird man umgehend in die homophobe Ecke gestellt. Dieser "Hab' Mut!"- und "Wir sollten alle unentwegt darüber reden"-Schrott kann aber tatsächlich als idiotisch und dumm bezeichnet werden. 2. Ich glaube, dass das mediale Echo auch Ausdruck einer Presselandschaft ist, die den Diskurs im Sinne von Denkern und Lenkern entinhaltlicht. Solch gehaltlose Themen wie schwule Fußballspieler auf allen Kanälen lenken von weit wichtigeren Missständen ab. Sprich, könnte es Merkel nicht gelegen kommen, sich nicht mehr für NSA-Skandale, Korrupition in der Rüstungsindustrie oder finanzpolitisches Fehlmanagement zu rechtfertigen? Ich denke schon.

  • Na, taz, müsst Ihr es mal wieder Alles anders sehen, gegen den Strom schwimmen, die Utopie zum kategorischen Imperativ erklären?

     

    Ist Homosexualität heute normal? Vielleicht in Teilen von Berlin und einem Teil von Nordrhein-Westfalen namens Köln, wo man die sexuelle Orientierung einfach nicht mehr zum Gegenstand der Frage nach Normalität macht, aber sonst: Klares Nein.

     

    Homosexuelle sind immer noch weitgehend Exoten, eine kleine Minderheit, deren Gefühlswelt sich der heterosexuellen Mehrheit nicht erschließt und die deshalb in mehr oder minder "gelebter" Distanz zur Restgesellschaft existiert. Ist halt (noch) so - und wird durch Verschweigen dieser Exotenstellung auch nicht besser.

     

    Deshalb ist es auch vollkommen richtig, dass so ein Aufhebens um Hitzlspergers Outing gemacht wird - auch wenn es nicht WÄHREND seiner Karriere geschehen ist. Lasst die streng homophoben Mikrokosmen - Stadionkurven, Gemeinschaftsduschen in Sportvereinen etc. - sich doch erst einmal daran gewöhnen, dass sie nicht sakrosankt sind: Dass jeder Schwulenhasser, der Samstags in der Kurve "...! Fußballgott!" skandiert, möglicherweise gerade von ganzem Herzen einen Schwulen hochleben lässt.

     

    Hitzlperger hat jetzt seinen Fans den Beweis geliefert, dass sie genau das in der Vergangenheit schon getan haben (ohne davon tot umzufallen, selbst schwul zu werden, in ihm ein weniger fähiges sportliches Idol zu haben oder was auch immer). Es werden weitere folgen, die auf diese Weise andere Vereine rückwirkend "entjungfern", bis keine Fankurve mehr schwule Spieler des Gegners anfeinden kann, ohne sich lächerlich zu machen. DANN wird irgendwann das Outing selbst eines aktiven Spielers kein nationales Ereignis mehr darstellen. Aber der Weg dahin ist noch weit, und es ist jedem, der sich aufmacht, zu gönnen, dass er dafür breite, ausdrückliche Unterstützung erfährt.

  • B
    Benjamin

    Liebe Redaktion, seit Wochen ärgert Ihr Euch über meine Kommentare, weil die TAZ kann ja nicht homophob sein! Jetzt habt Ihr Euer Fett öffentlich weg. Selbst schuld:

     

    http://www.welt.de/kultur/medien/article123703805/Das-Vokabular-der-Verschwoerungstheoretiker.html

     

    Respekt und Taten statt Lob find ich übrigens klasse.

    • H
      Hans
      @Benjamin:

      Die Welt, DIE WELT, Sie haben doch nicht mehr...

      Die Welt, das Springer-Sturmgeschütz der Konservativen. Die sollen mal bloß ihre heuchlerische Schnautze halten.

       

      Unfucking believeable.

       

      RED: Kommentar gekürzt

  • H
    Hans

    Endlich mal ein guter Artikel von Ihnen Herr Ippolito. Danke hierfür. Sie werden wohl nicht etwa erwachsen?

  • R
    Ridicule

    "Vorsicht, sie beginnen dich zu loben;

     

    unsportlicher Augsburger mit Brille;-))

  • Nach Art.1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Schon deshalb ist jegliche Diskriminierung einzelner ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn dies trotzdem geschieht, geschieht es aus der Arroganz aller anderen heraus, die da denken besser als der einzelne zu sein... mit welchem Recht eigentlich. Wieso sollen Heteros bessere Menschen sein als Lesben oder Homos? Wer ist eigentlich bereit, mal über seine eigenen Einstellungen nachzudenken? ...und jetzt will ich nichts von Moralapostel hören...

    • @keulix:

      Sie tragen Eulen nach Athen, wenn Sie diese Gedanken ausgerechnet hier äußern.

       

      Homophobie findet meist anderswo statt und hat viele Gründe. Keiner von ihnen ist - nach progressiv-humanistischen Maßstäben - besonders gut. Aber sie reichen genug Menschen offenbar aus, um (weltweit!) Vorbehalte gegenüber Homosexuellen zu erhalten. Das ist eine Tatsache, an der man mit keinem noch so guten ethischen oder verfassungsrechtlichen Argument - nach dem Motto: "Es kann doch wohl nicht sein, was nicht sein darf" - rütteln kann.

       

      Und wenn man Menschen mit rationalen Argumenten nicht überzeugen kann, dann helfen nur andere Methoden, wie zum Beispiel Fakten zu schaffen, an denen dann wiederum diese Menschen nicht vorbeikommen. Hitzlspergers öffentliches Bekenntnis ist so ein Fakt. Denn niemand, der ihm mal zu aktiven Zeiten zugejubelt hat, kommt um das Eingeständnis herum, dass dieser Schwule in seinen Augen eigentlich immer "Manns genug" war, um als Idol zu taugen. Das ist der erste Schritt zu der abstrakten Akzeptanz, dass Homosexuelle auch generell keine schlechteren Menschen als Heteros sind.